Interview mit dem Bundesliga-Sieger

Geßner: “Habe drei Kreuze gemacht, als Nolde distanziert war“

Von Christoph Adamietz

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Jakob Geßner (Lotto - Kern Haus) hat die Rad-Bundesliga 2023 gewonnen | Foto: Marcel Hilger

18.09.2023  |  (rsn) - Jakob Geßner (Lotto - Kern Haus) hat am Sonntag bei der Sauerlandrundfahrt, dem letzten Lauf der Radbundesliga noch Spitzenreiter Tobias Nolde (P&S Benotti) abgefangen und sich zum ersten Mal in seiner Karriere den Gesamtsieg der nationalen Rennserie gesichert. Im Interview mit radsport-news.com sprach der 23-Jährige über diesen Erfolg, das Duell mit Nolde und einen möglichen Profivertrag.

Sie sind am Sonntag Fünfter bei der Sauerlandrundfahrt geworden und konnten dadurch Tobias Nolde noch das Führungstrikot der Radbundesliga abnehmen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie am Kahlen Asten über den Zielstrich gefahren sind.

Geßner: Oben am Kahlen Asten hatte ich ganz schöne Schmerzen, bin sehr prall angekommen. Aber natürlich habe ich mich auch gefreut. Erst auf der Heimfahrt sind die Emotionen aber so richtig hochgekommen.

Sie haben die Bundesliga-Gesamtwertung gewonnen, das Team hat die Mannschaftswertung geholt, dazu Pierre-Pascal Keup das Bergtrikot. Was bedeuten Ihnen diese Erfolge?

Geßner: Klar, wir hatten dieses Jahr größere Ziele als die Rad-Bundesliga. Aber für die gesamte Mannschaft ist es sehr schön, diese Siege eingefahren zu haben. Das motiviert ungemein. Klar, es ist kein internationaler UCI-Sieg, aber ein Sieg ist ein Sieg, den muss man erst mal einfahren, vor allem, wenn alle auf einen schauen.

Sie sind mit einem Punkt Rückstand in den letzten Lauf gegangen. Hatten Sie unterwegs schon ein Gefühl, dass es mit dem Gesamtsieg klappen könnte?

Geßner: Ich muss gestehen, dass ich am Sonntag keinen hervorragenden Tag hatte. Mir hat der Samstag in Wenholthausen (Berg-DM und vorletzter Bundesliga-Lauf, d. Red.) noch ganz schön in den Knochen gesteckt. Ich habe mich aber gut ins Rennen reingefunden und es setzt auch viele Körner frei, wenn das Team sich komplett für einen aufopfert. Jeder stand hinter dem Plan und ist über sich hinausgewachsen. Ich habe aber drei Kreuze gemacht, als ich Nolde mit der Hilfe meiner Teamkollegen noch distanzieren konnte.

Wie haben Sie den Kampf mit Nolde um den Gesamtsieg empfunden?

Geßner: Es war ein sehr schönes Duell. Ich trainiere in Erfurt hin und wieder mit den Jungs von P&S, verstehe mich gut mit ihnen. Ich wollte gewinnen, sie wollten gewinnen. Ich hätte es ihnen gegönnt und ich glaube, sie gönnen es mir auch. Es war ein sehr ehrlicher Kampf und ich bin sehr dankbar, dass meine Teamkollegen für mich da waren und mir zu diesem Gesamtsieg verholfen haben

Sie fahren seit einigen Jahren die Rad-Bundesliga. Worauf führen Sie zurück, dass Sie gerade in diesem Jahr die Rennserie gewinnen konnten?

Geßner: Ich habe einfach in den letzten zwölf Monaten wieder so viel Spaß am Sport und Radfahren gefunden.

Im letzten Jahr wurden Sie Bergkönig der Deutschland Tour, nun folgte der Bundesliga-Gesamtsieg. Was bedeutet Ihnen mehr?

Geßner: Da kann ich gar keine Antwort drauf geben. Sowohl im letzten Jahr mit der gesamten Mannschaft in Stuttgart, als auch dieses Jahr am Kahlen Asten war es sehr emotional. Da bekomme ich Gänsehaut, wenn ich davon erzähle.

In diesem Jahr hat Ihr Team überraschend keine Einladung für die Deutschland Tour bekommen. Danach ist man aber in der Bundesliga zu Hochform aufgelaufen und hat die letzten drei Läufe gewonnen. Hat da die Enttäuschung neue Kräfte freigesetzt?

Geßner: Wir waren natürlich traurig, dass wir nicht dabei waren. Wir hätten gerne an das letzte Jahr angeknüpft. Nichtsdestotrotz ist jeder von uns motiviert und professionell genug gewesen, um weiter hart zu trainieren, an die Ziele zu glauben und dafür zu kämpfen. Der Großteil von uns hat das Ziel, Profi zu werden. Da setzt eine Einladung zur Deutschland Tour Energie frei. Aber es geht auch ohne die Deutschland Tour weiter. Wir haben in den letzten drei Bundesliga-Rennen gezeigt, dass wir eigentlich hätten am Start stehen müssen. Ich hoffe, dass der Veranstalter unser Team im nächsten Jahr wieder die Möglichkeit gibt, uns bei der Deutschland Tour zeigen zu können.

Was hat in der Endphase der Rad-Bundesliga aus Ihrer Sicht den Ausschlag zu Ihren Gunsten im Kampf um den Gesamtsieg gegeben.

Geßner: Ich denke, wir konnten davon profitieren, dass Pierre-Pascal Keup und Ole Theiler von der Tour de l`Avenir gekommen sind. Das setzt noch mal das eine oder andere Korn frei, denn so eine zehntägige Rundfahrt macht muskulär etwas mit dem Körper. Beide waren für mich eine große Stütze, sie haben mich bis ins Ziel mitgenommen. Gefühlt haben sie mich mit einer Kinderstange an ihrem Sattel befestigt und mich durchs Rennen gezogen

Denken Sie, dass Sie mit dem Bundesligagesamtsieg dem Ziel Profivertrag ein Stück näher gekommen sind?

Geßner: Ich bin rational genug, um zu wissen, dass der Sieg keine neuen Türen öffnen wird. Es gab dieses und letztes Jahr die einen oder anderen Gespräch. Aber es ist nie etwas richtig zu Stande gekommen. Wahrscheinlich bin ich ein, zwei Jahre zu alt, mir fehlt der eine oder andere UCI-Sieg. Und dieser ganze Radsportzirkus mit Development-Partnern ist sehr schwierig und komplex, nicht immer ganz fair. Ich traue es mir zu, bei den ganz großen Jungs mitzufahren, ob als solider Helfer oder loyaler Teamkollege. Ich habe aber nicht die Möglichkeit bekommen, dies unter Beweis zu stellen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, nehme ich es gerne an.

Kritiker der Rad-Bundesliga sagen, dass die Rennen der Rennserie zu taktisch gefahren werden und sich Teams gegenseitig blockieren. Woran liegt das?

Geßner: Ich sehe hier vor allem das Punkteschema als Problem, weil dieses eine aggressive Fahrweise verhindert. Man muss immer schauen, dass man wegen der Punktabstände immer in Richtung Top fünf fährt. Bei schweren Rennen muss man investieren, darf aber auch nicht zu viel investieren, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Vielleicht überdenkt man ja das Punkteschema noch mal, das würde dem Radsport und der Fahrweise in den Rennen zu Gute kommen.

Haben Sie in der Rad-Bundesliga ein Lieblingsrennen?

Geßner:Ich mag Rennen, die von a nach b führen oder auf einer ganz großen Runde gefahren werden. Deshalb mag ich die Sauerlandrundfahrt und die Erzgebirgsrundfahrt. Beides sind sehr schwere Rennen, mit vielen Höhenmetern, viel links/rechts. Die Orga bei beiden Rennen ist top, die Strecke ist super abgesperrt und es gibt viele Zuschauer.

Welche Rennen stehen nun für Sie an?

Geßner: Wir sind von der Sauerlandrundfahrt direkt zu Ole Theiler weiter nach Krefeld gereist. Wir werden in Belgien einige Kermis-Rennen bestreiten. Die Rennen dort sind presshart, aber wir werden das Beste draus machen. Und ich will den Jungs dort auch etwas zurückgeben.

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