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04.07.2017 | (rsn) - "Dicker - ich bin klapperklar, kannst Du mich hören?"
Diese Worte sprach Wagis zarte Stimme heute (Montag) gegen 18:41 Uhr am anderen Ende der Leitung. Zugegeben: Wagi klang tatsächlich richtig fertig mit der Welt und man hätte fast etwas Mitleid bekommen können - fast. Da ich seit gestern ja leider erst mal nicht mehr live an der Strecke bin, sondern mittlerweile wieder zurück in Berlin, ist vorerst ein tägliches Telefonat mit Wagi angesagt.
Heute rief er mich an, als ich grade zusammen mit dem neuen Deutschen Meister im Punktefahren Henning Bommel eine Runde trainieren fuhr. Das erklärt sicherlich auch, warum ich persönlich in dem Moment gar keine Zeit für Mitleid hatte, da ich ehrlich gesagt froh war, überhaupt das Telefon aus der Tasche ziehen zu können... Das Interview wurde also weiter nach hinten verschoben und ich behaupte mal, Wagi war das auch nicht ganz unrecht, denn wer telefoniert schon gerne mit jemandem, der immerzu doofe Fragen stellt, wenn er selbst grade nicht mal weiß, wo oben und unten ist?
Neuer Anlauf also kurz nach 9 und im Anschluss an Wagis Abendessen. "So Dicker, ich habe es geschafft und liege jetzt hier schön in der 'Wagnerrechten', denn das Essen ist rum.“ Wagi klang schon wieder deutlich lebendiger und ich merkte ihm an, dass er das Finale der Etappe inzwischen etwas verdaut hatte.
Das Team LOTTO NL JUMBO hat so wie alle anderen Teams bei der Tour de France natürlich auch einen eigenen Koch für die Fahrer dabei und in diesem speziellen Fall ist das sogar einer mit ordentlichem Bezug zu den Rennfahrern. Jesper Boom, der Bruder von Lars Boom, zaubert täglich für die "Jumbos“ nur das Beste aus Topf und Pfanne! Wagi ist, was das Kalorienzählen angeht, ja relativ entspannt und gönnt sich auch mal 'nen Stück Schokolade oder einen Keks zum Kaffee - andere Teamkollegen sind da aber durchaus viel penibler und stimmen sich dann mit dem Koch auch sehr detailliert ab.
Die 3. Etappe begann für Wagi und seine Jungs relativ entspannt, da sie einerseits nur 600 Meter vom Start entfernt im Hotel waren (in einem sehr guten noch dazu - und das ist bei der Tour nicht immer so!) und andererseits war der Start der Etappe zu 80 Prozent identisch mit dem der Ster ZLM Tour von vor einigen Tagen. Ausschlafen und wissen, was einen erwartet, war also zunächst angesagt und am Vorabend gabs für Wagi auch noch mal Besuch von der Familie. Somit waren die Rahmenbedingungen also schon mal super und das Wetter spielte obendrein auch noch mit - trocken und angenehm warm.
Wer mal wieder nicht mitspielte, waren dann leider wie so oft die anderen Kollegen in den bunten Trikots: "Auf den ersten 15 Kilometern haben wir uns alle wieder schön gegenseitig die Fresse poliert. Eigentlich waren schnell drei Mann inklusive Nils (Politt) weg, aber dann wollten da unbedingt noch mal drei Mann hin - aua!
Da das Feld heute den ganzen Spaß auch sehr stark kontrolliert hat, kamen die Jungs vorne auch nie mehr als zweieinhalb Minuten weg. Bis die Ausreißer das aber realisiert haben, ist leider eine Weile vergangen und so fuhren die Burschen vorne ewig am Anschlag, aber wir hinten ebenso. Kneesi & Co. hatten folglich schön zu tun an der Spitze des Feldes. Da ich selbst heute im Finale natürlich absolut keine Aktien hatte, war für mich klassisches Helfen angesagt und ich holte öfters mal ein paar Flaschen von hinten. Leider war ich auch grade mit Flaschen beladen, als dann rund 60 Kilometer vor Schluss noch mal drei Fahrer nach vorne dazu gesprungen sind...und da kommt dann natürlich auch immer Freude auf.
Die letzten 50 Kilometer waren somit heute wieder einmal ein Beweis dafür dass die Tour nicht ohne Grund so besonders ist. Härter wäre es einfach nicht gegangen. Nach dem Rennen haben auch alle wieder gejammert, weil es es ja so schnell war...Aber genau die Jungs sind es dann, die morgen wieder attackieren! Willkommen in meiner Welt!
Zum Glück haben fünf Kilometer vor dem Ziel die ersten reißen lassen und das war dann auch mein Zeichen zum Aufatmen!
Was Peter Sagan da heute veranstaltet hat, ist wohl auch mal wieder an Coolness nicht zu übertreffen. Da rutscht der aus der Pedale und es sieht so aus, als wäre es das Normalste auf der Welt, dann einfach wieder ein zu klicken, weiter zu sprinten und die Etappe zu gewinnen. Die Jubelpose hat er sich bestimmt auch schon vorher überlegt. Wahnsinn! Mich persönlich freut es übrigens, unabhängig von der Konkurrenz der Teams, sehr, dass das Team Bora nun seinen ersten Tour-Etappensieg hat. Der Sponsor hat sich da was getraut und ordentlich investiert. Peter zahlt das nun zurück. Wunderbar!
Daher hätte es mich auch für Tony und Alpecin sehr gefreut, wenn es mit dem Prolog geklappt hätte. Schön, dass der Radsport für deutsche Sponsoren wieder interessant ist!
Übrigens bin ich heute 'ne Weile hinter Thomas 'Titi' Voeckler gefahren. Bei Ihm müsst Ihr mal im Rennen auf das Gesicht achten - solche Verrenkungen in der Mimik macht kein anderer! Heute habe ich bemerkt, dass er tatsächlich mit nur einem Flaschenhalter unterwegs ist. Wird Trinken jetzt überbewertet? Oder ist das eine neue Masche zur Gewichtsersparnis? Ich beobachte das wohl mal weiter!
Ebenfalls unklassisch hinsichtlich des Transports von Rennverpflegung ist Nacer Bouhanni. Der Kollege scheint eine Allergie gegen ausgebeulte Trikottaschen zu haben, denn bei ihm ist niemals ein Riegel oder Gel im Trikot zu sehen. Der schnelle Franzose lässt sich schön von seinen Teamkollegen beliefern. Auch ganz geil eigentlich...Aber auch wirklich nicht ganz normal.
Nun gut, morgen gehts weiter: Nach den rund 2700 Höhenmetern heute (sah weniger schlimm aus auf dem Papier!) wird es morgen zwar mit über 200 Kilometern wieder recht lang, dafür aber flacher. Wir setzen folglich wieder voll auf die Karte Sprint und ich hoffe, beim Lead-Out kann ich mich für unseren Dylan (Groenewegen) ordentlich in Szene setzen!“
Bis moin,
Euer Wagi feat. Paddi
PS: Solltet Ihr Fragen, Wünsche, Anregungen oder sonstige erheiternde
Beiträge haben, sind wir natürlich gerne für Euch da! Schreibt uns an: sebastian.paddags@yahoo.de
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