Interview zum KT-Aus der Maloja Pushbikers

Grasmann: “Wir mussten harte Entscheidungen treffen“

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Grasmann: “Wir mussten harte Entscheidungen treffen“"
Die Maloja Pushbikers, hier bei Rund um Köln | Foto: Cor Vos

06.08.2024  |  (rsn) – Ende Juli wurde bekannt, dass sich die Maloja Pushbikers als Kontinental-Team zurückziehen werden. Im Interview mit RSN erklärte Teamchef Christian Grasmann, weshalb die Maloja Pushbiker keine UCI-Rennen mehr fahren werden und welche Gründe es für diese Entscheidung gab.

Sie haben sich entschieden, das Kontinental-Team mit sofortiger Wirkung zu stoppen. Was waren die Gründe dafür?
Grasmann: Das KT-Team wird nicht sofort gestoppt. Der Kontinental-Status unseres Teams Maloja Pushbikers besteht bis zum 31.12.2024. Im Jahr 2025 werden wir keine Kontinental-Lizenz mehr beantragen. Das ist eine weitreichende und auch emotional harte Entscheidung für das gesamte Team und besonders für mich. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis klarzustellen, dass die Pushbikers alles, was uns der Wettkampfkalender bietet - Straße, Bahn, Schotter- bis zum 31.12.2024 mit voller Leidenschaft und Hingabe mitnehmen und auch gewinnen möchten, aber eben ohne die UCI Rennen.

Weshalb die Entscheidung mitten in der Saison? Das Team hätte die Saison ja auch regulär zu Ende fahren können.
Grasmann: Wie gesagt bringen die Maloja Pushbikers die Saison im Sinne des Radsports zu Ende. Ausnahme sind die UCI-Rennen. Wir fokussieren uns dabei auf ein Team, das mit viel Leidenschaft den Radsport lebt. Wir haben uns dafür entschieden, wie im Sport üblich, eine Selektion vorzunehmen. Für uns ist das ein großer Schritt und wir mussten harte Entscheidungen treffen. Wir wollen uns aber in den anstehenden Rennen so präsentieren, wie man die Pushbikers kennt: leidenschaftlich, motiviert und in höchstem Maße professionell.

Rentiert sich ein KT-Team aus Ihrer Sicht generell nicht mehr oder hat es nur bei den Pushbikers nicht mehr gepasst?
Grasmann: Ich möchte mir nicht anmaßen, generell zu behaupten, dass dies oder jenes im Radsport sich nicht rentiert. Ich bin mir aber meiner Verantwortung gegenüber dem Team, den Athleten, dem Umfeld bis hin zu den Familien bewusst. Wir beschäftigen uns schon seit längerem mit den Entwicklungen im Radsport im Allgemeinen und besonders mit der Wettbewerbsfähigkeit und den notwendigen sportlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für ein UCI-Team wie den Maloja Pushbikers.

Wir tauschen uns regelmäßig und intensiv mit Verantwortlichen im Radsport und anderen Sportarten aus sowie mit unseren Partnern. Wir haben in diesen intensiven Gesprächen unglaublich viel positives Feedback erhalten. Zu den Werten und der Haltung der Pushbikers, zu unserer Kultur - aber eben auch einen (er)nüchternen Blick auf die Gesamtsituation des Kontinental-Teams und was wir brauchen, um ein verlässlicher Partner für alle Beteiligten zu sein. Wir denken die Pushbikers radikal neu und dabei bleiben liebgewonnene Dinge zu Gunsten von neuen Dingen auf der Strecke. Nur so können wir für die Pushbikers garantieren, dass wir “Future Ready“ im Radsport bleiben.

Wie war die Rückmeldung der Kontinental-Fahrer? Wie viele haben schon den Vertrag aufgelöst? Werden die anderen dann noch per Grundgehalt weitergezahlt oder endete die Bezahlung Ende Juli?
Grasmann: Wir stehen zu unseren Vereinbarungen, wie sie vertraglich zugesichert sind. Alle Interpretationen von Einzelnen, Dramatisierungen und persönliche Reaktionen können wir nicht einordnen. Ich bin menschlich nicht überrascht, aber sehr enttäuscht.

Im Saisonverlauf wurde schon der Vertrag mit Jermaine Zemke aufgelöst, seit Anfang Juli steht auch der Sportliche Leiter Gregor Pavlic nicht mehr unter Vertrag und ist zu MaxSolar gewechselt. Was waren da die Gründe?
Grasmann: Gut, dass wir das kurz einordnen können, ohne auf vertragliche Details eingehen zu wollen. Professioneller Radsport bedeutet ein Höchstmaß an Individualisierung. Wenn man erkennt, dass eine gewollte individuelle Entwicklung nicht im Sinne des Athleten weitergehen kann, sehen wir es als unsere Aufgabe an, im Sinne des Athleten neue Möglichkeitsräume zu diskutieren und Optionen aufzuzeigen. Das haben wir im Fall von Jermaine einvernehmlich so gehandhabt, wir glauben nach wie vor, dass er eine erfolgreiche Zukunft im Radsport haben wird.

Sportliche Leiter sind immer auch temporäre Erscheinungen im Radsport. Man einigt sich auf eine begrenzte Zeit der Zusammenarbeit, setzt sich regelmäßig zusammen und schaut, wo man steht, und gleicht das Erwartungsmanagement ab. Wir sind Gregor für sein Engagement sehr dankbar und wünschen ihm allen Erfolg, den man haben kann. Wir sind damit fein und im Radsport sieht man sich immer mehrmals.

Im letzten Jahr waren die Maloja Pushbikers noch das erfolgreichste deutsche KT-Team gewesen. Wie traurig macht Sie persönlich die aktuelle Entwicklung?
Grasmann: 2023 war in der Tat für das Kontinental-Team der Maloja Pushbikers ein sehr erfolgreiches Jahr, welches wir als zweitbestes deutsches Profiteam hinter Bora - hansgrohe beenden konnten. Im Erfolg macht man die größten Fehler, leider zeigt sich das auch bei uns. In der Saisonvorbereitung haben wir nicht alles dafür gegeben, diesen Erfolg zu verstetigen. Da sitzen wir alle auf demselben Rad. Das stimmt mich traurig, denn was ich schon als Sportler gehasst habe war, zu verlieren.

Abseits des KT-Teams waren Sie aber mit der Entwicklung der Pushbikers zufrieden?
Grasmann: Die Pushbikers haben mit Argon 18 einen neuen Partner gefunden, der unsere Zukunftspläne teilt. Im Juli haben wir unser neues und vergrößertes Headquarter inklusive dem Pushbikers Shop im Gut Oberkammerloh in Nähe des Tegernsees eröffnet.

Die Pushbikers Community mit wöchentlichen Rennradausfahrten mit 50 bis 80 Teilnehmern wächst, gewinnt an Bedeutung und macht uns unglaublich viel Freude. Wir fiebern auf Events wie den Ötztaler Radmarathon am 1. September, bei dem die Pushbikers mit 40 Startern teilnehmen. Der Nachwuchs, unsere Pushbikers Future Stars unter dem Dach des RSV Irschenberg e.V., beweist sich auf Straße und Bahn mit nationalen Titeln und Teilnahmen an EM- und Weltmeisterschaften. Ich habe sehr vieles, über das ich mich freue und das mich ungemein motiviert. Wir haben noch große Abenteuer vor uns.

Auf welche Projekte werden die Pushbikers nun ihren Schwerpunkt legen?
Grasmann: Die Pushbikers stehen schon immer für mehr als nur Gewinnen und Verlieren! Wir verstehen unseren gesellschaftlichen Auftrag, sind uns schon immer bewusst, dass Spitze Breite braucht. Diesen Weg setzen wir fort. Wer weiß, ob in zehn Jahren nicht ein Mädchen oder ein Junge vom RSV Irschenberg die Deutschland Tour gewinnt.

Die Pushbikers waren schon immer mehr als ein Kontinental-Team und seine Rennen. Wir stehen für Engagement in der Gemeinschaft. Ich glaube, dass es ungemein wichtig ist, dass man eine Zugehörigkeit hat – ein Teil von etwas zu sein, gemeinsam Rad zu fahren, miteinander und füreinander. Zusammen etwas erleben, zusammen zu wachsen, besser zu werden. Gewinnen und verlieren lernen, im Wettkampf oder gegenüber dem inneren Schweinehund. Und so arbeiten wir daran, die Pushbikers Future Stars des RSV Irschenberg e.V. mit Elite-Fahrern und Fahrerinnen und Hobbyradfahrern zu vereinen. Wir werden genau das machen, was unsere Partner an uns schätzen: Emotionen und Geschichten schreiben.

 

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