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24.05.2007 | (Ra) - Heiko Salzwedel ist einer der erfolgreichsten deutschen Radsporttrainer. Er führte im Jahr 1989 als Nationaltrainer der DDR-Bahnradfahrer den Vierer zu WM-Gold. Derzeit trainiert Salzwedel die dänische Bahn-Nationalmannschaft. Im Interview mit Radsport aktiv bezieht er eindeutig Stellung zum Thema Doping und zur Verantwortung von Trainern, Sponsoren und Medien.
Sie haben einen Offenen Brief an Bert Dietz geschrieben. Warum?
Salzwedel: Ich habe Bert als uneigennützigen Menschen mit aufrechtem Charakter kennengelernt. Als ich am Montagabend den Fernseher einschaltete, wusste ich, jetzt kommt was Dickes. Bert ist das, was man eine ehrliche Haut nennt, und im Lauf der Sendung kam mir spontan die Idee ihm zu schreiben, um ihm meine Hochachtung auszudrücken. Ich finde, dass Bert in dieser Sendung überzeugend und ehrlich rüberkam und während er sprach, kamen entsprechende Erinnerungen in mir hoch. Etwa über dramatische Gespräche mit ehemaligen Schützlingen, die genau diesen Teufelskreis des Dopings beschrieben haben. Ich konnte diese Fahrer, die ich auf eine erfolgreiche Profilaufbahn vorbereitet hatte, aber nicht wirklich gut beraten. Ein Sportler zum Beispiel hatte mir unter Tränen berichtet, dass von seiner damaligen sportlichen Leitung auf ihn Druck ausgeübt worden war, was in dem Satz gipfelte, „er sei ja nur ein halber Rennfahrer“.
Hätten Sie überhaupt damit gerechnet, dass ein Fahrer „auspacken“ wird?
Salzwedel: Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet. Die ganze Angelegenheit war ja seit der Operacion Puerto zur regelrechten Farce geworden, zum Beispiel Bassos „Geständnis“. Umso überraschender und erfreulicher finde ich es, dass endlich einer ehrlich Stellung bezieht. Und zwar einer, der selber durch diese Hölle gegangen ist und die innere Zerrissenheit am eigenen Leib gespürt hat. Einer, der vor der Entscheidung stand: dopen oder hinterherfahren bzw. den Job verlieren.
Sie haben zwei Jahre lang das T-Mobile Development Programm geleitet. Warum ist diese erfolgreiche Nachwuchsförderaktion, aus der u.a. Mark Cavendish und Stefan Denifl hervorgegangen sind, von T-Mobile eingestellt worden?
Salzwedel:Die Entscheidung wurde vom neuen Management Ende 2006 getroffen. Begründung: Die Nachwuchsförderung werde künftig wieder „im Haus“ betrieben. Im Dezember bekam ich eine E-Mail von Rolf Aldag (T-Mobile-Sportdirektor, d. Red.), in der er sich für meine Arbeit bedankte. Dabei lief das Programm nach einem schwierigen Anfangsjahr in der letzten Saison richtig gut und auch die Zusammenarbeit mit der damaligen Sportlichen Leitung um Olaf Ludwig und Mario Kummer funktionierte recht ordentlich. Allein die Siege von Mark Cavendish rechtfertigten in meinen Augen das relativ geringe Budget. Zum Vergleich: Rabobank investiert in sein Nachwuchsteam das 15-Fache.
Ist in Ihrer Zeit bei T-Mobile im Rahmen des Development-Programms das Thema Doping thematisiert worden?
Salzwedel:T-Mobile hat von Anfang an deutlich gemacht, dass man nur „saubere“ Sportler nehmen will. Das war auch die Vorgabe an mich: Die Fahrer entsprechend abzuklopfen, bevor sie T-Mobile unter Vertrag nimmt.
Wie gehen Sie als Trainer, der oft mit Nachwuchsfahrern zusammenarbeitet, dabei mit dem Thema Doping um?
Salzwedel: Ich habe nie die Hoffnung auf einen sauberen Radsport aufgegeben. In der Hinsicht kann man mich vielleicht als naiven Optimisten bezeichnen. Ich habe meinen Fahrern immer vermittelt, dass es auch ohne Doping geht und habe mit ihnen darüber offen geredet. Ich versuche ihnen psychologische Stabilität zu geben, das Selbstbewusstsein, dass es auch ohne Doping geht. Ich habe die Hoffnung auf eine neue Generation von Fahrern, die in einem „dopingfreien Umfeld“ heranwächst. Auf der Suche nach Fahrern für das T-Mobile-Development Programm habe ich mich auch deshalb besonders in Großbritannien umgeschaut, weil ich aus eigener Erfahrung wusste, dass das Umfeld dort „sauber“ ist.
Sie waren selber aktiver Fahrer, haben schon mit 23 Jahren Ihre Karriere in der damaligen DDR beendet. Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Doping gemacht?
Salzwedel: Da gab es genau zwei. Das erste war ein 100-Gramm-Fläschchen Wodka, dass ich auf einer Etappe der Baltic-Rundfahrt in Polen im Jahr 1975 rund fünf Kilometer vor dem Ziel leerte. Folge: Ich stürzte... Die zweite Erfahrung machte ich beim damals längsten Straßenrennen der DDR, Berlin-Cottbus-Berlin, als ich ohne Verpflegung war und von einem Zuschauer eine Flasche Bier zugesteckt bekam. Mit dem Bier intus startete ich sofort eine Attacke, aber nach 20 Kilometern war ich so ausgepumpt, dass ich aufgeben musste.
Man spricht immer nur davon, dass in der DDR flächendeckendes Doping praktiziert wurde. Sie haben davon nichts mitbekommen?
Salzwedel: Ich war ja leistungsmäßig nie in diesen engeren Zirkeln drin gewesen. Ich war zwar ein Nationalfahrer, aber zu jung und beendete schon mit 22 Jahren meine sportliche Karriere. Man musste in der DDR auch kein Doping nehmen. Wenn man wollte, gab es jedoch schon die Möglichkeit, sich mit einem „Arzt seines Vertrauens“ entsprechend auszutauschen.
Sie haben bisher mit großem Erfolg für verschiedene Verbände gearbeitet. Warum niemals als Sportlicher Leiter für ein Profiteam?
Salzwedel:Ich habe die entsprechenden Offerten immer sehr vorsichtig und sorgsam abgewogen, hatte jedoch letztendlich das Risiko gescheut. Aber natürlich stand ich aufgrund meiner Arbeit und vor allem durch den Kontakt zu meinen ehemaligen Schützlingen immer mit einem Bein im Profibereich. Ich bin wohl das, was Thomas Schediwie als „Trainertrainer“ bezeichnet, im Gegensatz zu einem „Medizinertrainer“. Ich bin ein Trainer, der seine Sportler mit ausgeklügelten Trainingsplänen betreut und mit nichts sonst. Meine Vorsicht rührt auch daher, dass wir „DDR-Trainer“ nach der Wende unisono mit dem Doping-Stigma behaftet waren. Auch wenn diese Pauschalbezeichnung falsch ist, so hat sie sich doch bis heute gehalten. Deshalb habe ich alles getan, um nicht in die Nähe von Skandalen zu kommen. Da erschien mir die Arbeit mit den nationalen Verbänden der verschiedenen Länder am fairsten. Mein Schlüsselerlebnis hatte ich, als ich 1990 nach Australien auswanderte und mich das dortige Institute of Sport einem „Screening“ unterzog. Ich wurde regelrecht verhört und man zog Nachforschungen über meine Trainertätigkeit in der ehemaligen DDR ein. So etwas hinterlässt Spuren.
Wie sieht für Sie effektive Dopingbekämpfung aus?
Salzwedel: Prinzipiell ist es ganz wichtig, präventiv tätig zu werden, möglichst früh mit Aufklärung und Information anzusetzen. Aufklärung und Erziehung zur Ehrlichkeit halte ich für erfolgversprechende Methoden, um Doping zu bekämpfen bzw. zu verhindern. Dies ist aber nur möglich, wenn die Vergangenheit aufgearbeitet wird und ein Schlussstrich gezogen werden kann. Deshalb unterstütze ich prinzipiell die Forderung nach einer Amnestie, nicht für jeden Fahrer, aber für ehrliche und kooperationswillige Athleten, die wirklich zur Aufklärung beitragen können; eine Art Kronzeugenregelung. Viel wichtiger als immer neue und zusätzliche Trainings- oder Wettkampfkontrollen ist es, die Mentalität von Fahrern, Teammanagement und auch der Sponsoren zu ändern. Man kann auch mit anderen Aktivitäten „punkten“ und Fernsehminuten, Pressenotizen bzw. Internet-Clicks schinden. Da gibt es vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel die Persönlichkeiten hinter der Fassade, die Technik, die perfekte Organisation, näher zu beleuchten, weniger „Kriegsberichterstattung“ zu betreiben. Die Leute im Grupetto, die Domestiken sind die wahren Helden. Wir haben da zwar schon große Fortschritte erreicht, aber man muss nach wie vor das Unrechtsbewusstsein weiter entwickeln und offen über das Thema reden. Hier sind besonders Nachwuchstrainer und Vereine gefragt. Man muss den Fahrern auch vermitteln, dass die Dopingfahnder keine Gegner – Stichwort: „Die Vampire kommen“ - sind, sondern Leute, die sie beschützen wollen. Die Antidopingagenturen sollten sich deshalb darum bemühen, ein persönliches Vertrauensverhältnis zu den Fahrern aufzubauen. Aber auch die Medien sind gefragt: Sie sollten nicht immer nur auf die Sieger schauen und die Sportler auf ihre körperliche Leistung reduzieren. Hier wird noch viel zu oft nach Schema F vorgegangen: Der Sieger wird idealisiert und der Zweite wird schon als Verlierer hingestellt, ganz besonders hier in Deutschland. Raimund Poulidor, zum Beispiel, war als der ewige Zweite der absolut populärste Sportler Frankreichs seiner Zeit. Jan Ullrich wurde hier dagegen zum ewigen Verlierer gestempelt.
Zum Schluss die unvermeidliche Frage: Ist Ihrer Meinung nach ein Toursieg ohne Doping möglich?
Salzwedel: Ja. Mit einer guten trainingsmethodischen Vorbereitung ist das möglich. In diesem Bereich sind viele Möglichkeiten noch gar nicht ausgeschöpft. Ich spreche mich übrigens zwar gegen Doping, nicht aber gegen Supplementierung aus. In Grenzbelastungen wie es bei der Tour vorkommt, kann man Mangelzuständen auf natürlichem Wege entgegenwirken - etwa mit einer ausgeklügelten Ernährung. Hier sind besonders spezialisierte Ernährungsberater gefragt. Ich bin aber streng gegen künstlich zugeführte Substanzen. Eine Faustregel könnte lauten: Alles, was mit einer Spritze zugeführt wird, sollte wie ein Dopingverstoß geahndet werden. Für mich ist die Spritze das Symbol für den Versuch, sich einen künstlichen Vorteil zu verschaffen.
Mit Heiko Salzwedel sprach Matthias Seng
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