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25.09.2015 | Hallo liebe Radsport-News-Leser,
die Redaktion hat mich gefragt, ob ich Euch ein bisschen von meinem Leben bei der WM in Richmond erzählen würde - und das tue ich natürlich gerne. Heute (Donnerstag) war Ruhetag, und auch wenn ich viele Teile des Kurses bereits gesehen hatte, war ich wirklich gespannt, wie er sich tatsächlich anfühlen würde. Ich kann sagen: Der Kurs ist schwer - schwerer, als man vielleicht von außen annimmt. Gerade für ein Frauen-Peloton ist er sehr selektiv und ich erwarte kein riesiges Feld auf der Zielgeraden.
Die Anstiege sind hart, aber nicht so lang, dass sie nur den Bergfahrern liegen. Es ist eher ein Klassiker-Kurs, und das können wir in unserem Team alle. Deshalb wollen wir am Samstag vorne ein Wörtchen mitreden. Aber Samstag ist Zukunftsmusik, erzählen kann ich mehr von dem, was schon passiert ist.
Ich bin echt super happy mit meiner Bronzemedaille! Es war für mich eine Bestätigung der Leistung aus dem Vorjahr und der ganzen Saison. Das Ergebnis war super knapp - ein spannendes, packendes Rennen. Natürlich wollte ich das Regenbogentrikot behalten, ganz klar, aber an dem einen Tag, an dem alle auf einen schauen, mit einer Medaille in der Hand nach Hause zu gehen, ist das tollste Gefühl.
Ich saß abends noch mit meinen Mannschaftskolleginnen und Betreuern der Nationalmannschaft zusammen und habe diesen schönen Tag ausklingen lassen. Es gab viele tolle Reaktionen aus Deutschland, die mich nach dem Rennen, aber auch am nächsten Morgen erreicht haben. Das Rennen war wohl nicht nur für die Leute vor Ort spannend, sondern auch vor den Bildschirmen zuhause. Genau so soll es sein!
Meine Teamkolleginnen hatten mir schon vor dem Mannschaftszeitfahren einen Smiley-Luftballon gekauft, der seitdem in meinem Zimmer steht und mittlerweile schon zwei Medaillen um den Hals baumeln hat. Ich habe sehr oft ein Lächeln im Gesicht, aber mein Tag kann eigentlich gar nicht mehr schlecht werden, wenn mich schon beim Aufwachen der gelbe Ballon mit dem breiten Grinsen ansieht.
Aber nicht nur der Ballon macht gute Laune, auch die Menschen in Richmond sind freundlich. Überall sind die Regenbogenfarben zu sehen. Wir wohnen etwas außerhalb, nicht direkt in Richmond Downtown. Selbst dort werde ich oft angesprochen, ob ich Radsportlerin sei und wurde sogar wiedererkannt, als ich am Tag nach dem Einzelzeitfahren ein Geschäft betreten habe.
Der bisher speziellste Moment der WM war aber schon am ersten Renntag nach dem Mannschaftszeitfahren. Meine Teamkollegin Karol-Ann Canuel hatte sich so verausgabt, dass sie lange Zeit völlig erschöpft war und die Siegerehrung begann, bevor sie zu uns kommen konnte. Wir standen alle schon oben auf der Bühne, da kam sie, noch kreidebleich im Gesicht und auf ihren Söckchen zu uns aufs Podium. Ich habe sie während der ganzen Siegerehrung festgehalten - wir wollten so sehr, dass sie diesen Moment, für den wir alle zusammen so hart gekämpft hatten, mit uns erleben kann.
Heute Abend hatten wir nach der Testfahrt auf dem Straßenkurs jetzt noch die Presse im Hotel zu Gast - für Interviews vor dem Straßenrennen am Samstag, auf dem jetzt unsere ganze Konzentration liegt. Und das Schöne ist: Ich habe hier vertraute Gesichter um mich herum, Menschen mit denen ich das ganze Jahr zusammenarbeite und auf die ich mich zu 100 Prozent verlassen kann. Das gibt mit die Ruhe und Gelassenheit, die ich in so einer WM-Woche brauche!
Ich melde mich nach dem Straßenrennen wieder bei Euch und hoffe, dass Ihr am Samstag alle zusehen könnt!
Eure Lisa
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