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08.11.2014 | (rsn) - Die 2. Etappe hat uns alles abverlangt, einen klaren Gedanken zu fassen war unmöglich. Wir versuchen, alle unsere Kräfte für Mekseb einzusetzen, damit er ein möglichst gutes Ergebnis in der Gesamtwertung erreicht. Nur haben wir im November nicht mehr so viel an Kräften, die wir da einsetzen können.
Relativ schnell nach dem Start entstand eine Spitzengruppe. Nach dem Spiel gestern eine geniale Situation. Es hätte ein kontrolliertes Rennen werden können. Doch egal, wie sicher die Situation der Spitzengruppe war, irgendwann hatten alle keine Lust mehr, niemand war bereit auch nur einen Meter für einen anderen zu führen - und zack war alles wieder zusammen.
Und dann ging es wieder los, Attacke nicht der Attacke wegen, sondern nachspringen, nur um die Sache möglichst schnell zum Stillstand zu bringen. Ein heilloses Hin und Her entstand da, das Feld zog es nach rechts, nach links, kreuz und quer. Plötzlich gab es einen kleinen Knall und Mekseb lag da am Boden, das Schaltwerk abgerissen und die Hälfte der Speichen auch. Irgendjemand verlor die Orientierung und nutzte sein Vorderrad zur Demontage von Meksebs Rad.
Nun sind wir aber in Afrika. Wir haben nicht Unmengen an Ersatzmaterial dabei, an Werkzeug nur das nötigste, aber zum Glück ein Schaltauge. Also los, das kann man schaffen. Wir fangen an, das Schaltwerk abzubauen und dann merken wir, an unserem Werkzeugset fehlt der kleinste Imbusschlüssel, den wir für das Schaltauge brauchen.
Für einen kurzen Moment scheint es aus und vorbei für uns zu sein, wir sind laut am Fluchen. Aber gut, versuchen wir es so: Zweites Schaltauge mit dem Schnellspanner so fest es geht über den Rest des abgebrochenen geklemmt, ein paar Gänge gehen, das muss reichen. Dann ab hinter's Auto und zurück zum Feld. Dies könnte eine entspannte Sache sein, wäre unser Auto nicht eine Limousine mit Fließheck.
Kaum Windschatten, hängen wir zu Zweit dahinter und quälen uns über den rauen Teer. So nach und nach überholen wir einzelne Autos, die mit einer riesigen Rußfahne dahin kriechen. Es sind übrigens immer Toyota. Das ist so eine Eigenheit in Afrika. Jedes Land hier hat eine Automarke, die so zu 90 Prozent verbreitet ist. Denn nur so funktioniert halbwegs die Ersatzteilbeschaffung aus kaputten Autos.
Nur - bis hier ein Auto als nicht mehr fahrbar eingestuft, wird dauert essehr lang. Bei unserem Teamauto etwa hat der Motor mehr zu kämpfen als wir Fahrer. 15 Liter Sprit braucht unser Toyota Avensis im Renntempo und drei Mal pro Etappe muss Wasser im Kühler nachgefüllt werden, das hatte mir Yves, unser Sportlicher Leiter, gestern Abend erzählt.
Wir überholen Autos mit der Aufschrift „Judo Club Limburg e.V.“ oder „Atomkraft nein danke“. Kurz ist man dadurch abgelenkt, während wir hinter dem Auto klemmen. Ich hoffe, dass unser Auto gerade jetzt keinen Wasser-Nachschub braucht oder welche Geschichte die Autos mit den Aufklebern wohl hinter sich haben, bis sie hier in Afrika ankamen. Ob ihre ehemaligen Besitzer wissen, das ihr Auto immer noch fährt, vielleicht schon jenseits der 1 Millionen Kilometer?
Irgendwann sehen wir das Ende der Fahrzeugkolonne hinter dem Feld, da haben wir schon eine böse Vorahnung. Fairplay nach unserem Verständnis gibt es hier nicht. Das haben wir schon in Burkina Faso gelernt. Hat der Konkurrent Defekt, ist es die Chance ihn zu schlagen. Da können wir uns noch so darüber ärgern, hier gelten andere Regeln im Feld. Natürlich haben die Marokkaner mitbekommen, dass Mekseb am Boden lag. Also haben sie alles unternommen, eine gute Gruppe zu besetzen, sieben Mann sind weg, haben über zwei Minuten Vorsprung. Uns bleibt nichts anderes übrig, als der Gruppe nach zu fahren.
Wir geben alles, sehen Sternchen, schreien uns an und bekommen den Vorsprung von über zwei Minuten kurz vor dem Ziel auf rund 30 Sekunden. Einer nach dem anderen von uns kann nicht mehr, muss das Feld ziehen lassen. Die letzten Kilometer ist Mekseb auf sich alleine gestellt.
Aber der Junge begeistert uns immer wieder. Vier Fahrer bleiben aus der Spitzengruppe übrig, Mekseb wird Zweiter des Hauptfeldes, rollt als Etappensechster ins Ziel. Auf Platz acht in der Gesamtwertung mit 20 Sekunden Rückstand ist noch alles offen, aber dass wir uns über Nacht erholen, glauben wir eher nicht.
Bis morgen,
Euer Matthias
Matthias Schnappka bestreitet mit dem deutschen Continental-Team Bike Aid - Ride for Help die durch Kamerun führende Rundfahrt GP Chantal Biya und berichtet davon in seinem Tagebuch auf radsport-news.com.
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