Sprint-Youngster will an starke Vuelta anknüpfen

Kanter: Zu welchem Ergebnis führt die Reise ins fremde Italien?

Von Felix Mattis

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Max Kanter (DSM) | Foto: Cor Vos

10.03.2021  |  (rsn) – Max Kanter befindet sich dieser Tage auf einer Reise ins Ungewisse – überspitzt ausgedrückt, aber auch rein faktisch: Zum ersten Mal in seiner immerhin schon dritten Profisaison bestreitet er mit Tirreno-Adriatico ein Radrennen im März, nachdem er sich 2019 im Frühjahr verletzte und 2020 die Corona-Pandemie ihm einen Strich durch seine erste Saisonhälfte machte. Und zum erst zweiten Mal überhaupt fährt Kanter in dieser Woche Rad in Italien.

Es klingt verrückt, aber es ist wahr: Die Lombardei-Rundfahrt der U23 im Jahr 2017 war der erste und bislang einzige Renneinsatz des gebürtigen Cottbusers im Land von Pasta, Pizza und Gelato. Damals kam Kanter nicht ins Ziel.

"Stimmt, das war mein einziges Rennen bisher in Italien. Und auch im Trainingslager war ich meistens in Spanien, nie in Italien. Aber ich denke, wenn man sich die Strecke gut angeschaut hat, ist das das Wichtigste", erklärte der 22-Jährige im Telefonat mit radsport-news.com am Dienstag.

Und vorbereitet ist Kanter. Das Finale der 1. Etappe in Lido di Camaiore hat er sich gut eingeprägt: Das Park Hotel, in dem sein Team DSM dieser Tage untergebracht ist, liegt nur rund 200 Meter vom Zielstrich an der Strandpromenade des Urlaubsortes entfernt. Außerdem hat er sich im Video noch einmal den Sprint aus dem Vorjahr angeschaut, als Pascal Ackermann (Bora - hansgrohe) auf den letzten Metern noch rechts an der Bande quasi unterm Arm von Fernando Gaviria (UAE Team Emirates) hindurchhuschte und dem Kolumbianer den Sieg wegschnappte.

"Der Wind hat dabei schon auch eine Rolle gespielt. Sie hatten Rückenwind, und deshalb konnte Gaviria so einen langen Sprint fahren, aber auch nur deshalb konnte Ackermann mit so einem Überschuss von hinten noch vorbeikommen", hat Kanter analysiert. Am Mittwochnachmittag wird es dagegen eher leichten Gegenwind geben – mit der Betonung auf leicht.

"Wenn wir alles richtig machen, können wir aufs Podium fahren"

Nun also ist der Sprinter dort, in Italien, und trägt neben dem französischen Kletterer Romain Bardet die halbe Kapitänslast, will aber auch lernen. "Unser Ziel sind Etappenergebnisse in den Sprints mit mir. Aber ich will mir nicht unnötig selbst Druck machen. Wir sind auch zum Lernen hier. Sicher: Wenn wir alles richtig machen, können wir auch an einem Tag aufs Podium fahren. Aber in einem WorldTour-Rennen entscheidet jedes kleine Detail", dämpfte er vorsichtig die Erwartungen.

Doch seitdem der U23-WM-Siebte von Bergen 2017 im vergangenen Herbst zwei dritte Etappenplätze in Massensprints der Vuelta a Espana erzielt hat, fliegt er auch international nicht mehr ganz unter dem Radar. Und nach dem Abschied von Michael Matthews trägt Kanter auch teamintern mehr Verantwortung als zweiter Sprinter neben Cees Bol, der am Montag bei Paris-Nizza für den ersten Saisonsieg des Teams gesorgt hat.

"Das Team sieht es genauso wie ich: Wir wollen in den nächsten Jahren zunächst den Fokus aufs Sprinten legen", erklärte Kanter radsport-news.com, dass etwaige Ambitionen in Richtung Klassiker – immerhin war er 2018 Zweiter der U23-Variante der Flandern-Rundfahrt – zunächst hinten anstehen.

Erst das Sprinten, später irgendwann Klassiker

"Nach und nach will ich auch bei den Klassikern Erfahrungen sammeln. Ein Monument zu fahren, ist schon auch etwas ganz Besonderes", sagte er, doch bis dahin wolle er zunächst noch einiges an Rennhärte bei schweren Rundfahrten sammeln. Deshalb steht nach Tirreno-Adriatico, das in den kommenden sieben Tagen bis zu drei Chancen für die Sprinter bereithält, auch die Katalonien-Rundfahrt auf dem Programm, wo es eigentlich nur eine einzige Sprintetappe in sieben Tagen gibt. Außerdem wird Kanter in dieser Saison seine zweite Grand Tour bestreiten – welche, das sei noch offen, erklärte er.

"Ich habe nach der Saisonpause definitiv gemerkt, dass ich mit einem ganz anderen Grundniveau wieder ins Training eingestiegen bin", stellte er im Rückblick auf die Auswirkungen der Vuelta auf seinen Körper fest. "Was man aber auch bemerkt hat ist, dass die Saisonpause dadurch recht spät kam. Daher brauchte ich jetzt ein, zwei Rennen mehr, um in Form zu kommen."

Bei seinem Saisondebüt Mitte Februar, der Tour de La Provence, tat sich Kanter dementsprechend noch etwas schwer, und Kuurne-Brüssel-Kuurne fuhr er nicht zu Ende. Vielleicht auch deshalb wollte er sich vor Tirreno-Adriatico noch nicht zu weit mit optimistischen Zielsetzungen aus dem Fenster lehnen, zumal er eine harte Woche erwartet.

"Van Aert und van der Poel werden das Rennen schwer machen"

"Wout Van Aert und Mathieu van der Poel werden sehr offensiv fahren, weil sie sich auf die Klassiker vorbereiten und Rennhärte sammeln wollen. Dadurch wird es sehr schwer werden", glaubt er und sieht daher höchstens drei Chancen auf eine Sprintankunft mit seiner Beteiligung. Dabei sind für ihn dann Caleb Ewan (Lotto Soudal), Fernando Gaviria (UAE Team Emirates) und der in dieser Saison schon dreimal siegreiche Davide Ballerini (Deceuninck – Quick-Step) die Top-Favoriten. "Aber auch Van Aert und van der Poel werden in den Sprints sicher mit reinhalten", so Kanter.

Neben diesen fünf sowie Elia Viviani (Cofidis), Matteo Moschetti (Trek – Segafredo), Tim Merlier (Alpecin – Fenix) und Peter Sagan (Bora – hansgrohe) gehört aber auch er selbst zu den zehn schnellsten Männern im Rennen. Die erste Grundvoraussetzung für ein Spitzenresultat ist also gegeben.

Und da schließt sich der Kreis: "Ich mag daran das Ungewisse, das Hektische, das Chaotische. Ich denke, dass ich relativ gut darin bin, mich da zurechtzufinden. Und auch dieser kleine Adrenalinkick dabei gefällt mir", erklärt Kanter seine Liebe zum Sprinten. Die Reise ins Ungewisse, ins fremde Italien, sie dürfte ihm also sehr gut gefallen.

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