Erster Gewinner der Tour de San Luis

"El Flaco" schlug Basso auf einem Secondhand-Alu-Rahmen

Von Tom Mustroph aus San Luis

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Alfredo "El Flaco" Lucero bei der Team-Präsentation der Tour de San Luis 2016 | Foto: Tom Mustroph

21.01.2016  |  (rsn) - Bei der Tour de San Luis ist vieles möglich, sogar, dass ein Amateur auf einem gebraucht erworbenen Rad mit Alu-Rahmen und Karbonrädern ausgerüstete Profis besiegt.

Alfredo "El Flaco" Lucero gelang im Jahr 2009 das Kunststück, als er die Gesamtwertung der Tour de San Luis gewann. Und er verblüffte die damalige, durchaus namhafte Konkurrenz nicht nur mit seiner Leistungsstärke, sondern auch dadurch, dass er nach dem Rennen noch sein Rad putzte.

"Ja, Ivan Basso konnte es gar nicht glauben, als er sah, dass ich als Führender des Rennens jeden Abend selbst mein Rad pflegte und alles herrichtete", erzählte der mittlerweile 36-Jährige während des aktuellen Rennens lachend radsport-news.

"Damals habe ich meinem Vater noch viel auf dem Feld geholfen. Wir betreiben Landwirtschaft. ich war auf dem Acker und habe mich auch um das Vieh gekümmert. Radsport aber war schon immer meine große Liebe. So war es toll, dass durch die Tour de San Luis auch die großen Rennfahrer aus Europa zu uns kamen. Wir haben das genutzt, um uns ganz viel abzugucken. Es war ja die Formel 1 des Radsports, die hier war", berichtete "El Flaco".

Die Formel 1 und der Kart-Sport - um im Motorsportbild zu bleiben - trafen hier aufeinander. Denn während Teams wie Saxo Bank und Liquigas auf extraschnellen Karbonrädern unterwegs waren, hatte der spätere Sieger lediglich ein zehn Jahre altes gebrauchtes Rad mit Alu-Rahmen unter dem Hintern.

"El Flaco" hatte aber noch weitere Nachteile. Wie er erzählt, staunte Basso nicht nur über die Extraschicht nach dem Rennen und über den alten Alu-Rahmen, sondern auch darüber, dass der Lokalmatador nicht einmal eine Brille trug. "Es gab damals in Argentinien keine, die wirklich gut war", erklärte er. Nach der Rundfahrt schenkte ihm Basso dann seine.

"Und im Folgejahr, als Basso nicht nach San Luis kam, überbrachte mir Vincenzo Nibali, den damals noch kaum jemand kannte, eine Brille von ihm. Nibali gewann dann das Rennen und später die Vuelta", sagte der Argentinier stolz. Und Lucero verwies darauf, dass Siege in San Luis für die Stars ein gutes Omen für die kommenden Monate sind. 2014 gewann Nairo Quintana nämlich erst die Rundfahrt in Argentinien dann den Giro.

An das Abenteuer Europa hat Lucero in seiner Karriere nicht gedacht. "Ich besaß erst ein gutes Niveau, als ich fast 30 Jahre alt war und Familie hatte. Da fällt es schwer, den Sprung nach Europa zu wagen", blickte er zurück. Seinen Triumph in San Luis vor sieben Jahren verdankte er einer Fluchtgruppe auf der zweiten Etappe. Da war er zwar nur Tagesdritter, übernahm aber das Führungstrikot. "Und im abschließenden Einzelzeitfahren hat mir das Trikot Flügel verliehen, so dass ich es verteidigen konnte."

Nun ja, die Flügel mögen auch auf andere Weise gewachsen sein. Zwei Jahre nach diesem Triumph nämlich wurde "El Flaco" bei der Chile-Rundfahrt mit Anabolikaspuren im Körper erwischt und musste erst einmal pausieren.

Man wünscht ihm, gelernt zu haben. Denn Dopingkontrollen werden mittlerweile auch in Lateinamerika konsequenter vorgenommen. "Am Morgen vor der ersten Etappe der Tour de San Luis wurden insgesamt 70 Urinkontrollen und 18 Blutkontrollen bei den Fahrern durchgeführt. Die Blutkontrollen fließen in die Analysen des Blutpassprogrammes ein", teilte Artur Lopes, Präsident der Antidoping-Kommission der UCI im Bereich BMX, der als Gast bei der Tour de San Luis weilt, radsport-news.com mit.

Das Risiko für Betrüger erhöht sich also. Auch unter den aktuellen Bedingungen hält der Sieger von 2009 übrigens einen Außenseitersieg für möglich. "Das geht natürlich nur über eine Fluchtgruppe. Aber es ist nicht ausgeschlossen."

Titelverteidiger Daniel Diaz, einst wie Luceros im Radteam von San Luis unterwegs, hat mittlerweile den Sprung nach Europa geschafft, ins Pro Continental Team Delko Marseille Provence. Das gelang ihm aber auch erst im zweiten Anlauf. "Argentinische Radsportler haben es schwer. Wir müssen immer 110 Prozent geben, weil wir noch viel selbst organisieren müssen. Aber in den letzten Jahren hat sich das verbessert", meinte Lucero,  schwang sich auf sein mittlerweile vom Rennstall gestelltes Arbeitsgerät und fuhr zur Massage.

Zeiten ändern sich...

 

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