Interview mit Chef Eduard Dörrenberg

Was macht Alpecin, wenn sich Kittel eine Glatze scheren lässt?

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Was macht Alpecin, wenn sich Kittel eine Glatze scheren lässt?"
Eduard R. Dörrenberg Geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Wolff Unternehmensgruppe | Foto: Dr. Wolff Unternehmensgruppe

31.12.2017  |  (rsn) - Seit zwei Jahren engagiert sich der Bielefelder Shampoo-Hersteller Dr. Wolff mit seiner Marke Alpecin im Radsport. Eduard R. Dörrenberg, der Geschäftsführende Gesellschafter, ist mit dem Einsatz sehr zufrieden. Doch was wäre, wenn sich Topstar Marcel Kittel eine Glatze scheren lassen würde? Dazu mehr in diesem Interview mit radsport-news.com.

Wie sehen Sie das Engagement von Alpecin im Radsport?
Eduard R. Dörrenberg: "Wir haben mit Marcel Kittel einen Weltstar an Bord, der auch zu unserem Produkt gut passt. Wir sind in der Szene anerkannt, weil wir uns mit und im Radsport vermarkten und das Ganze nicht als Hobby sehen. Viele Rennställe sind ja immer noch das Hobby eines Einzelnen oder sie sind Erfüllungsgehilfen nationaler Interessen. Für uns ist der Radsport ein globales Vermarktungsprojekt."
 
Waren Sie oder Katusha bei der Verpflichtung Kittels die treibende Kraft?

Dörrenberg: "Die Lorbeeren kann ich mir nicht anheften. Da müsste man Herrn Kittel fragen, wer ihn zu uns lotste. Aber wir haben natürlich frühzeitig gewusst, dass es von beiden Seiten Interesse gab. Ich habe auch damals im ersten Jahr (bei Giant-Alpecin, d-Red.) mit ihm eng zusammengearbeitet. Wir hatten auch in schwierigen Zeiten engen Kontakt. Aber was ihn jetzt zum Wechsel bewegt hat, muss man ihn fragen. Ich denke das Gesamtkonzept war ausschlaggebend."

Wenn Sie das Sponsoring mit Giant und jetzt mit Katusha vergleichen: Bei welchem Partner war die öffentliche Wahrnehmung besser?
Dörrenberg: "Das ist schwer zu bemessen. Wir hatten mit Giant-Alpecin natürlich ein tolles erstes Jahr mit den Erfolgen von John (Degenkolb, Sieger in Sanremo und Roubaix) und auch mit dem Etappensieg von Simon Geschke bei der Tour de France. Das zweite Jahr war dann weniger erfolgreich. Es fing schrecklich an (mit dem schweren Unfall der Trainingsgruppe um John Degenkolb), dadurch wurde es auch sportlich ein sehr schwieriges Jahr. Es konnte auch nicht besser werden, weil die Seele des Teams kaputtgemacht wurde. Jetzt hatten wir, glaube ich, ein gutes Jahr. Auch mit all unseren Aktivitäten um die Tour herum - in Deutschland, aber auch international."

Sie haben keine konkreten Messwerte?
Dörrenberg: "Nein, man soll ja nur der Statistik glauben, die man selbst fälscht", sagt Dörrenberg und lacht. "Klar testen wir etliche Parameter und mit unseren eigenen Daten sind wir sehr zufrieden. Auch wenn es sportlich noch etwas besser hätte laufen können."

Ist Alpecin in der Partnerschaft Katusha-Alpecin der größere Partner?

Dörrenberg: "Über Geld sprechen wir Ostwestfalen nicht. Aber wir sind nicht der Teameigner - das ist Igor Makarow - wir sind Hauptsponsor."

Also ist davon auszugehen, dass sie den größeren finanziellen Anteil leisten?"
Dörrenberg: "Weiß ich nicht. Wir sind der Hauptsponsor in einem großen Team."

Gehen Sie davon aus, dass es mit Marcel Kittel sportlich besser laufen wird?
Dörrenberg: "Ja das hoffen wir alle natürlich.  Aber Alexander Kristoff war auch kein Amateur. Es kann gut sein, dass er dieses Jahr wieder mehr Rennen gewinnt. Letztes Jahr war er eben einfach nicht zur richtigen Zeit der Schnellste und es haben die großen Erfolge gefehlt.  Aber natürlich: Marcel Kittel ist ein absoluter Weltstar, sowohl sportlich als auch persönlich. Er ist einen sehr guten Weg gegangen. Das passt für uns natürlich noch besser als Kristoff. Deshalb haben wir schon Hoffnungen und Erwartungen und ich denke, dass es eine gute Konstellation und Ausgangslage ist. Übrigens mache ich auch keinen Hehl daraus, dass das auch eine Konstellation war, die uns damals zu Giant-Alpecin geführt hat. Dass sich damals die Wege trennten, war nicht unser Wunsch und unsere Entscheidung. Wir haben mit Marcel Kittel immer gerne zusammengearbeitet."

Wie steht es um die Skepsis in Bezug auf das Team? Bevor Sie bei Katusha eingestiegen sind, hieß es "um Gottes Willen, wie kann Alpecin das tun - ein russisches Team". Sind die Vorbehalte verflogen?
Dörrenberg: "Ich denke schon! Als wir mit Giant-Alpecin anfingen, war der Aufschrei auch nicht kleiner. Da haben alle gesagt: Wie könnt ihr in den Radsport gehen? Betrug, auch im Sport, wird es leider immer geben und man muss hart dagegen vorgehen. Wir haben uns davon überzeugen lassen, dass man hier im Team einen ganz neuen Weg gehen will. Wenn man da irgendwelche Bedenken hätte, dann dürfte auch niemand mehr im Fußball Sponsoring betreiben, wenn man an die FIFA und Ihre Machenschaften und auch die letzten Dopingfälle mit sehr fragwürdigen Strafen denkt. Wenn ich mir ansehe, wie Radsportler kontrolliert werden, und wie Fußballer kontrolliert werden, da kann ich nur sagen: Da kommen sehr unterschiedliche Maßstäbe zum Einsatz."

Wie sind sie mit der Entwicklung der öffentlichen Wahrnehmung des Radsports zufrieden?
Dörrenberg: "Für uns ist das ja vor allem ein internationales Thema. Ich glaube, dass der Radsport international nach wie vor weiter boomt. Wir sehen Bemühungen in China und sehen, was in Amerika passiert und wir sehen es bei den Rennen. Es ist ja auch gar nicht aufzuhalten, weil das Thema Rad so spannend ist. Ob es jetzt E-Bikes sind oder OBike, das erste Bike-Sharing aus China in Berlin. Diese ganze Dimension um das Thema Radfahren, sowohl sportlich als auch bei der Gesundheitsvorsorge, das ist spannend. Aber, machen wir uns nichts vor: In Deutschland wird das erst wieder durch die Decke gehen, wenn wir einen Deutschen haben, der um den Tour-de-France-Sieg mitfährt. Darunter machen wir es in Deutschland ja wahrscheinliche leider nicht."

Trotzdem war der Tour-de-France-Start ein großer Publikumserfolg

Dörrenberg: "Düsseldorf war schon beeindruckend, denn trotz des schlechten Wetters war eine Menge los. Man hat gesehen, dass das Interesse der Menschen da ist. Aber der Radsport selbst muss auch noch besser werden, denn ich glaube, man könnte viel mehr machen mit der Vermarktung der Fahrer und ihrer Geschichten. Im Kommentarbereich könnte man auch besser werden, wenn man den Leuten den Sport und den Teamgedanken besser vermittelt. Welche Rolle hat welcher Fahrer? Da kann man noch eine Menge machen."

Was können Sie als Sponsor machen?
Dörrenberg: "Auch eine Menge, indem wir zum Beispiel unseren Jedermann-Bereich ausbauen oder Dinge wie den Tour-Start in Düsseldorf mitpushen. Und natürlich auch, weil ich glaube, dass Marcel Kittel und Tony Martin echte Persönlichkeiten sind, die den Radsport in Deutschland wirklich weiterbringen können. Ich habe mich in Paris lange mit Tony Martin unterhalten und war beeindruckt. Ich glaube, dass er eine Persönlichkeit ist, die junge Menschen motivieren kann - dasselbe gilt auch für Marcel Kittel. Wir werden ihnen helfen, wo wir nur können."

Den Firmen-Slogan "Doping für die Haare" gibt es immer noch?

Dörrenberg: "Ja, klar. Doping für die Haare - nur für die Haare. Wir haben mit Doping für die Haare angefangen und den Zusatz irgendwann dazu genommen. Aber das ist ein Werbe-Claim mit einer klaren und prägenden Aussage, was unser Produkt leisten kann."

Was machen Sie, wenn einer ihrer Fahrer mit toller Haarpracht, Rick Zabel oder Marcel Kittel, sich eine Glatze scheren lässt?
Dörrenberg: "Das fände ich nicht schlimm. Das ist ihre individuelle Entscheidung. Es wäre schade für die beiden und für sie wesentlich schlimmer als für uns. Ich würde ihnen dann sagen: 'Nehmt mal mehr Alpecin, damit die Haare schnell wieder nachwachsen, denn das sieht einfach nicht gut aus!‘ Aber ich glaube nicht, dass in unseren Verträgen steht, dass man nur mit Haaren fahren darf. Die Beiden stehen dafür, dass schöne Haare ein wertvolles Gut sind. Uns geht es darum, Männern klar zu machen, dass sie sich doch bitte frühzeitig um ihre Haare kümmern sollen, damit sie diese so lange wie möglich behalten und auf eine teure und schmerzhafte Haartransplatation möglichst verzichten können."

Hätten Sie Kittel auch geholt, wenn er keine Haare hätte?

Dörrenberg: "Ich selbst habe ihn ja ohnehin nicht geholt. Aber dann wäre er eben das eher "abschreckende" Beispiel."

Ihr Wunsch fürs neue Jahr?
Dörrenberg: "Aller guten Dinge sind drei. Wir haben jetzt zwei Mal versucht, das Gelbe Trikot zu bekommen. Einmal in Utrecht mit Tom (Dumoulin), der Vierter wurde und einmal in Düsseldorf mit Tony. Ja, das wäre mein erster Wunsch. Mir ist bewusst, dass das nicht einfach wird, aber wünschen darf man sich ja bekanntlich alles. Das ist sicherlich sportlich das Ziel. Wichtig ist aber auch, das ganze Team weiterzuentwickeln und mehr Menschen dem Radsport näherzubringen - und dabei den Männern zu erklären, dass sie auch etwas für ihre Haare tun sollten und können."

 

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