Interview mit dem Spätstarter

Walsleben: “Van der Poel ist auf dem Boden geblieben“

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Walsleben: “Van der Poel ist auf dem Boden geblieben“"
Philipp Walsleben bei der Teampräsentation von Alpecin - Fenix in Amsterdam | Foto: Cor Vos

07.01.2020  |  (rsn) - Im Sommer 2018 klopfte Mathieu van der Poel beim damals schon 30-jährigen  Bundesliga-Fahrer Philipp Walsleben an, ob er nicht zu ihm ins Team wechseln wolle. Für den gebürtigen Potsdamer, der damals die Bundesliga-Gesamtwertung  gewann, wurde ein Traum wahr. radsport-news.com sprach mit Walsleben am Rande der Teampräsentation von Alpecin – Fenix in Amsterdam.

Wie kam Mathieu van der Poel auf Sie?
Walsleben: Wir waren mal Teamkollegen bei BKCP Powerplus (Crossteam, Vorgänger von Alpecin – Fenix, d. Red) gewesen. Ich glaube, von 2014 an. Ich bin aber auch in den Straßenrennen mit ihm gefahren. Wir hatten uns damals zusammen vorbereitet. Aber auch im Trainingslager waren wir viel zusammen. Wir kannten uns also und wussten, dass es im Rennen und außerhalb ganz gut funktioniert.

Er hat Sie dann wieder zu seiner Unterstützung geholt?
Walsleben: Ja, man braucht im Rennen Hilfe in vielen Sachen. Und ich kann, glaube ich, relativ viele Sachen - dachte ich (lacht). Früher konnte man mich auch in einem Sprintzug einsetzen. Doch inzwischen merkte ich, dass es bei richtigen Sprintzügen etwas anderes ist, wenn ich beispielsweise mit dem Jumbo–Visma- oder Mitchelton–Scott-Sprintzug mithalten muss. Ich kann aber im Rennen ganz gut Aufgaben erkennen und Mathieu oder andere aus dem Wind halten. Ich bin mir auch nicht zu schade, frühzeitig Körner zu verschießen. Wenn ich einen Auftrag bekomme, kann ich alles raushauen. Ich glaube, das ist meine Stärke.

2019 bei Corendon - Circus war aber ein schweres Jahr für Sie...
Walsleben: Ich erlitt durch einen Sturz im Training einen Schlüsselbeinbruch. Der war aber eher ein Glücksfall. Denn er führte zu einem Reset. Ich wünsche mir den nicht noch mal. Aber er kam relativ gelegen. Dadurch konnte ich alles auf null setzen und von vorne beginnen, mich vorzubereiten. Ich hatte davor in der ersten Jahreshälfte einfach nur mit Stress zu kämpfen. Das verursachte verschiedene Symptome, die nicht zuließen, dass ich vernünftig Radsport betreiben konnte. Es ging von einer Erkältung in die nächste.

Haben Sie sich zu viel unter Druck gesetzt, weil Sie nach ihrem Rücktritt vom Crosssport und dem guten Jahr 2018 (im Trikot des Amateurteams P&S Thüringen, d. Red. ) noch besser werden wollten?
Walsleben: 2018 war gut, aber nicht aussagekräftig für den Profisport. Denn auf einmal kam eine Sache auf mich zu, die ich noch nicht kannte. Es war der erste Winter ohne Crossrennen. Das war total ungewohnt. Ich sollte nur Straße fahren. Das Amstel Gold Race stand relativ früh fest. Doch da habe ich schnell gemerkt, dass ich hinterherhänge. Von da an habe ich mich zu viel unter Druck gesetzt. So waren die ersten vier Monate schwer. Aber ab Mai nach dem Schlüsselbeinbruch konnte ich neu aufbauen. Mit der zweiten Saisonhälfte war ich dann sehr zufrieden.

Sie sind bei den Deutschen Meisterschaften auf dem Sachsenring bei großer Hitze starker Siebter geworden...
Walsleben: Ja, das war ein erster Höhepunkt. Da habe ich gemerkt, dass ich mich mit meinem Trainer Paul Voß sehr gut vorbereitet hatte. Die Deutschen Meisterschaften waren ein Zeichen für mich, dass ich auch schwere Rennen vertrage. Das nächstes Ziel war dann die Tour of Britain. Auch da habe ich mich stark gefühlt und konnte Mathieu van der Poel (der die Rundfahrt gewann, d. Red.) gut unterstützen. Da habe ich mir viel Lust auf die kommende Saison geholt.

Was ist van der Poel für ein Mensch?
Walsleben: Auf dem Rad ist er natürlich ein Superstar. Aber unter seinen Freunden und Teamkollegen verhält er sich wie jeder andere auch. Er hat Respekt vor allen Leuten, ist hilfsbereit und auf dem Boden geblieben. Als ich zum Beispiel mein Schlüsselbein gebrochen hatte, sagte er zum Pfleger, er solle mal aufhören, weil er es besser könne. Dann hat er mich verbunden. Er wusste, was gebraucht wird, weil er ja selber schon oft genug auf dem Boden gelegen hatte. Er gliedert sich super in eine Gruppe ein.

Wie fährt er seine Siege ein?
Walsleben: Vor allem amüsiert er sich in den Rennen. Das ist sein großer Vorteil. Wie wichtig der Spaß für ihn ist, haben auch die Roodhooft-Brüder (Teammanager) früh erkannt. Das heißt, er darf sich in jedem Radrennen austoben. So lassen sie zu, dass er in verschiedenen Disziplinen wie Cross, Straße und Mountainbike startet.

Alpecin – Fenix ist nur ein Zweitligist. Weil van der Poel sehr begehrt ist, wird das Team aber auch genügend Wildcards bekommen. Zum Giro und zur Tour noch nicht, aber bei der Vuelta könnten Sie mit 32 Jahren Ihr WorldTour-Debüt geben.
Walsleben: Es wäre schön, wenn wir dort starten dürften. Natürlich ist es für mich ein Riesenziel, ins Aufgebot zu kommen. Etwas, wovon ich immer geträumt habe. Man sitzt ja vorm Fernseher und fragt sich, wie schnell fahren die und könnte ich da mithalten? Mit 32 ist das ja nicht ganz normal, dass man nochmal so eine Herausforderung bekommt.

Müssen Sie sich auf Ihre erste dreiwöchige Rundfahrt nicht noch mal speziell vorbereiten?
Walsleben: Ja, es ist bei mir in allen Rennen so, dass mir die Länge Probleme bereitet. Wenn die Vuelta steht, müssen wir noch mal einen besonderen Plan machen. Aber mein Coach Vossi ist selber GrandTours gefahren und weiß, was dazu gehört. Das ist aber noch kein Thema. Wir arbeiten zurzeit an der Grundlage, damit ich die Finals gut bestreiten kann. Durch die Crossrennen war ich oft einer, der früh kaputtgegangen ist.

Anfang des Jahres kannte man van der Poel noch nicht und das Team konnte mehr fahren, wie es wollte. Das geht jetzt nicht mehr?
Walsleben: Seit dem Sieg beim Amstel Gold Race ist es anders. Seitdem wird mehr auf Mathieu geschaut. Wir müssen mehr mithelfen, die Rennen zu kontrollieren. Dafür braucht man Manpower. Es gibt auch Situationen, in denen Teams nicht unbedingt um den Sieg fahren, sondern mehr darauf achten, dass der andere nicht gewinnt. Das gibt es bei den Sprintrennen oft. Wir bekommen aber auch weniger Freiräume, wenn einer von uns attackiert. Auch wenn es nicht Mathieu ist, wird dafür gesorgt, dass die Lücke nicht zu groß wird, oder dass man gar nicht erst wegkommt. Dadurch haben wir auch weniger Schachfiguren im Spiel. Es könnte also schwieriger werden, zu gewinnen.

Ihr großes Ziel ist die Vuelta-Teilnahme?
Walsleben: Ja, und die Wallonischen Klassiker. Lüttich-Bastogne-Lüttich ist auch eine große Sache.

Sind Sie dort schon mal gestartet?
Walsleben: Nein, ich bin jahrelang mein erstes Rennen erst im Mai gefahren. So ist alles, was im April stattfindet, spannend für mich.

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