Kommentar zur Absage der heimischen UCI-Rennen

Das russische Sportsystem ist absurd

Von Denis Trubetskoy

Foto zu dem Text "Das russische Sportsystem ist absurd"
2008 wurde das Team Katusha im Rahmen des Russian Cycling Projects gegründet - vorangebracht hat das den russischen Radsport bisher nicht. | Foto: Cor Vos

23.02.2016  |  (rsn) - Russland gibt 20 Millionen Euro allein für das Profi-Team Katusha aus – und muss wegen finanzieller Probleme alle seine Rennen aus dem internationalen Kalender nehmen. Das zeigt vor allem eines: Das russische Sportsystem ist absurd.

Es gibt Dinge, die an der Absurdität kaum zu überbieten sind. Dazu gehört sicherlich die Aussage des Generaldirektors des russischen Radsportverbandes FVSR, Jurij Kutscherjawyj, mit der er die Absage aller russischen internationalen Rennen für das Jahr 2016 garnierte. „Der wichtigste Grund, warum wir uns so entschieden haben, ist die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Rio“, versuchte Kutscherjawyj eine Entscheidung zu erklären, die eigentlich gar nicht zu erklären ist. Wie die Austragung der eigenen Rennen der Olympia-Vorbereitung der russischen Mannschaft schaden soll, erfuhr die Öffentlichkeit allerdings nicht.

Auch wenn Russland keine internationalen Top-Rennen veranstaltet, so war der russische Kalender zumindest im Continental-Bereich ziemlich gut gefüllt. So wurden im Jahr 2015 13 UCI-Straßenrennen ausgetragen, acht Eintagesrennen und fünf Rundfahrten. Diese Zahlen sind natürlich mit Frankreich, Italien oder Belgien nicht zu vergleichen, doch im post-sowjetischen Raum lag Russland weit vorne. 2016 wird dies das radikal ändern.

Während der norwegische Katusha-Star Alexander Kristoff seinen fünften Saisonsieg bei der Tour of Oman feierte, werden intern finanzielle Schwierigkeiten als Hauptgrund für das Aus der russischen Rennen genannt. Auf den ersten Blick ist dies verständlich. Denn seit eineinhalb Jahren leidet Russland unter einer starken Finanzkrise, die Nationalwährung Rubel ist gegenüber dem Euro seit dem Sommer regelrecht eingebrochen.

Doch die Realität zeigt deutlich: Diese Behauptung erklärt so gut wie gar nichts. Das Jahresbudget des Teams Katusha, das als Projekt des FVSR-Chefs Igor Makarow gilt, liegt 2016 bei 20 Millionen Euro. Gleichzeitig kostet die Austragung der Rundfahrt Fünf Ringe von Moskau nur umgerechnet 110.000 Euro – und dieses Rennen ist die teuerste Veranstaltung des russischen Verbandes. Gleichzeitig steigt das weltweit größte Erdgasförderunternehmen Gazprom bei RusVelo ein – und das Team des Managers Renat Chamidulin wird prompt zum Giro d’Italia eingeladen.

Sowohl Katusha als auch RusVelo sind Bestandteil des großen Radsport-Förderung-Projektes, mit dessen Hilfe die erfolgreiche Entwicklung des russischen Radsports über Jahre hinaus gesichert werden sollte. Doch für die meisten Katusha-Siege sind auch acht Jahre nach der Gründung des Rennstalls ausländische Fahrer wie eben Kristoff verantwortlich. Nach wie vor gibt keinen einzigen russischen Profi, der es in den letzten Jahren in die Weltspitze geschafft hat. Dafür sorgt vor allem RusVelo nach wie vor mit Dopingfällen immer wieder für negative Schlagzeilen.

Mit dem aktuellen Beschluss des FVSR ist völlig ungewiss, wie diese Fahrer nun ausgebildet werden können. Wo sollen junge Radsportler Erfahrungen sammeln, wenn alle russischen Rennen abgesagt werden? Außerdem hatte Russland im Jahr 2014 noch vier Teams im Continental-Bereich, 2016 ist nur eines davon übrig geblieben. Gleichzeitig werden die Russen beim Giro d’Italia erstmals gleich drei Mannschaften, inklusive Tinkoff, an den Start bringen. Ob das aber wirklich so viel Sinn macht, wenn die Anzahl der eigenen konkurrenzfähigen Fahrer gering ist, darf bezweifelt werden.

Die Tendenzen in der Entwicklung des russischen Radsports zeigen deutlich: Es gab niemals ein gut durchgedachtes System – und im russischen Verband gibt es überhaupt keine Vorstellung darüber, wie das Projekt Radsport erfolgreich betrieben werden könnte. Wenn sogar die hochrangigen Funktionäre nicht verstehen, dass die russischen Rennen und russische Continental-Teams viel wichtiger für die Zukunft des russischen Radsport sind als das Profi-Team Katusha, das jährlich 20 Millionen Euro verschlingt, dann muss eben festgestellt werden: Zumindest in dieser Form hat der russische Radsport keine Zukunft.

Das ist aber nicht allein ein Problem des Radsports, sondern des gesamten russischen Sports. Denn fast alle Sportverbände Russlands agieren auf dem Niveau des FSVR.

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.02.2016"Den deutschen Radsport aus dem Dornröschenschlaf wecken"

(rsn) - Am Donnerstag präsentiert das Team Stölting Service Group im Düsseldorfer Kesselhaus sein Aufgebot für die Saison 2016. Wie es der neuformierte deutsche Zweitligist (s. Team-Vorstellung) i

15.02.2016Ciolek: "Das ganze Jahr über gut und konkurrenzfähig sein"

(rsn) - Drei Jahre nach seinem Sieg bei Mailand-Sanremo fängt Gerald Ciolek beim deutschen Zweitligisten Team Stölting Service Gruop fast noch mal von vorne an. Mit radsport-news.com sprach der 29-j

23.01.2016Jorge Bravo: Der Über-Jensie aus Uruguay

(rsn) - An die Kategorie Ü40 hat man sich bei großen Rundfahrten inzwischen gewöhnt. Bei der Tour San Luis fordert aber ein Mann die Herren Nibali, Quintana, Majka und Sagan heraus, der stramm auf

21.01.2016"El Flaco" schlug Basso auf einem Secondhand-Alu-Rahmen

(rsn) - Bei der Tour de San Luis ist vieles möglich, sogar, dass ein Amateur auf einem gebraucht erworbenen Rad mit Alu-Rahmen und Karbonrädern ausgerüstete Profis besiegt.Alfredo "El Flaco" Lucero

20.01.2016Robert Förster: "Irgendwann muss man mal den Stecker ziehen"

(rsn) - 43 Siege, darunter Etappenerfolge beim Giro und der Vuelta, sowie unzählige Podiumsplätze gelangen Robert Förster in seiner Profikarriere. In die Herzen der Radsport-News-Leser schrieb er s

20.01.2016Retro-avantgardistische Momente bei der Tour de San Luis

(rsn) - Die Tour de San Luis mutet in manchen Aspekten wie eine Zeitreise in frühere Radsportepochen an. So sind alle Mannschaften im gleichen Hotel untergebracht - ein Umstand, den zu alten Friedens

19.01.2016Die Tour de San Luis in Argentinen beschreitet neue Wege

(rsn) - Die Sonne brennt, der Asphalt flimmert, und der Mann, der aus seinem Handkarren eisgekühlte Getränke verkauft, findet reißenden Absatz. Bei der Tour de San Luis macht sich nicht nur des Som

Weitere Radsportnachrichten

11.09.2025Sprinterfest in der Schinkenstadt

(rsn) - Bevor die Vuelta für die Entscheidung im Gesamtklassement nochmal ins Hochgebirge abbiegt, steht ein letzter Tag für die Sprinter im Programm. Auf den 161,9 Kilometern von Salamanca nach Gu

11.09.2025Vine: “Für ein wirklich schweres Rennen ist nun alles angerichtet“

(rsn) – Nach bislang sieben Etappenerfolgen bei der Vuelta a Espana brannte das Team von UAE – Emirates – XRG auf der 18. Etappe das nächste Feuerwerk ab. Auch wenn nur neun Zehntel zum Tagess

11.09.2025Carboni von UCI vorläufig gesperrt

(rsn) – Giovanni Carboni (Unibet – Tietema Rockets) wurde vom Weltradsportverband UCI wegen auffälliger Werte im sogenannten Blutpass vorläufig gesperrt. Die ermittelten Daten stammen aus der le

11.09.2025Almeida: “Das Leben basiert auf ‘Was-Wäre-Wenns‘“

(rsn) – Im verkürzten Zeitfahren der Vuelta a Espana hat sich Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) seinen zweiten internationalen Sieg dieser Saison gesichert. Auf der 18. Etappe war er nach 12,2 Kilom

11.09.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 18. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 23. August in Turin in Norditalien zur 80. Vuelta a Espana (2.UWT) angetreten. 3151 Kilometer ist die Spanien-Rundfahrt in diesem Jahr lang, nicht weniger als

11.09.2025Ganna bejubelt nach Geduldsprobe Zeitfahrsieg vor Vine

(rsn) – Eigentlich war es eine schnelle Angelegenheit für Filippo Ganna. Nach genau 13 Minuten auf der Strecke der 18. Etappe der Vuelta a Espana war sein Arbeitstag auch schon wieder beendet. Doch

11.09.2025Bredewold springt für gestürzte Kopecky in die Bresche

(rsn) – Nach ihrem Auftaktsieg bei der Tour de l´Ardèche (2.1) hat Weltmeisterin Lotte Kopecky (SD Worx – Protime) nach einem Sturz auf der 3. Etappe die Rundfahrt vorzeitig verlassen müssen. D

11.09.2025Del Toro clever und stark: Mexikaner gewinnt Coppa Sabatini

(rsn) – Isaac Del Toro (UAE – Emirates – XRG) hat bei den italienischen Herbstklassikern weiterhin alles unter Kontrolle. Der 21-jährige Mexikaner sicherte sich in der Toskana auch die 73. Copp

11.09.2025Coquard bleibt bei Cofidis, Juul-Jensen verlängert mit Jayco

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

11.09.2025Nach Giro-Sturz: Brenner wollte Karriere beenden

(rsn) – Auch wenn er beim Giro della Toscana nicht ins Ziel kam, so ist die Tatsache, dass Marco Brenner (Tudor) erstmals nach seinem Sturz auf der 19. Etappe des Giro d’Italia wieder ein Radrenne

11.09.2025Gall hofft für die letzten Vuelta-Tage auf bessere Beine

(rsn) – Felix Gall (Decathlon – AG2R La Mondiale) gehört zu denjenigen Fahrern, die über die Verkürzung des heutigen Einzelzeitfahrens der Vuelta a Espana nicht traurig sein dürften. Auf den j

11.09.2025Pogacar äußert Verständnis für Ayusos vorzeitigen Abschied

(rsn) – Tadej Pogacar hat Verständnis für den vorzeitigen Abschied von Juan Ayuso UAE – Emirates – XRG, will sich aber offensichtlich nicht in den Disput zwischen dem Spanier und dem Team einm

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • La Vuelta Ciclista a Espana (2.UWT, ESP)
  • Radrennen Männer

  • Turul Romaniei (2.2, ROU)