RSNplusSD Worx dominiert, Peloton hadert: Zu wenig Kooperation

“Wollen wir guten Frauenradsport, müssen wir cleverer sein“

Von Felix Mattis aus Clermont-Ferrand

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Marlen Reusser und Demi Vollering führen das Peloton kurz vor der Attacke von Teamkollegin Lotte Kopecky (2. von rechts, ganz hinten) in die Cote de Durtol. | Foto: Cor Vos

24.07.2023  |  (rsn) – Die Dominanz des Teams SD Worx ist angsteinflößend. Doch auch wenn das niederländische Team ein Ensemble absoluter Spitzenfahrerinnen ist, so wurde der bereits 17. Doppelsieg in dieser Saison auf der 1. Etappe der Tour de France Femmes in Clermont-Ferrand nicht nur durch die schiere Stärke der SD-Worx-Asse möglich. Nach dem Solo-Triumph von Lotte Kopecky und dem Sprint von Lorena Wiebes in der Verfolgerinnengruppe zu Rang zwei, war sich die Konkurrenz in einer Sache einig: dass man sich zu uneinig war.

"Lotte hat ihren Angriff perfekt getimet, so dass sie mit etwas Vorsprung über die Kuppe kam und dann war es einfach nervig in der Verfolgerinnengruppe", sagte Ashleigh Moolman-Pasio (AG Insurance – Soudal – Quick-Step) gegenüber radsport-news.com im Ziel.

"Ich war dort allein, so dass es eigentlich nicht meine Verantwortung hätte sein sollen, all die Arbeit zu machen. Und ich habe versucht, die Mädels zu ermutigen, es am Laufen zu halten. Es waren drei von Canyon da, drei von FDJ, Movistar war zu zweit – wenn sechs oder sieben Fahrerinnen zusammenarbeiten, sollte es möglich sein, Kopecky zurückzuholen. Aber wenn dann immer wieder attackiert wird, geht die Lücke nur weiter auf", so die Südafrikanerin frustriert, und Katarzyna Niewiadoma (Canyon – SRAM) pflichtete schlug in dieselbe Kerbe:

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"Lotte ist keine GC-Fahrerin und ich denke, das hat es ihr heute erlaubt, weniger verfolgt zu werden. Annemiek (van Vleuten) zum Beispiel hatte kein Interesse daran, in der Verfolgung zu helfen", sagte die Polin zu radsport-news.com. "So landen wir immer wieder in der Situation, dass SD Worx die Siege holt. Sie war in Reichweite, aber die Kooperation war gleich null. Das ist frustrierend."

Chance vertan, Podiumskandidatinnen zu distanzieren

Besonders deutlich wurde FDJ-Suez-Teammanager Stephen Delcourt. Der Franzose betonte, dass es in Clermont-Ferrand nicht nur um die Verfolgung von Kopecky gegangen sei. Vielmehr hätten die Gesamtwertungs-Kandidatinnen ein Interesse haben sollen, an einem Strang zu ziehen.

Denn nachdem Kopecky knapp 500 Meter vor der Kuppe der Cote du Durtol (3. Kat. / 1,7 km bei 7,2 Prozent) attackiert und die Bergwertung mit fünf Sekunden Vorsprung erreicht hatte, bildete sich hinter ihr eine zehnköpfige Verfolgerinnengruppe mit dem Movistar-Duo van Vleuten und Liane Lippert, dem Canyon-SRAM-Duo Niewiadoma und Elise Chabbey, dem FDJ-Duo Marta Cavalli und Cecilie Uttrup Ludwig sowie Veronica Ewers (EF Education – Tibco – SVB), Moolman-Pasio, Mavi Garcia (Liv Racing – Teqfind) und Kopeckys Teamkollegin Demi Vollering.

Abgehängt waren da schon Elisa Longo Borghini (Lidl – Trek), Erica Magnaldi, Silvia Persico (beide UAE Team ADQ) und Riejanne Markus (Jumbo – Visma), um nur die vier interessantesten Klassementfahrerinnen unter den Abgeschüttelten zu nennen. Dazu kamen die Sprinterinnen Wiebes, Charlotte Kool (DSM – firmenich) und Marianne Vos (Jumbo – Visma).

Doch anstatt sie alle weiter zu distanzieren, halfen in der zehnköpfigen ersten Verfolgerinnengruppe nur Moolman-Pasio und Cavalli konsequent mit. Alle Anderen schnupperten nur ganz kurz Führungsluft, bevor sie sich dann wieder Hilfe suchend umschauten.

"Wenn wir alle so weiterfahren, kann SD Worx hier acht Etappen gewinnen"

So kamen in der Abfahrt zunächst Longo Borghini gemeinsam mit Evita Muzic (FDJ – Suez), Ane Santesteban (Jayco – AlUla) und Anna Henderson (Jumbo – Visma) wieder heran, und weil auch danach keine Zusammenarbeit entstand, schaffte zwei Kilometer vor Schluss auch eine weitere zehnköpfige Gruppe um Wiebes, Vos und Kool sowie Ricarda Bauernfeind (Canyon – SRAM) und Magnaldi den Anschluss, während das Canyon-Duo Niewiadoma und Chabbey auf den letzten drei Kilometern abwechselnd insgesamt vier Mal attackierte, aber nie wegkam.

"SD Worx dominiert schon die ganze Saison und wir tun nichts dafür, das zu beenden. Dass sie bei einem Rennen wie diesem wieder Erste und Zweite werden, das ist nicht normal! Wiebes war abgehängt und niemand will mitarbeiten", sagte Delcourt radsport-news.com und redete sich anschließend in Rage: "Warum führt Canyon nicht mit und attackiert dann danach mehrmals? Wenn wir alle so weiterfahren, kann SD Worx hier vielleicht acht Etappen gewinnen. Wenn wir einen guten Frauen-Radsport wollen und nicht ständig Doppelsiege von SD Worx, dann müssen wir cleverer sein!"

Lotte Kopecky gewann die 1. Etappe der Tour de France Femmes in Clermont-Ferrand. | Foto: Cor Vos

Viele Sportdirektoren seien zufrieden mit einem dritten, vierten oder fünften Platz, meinte Delcourt. "Die Fahrerinnen brauchen auch den eigenen Instinkt, aber wenn die Sportdirektoren ihnen immer wieder vorbeten, dass Top 5 auf einer Etappe ein gutes Ergebnis ist, dann ist das nur für SD Worx gut", so Delcourt weiter. "Klar: Niemand konnte Kopeckys Attacke folgen. Alle waren da am Limit, das haben mir auch Cecilie, Marta und Evita gesagt. Aber wenn man direkt danach über die Kuppe reagiert… Wir sind dann gefahren, aber warum hilft niemand mit?!"

FDJ-Boss Delcourt teilt gegen Canyon – SRAM aus

Einzig Moolman-Pasio schloss Delcourt von seiner Kritik explizit aus. "Nur eine wollte arbeiten: Ashleigh Moolman-Pasio. Sie hat die Erfahrung und versteht, worum es geht. Ja, vielleicht wäre es schwer gewesen, zu Lotte Kopecky vor zu kommen, aber es waren ja auch viele Fahrerinnen abgehängt. Und man muss doch an die kommenden Tage denken! (Juliette) Labous war abgehängt, (Silvia) Persico war abgehängt, (Olivia) Baril war abgehängt. Und ob man ihnen 30 Sekunden oder eine Minute abnimmt, das ist nicht dasselbe", sagte er.

Am Ende büßten von den Klassementfahrerinnen Cavalli sieben, Bauernfeind zehn und Persico sowie Markus je 23 Sekunden auf van Vleuten, Vollering und Co. ein. Labous verlor 43 Sekunden, Clara Koppenburg (Cofidis) eine Minute und Baril sogar 1:17 Minuten. Der Rest der potenziellen Top-5-Kandidatinnen für die Endabrechnung der 2. Tour de France Femmes kam gemeinsam an. Delcourt sah das als vertane Chance an, war aber auch skeptisch, dass sich an der Fahrweise der Konkurrenz etwas ändern werde – vor allem Canyon – SRAM schien ihm grundsätzlich schon länger zu missfallen.

"Wir haben schon mehrfach versucht, mit den Anderen darüber zu sprechen. Aber sie wollen trotzdem nie arbeiten", sagte Delcourt. "Das beste Beispiel war das Amstel Gold Race: Als Grace Brown attackiert hat, ist Paladin mitgegangen, hat aber dann nicht mitgearbeitet. Warum? Wenn wir mit Kopecky oder Vollering zum Ziel kommen, haben wir keine Chance auf den Sieg. Vielleicht kann dann Niewiadoma Dritte werden, aber auch wenn ich vielleicht nicht der Beste in Mathematik bin: Wenn man zu zweit vorne ist, dann wird man Erste oder Zweite, aber sie fahren auf Platz drei. Das ist ein großer Fehler, aber vielleicht ist dort einfach das Marketing das Wichtigste?"

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