RSNplus“Zahlen sind besser als vor dem Unfall“

Bernal auf allerbestem Weg zurück in die Weltspitze

Von Felix Mattis aus Lüttich

Foto zu dem Text "Bernal auf allerbestem Weg zurück in die Weltspitze"
Egan Bernal (Ineos Grenadiers) | Foto: Cor Vos

22.04.2024  |  (rsn) – Am Ende stand für Egan Bernal (Ineos Grenadiers) in Lüttich der 21. Platz auf der Ergebnisliste. Doch das Resultat an sich spiegelte kaum wider, wie stark der Kolumbianer bei seinem Debüt beim ältesten der fünf Radsport-Monumente agiert hatte. Sicher, er war nicht der stärkste Mann im Rennen und auch nicht der Zweitstärkste. Doch zwei Jahre und drei Monate nach jenem Trainingsunfall vor den Toren von Bogota, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte, ist es kaum hoch genug zu bewerten, dass der 27-Jährige wieder zur absoluten Weltspitze gehört.

"Er verbessert sich kontinuierlich. Das können wir sehen. Der Bursche ist eine Ehre für das Team, er hört nie auf zu kämpfen", schwärmte Steve Cummings, Sportlicher Leiter der Ineos Grenadiers, gegenüber radsport-news.com nach dem Rennen von seinem Schützling. "Sein Mut und seine Belastbarkeit – ich habe noch nie einen Radsportler wie ihn gesehen."

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Und auch Bernal zeigte sich letztlich geerdet und zufrieden. "Wir wollten wenigstens auf dem Podium stehen und haben es versucht, aber wir müssen bis nächstes Jahr warten", bilanzierte er im Gespräch mit RSN und fügte hinzu: "Ich fühle mich gut. Im Training trete ich gute Werte. Meine Form ist gut und ich bin sehr zufrieden mit meiner Leistung."

An Redoute und Roche-aux-Faucons bei den Besten

Bernal gehörte an der Redoute zu jenem Quintett, das noch am nächsten an Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) dranbleiben konnte, als der sein Solo zum Sieg startete. Über die Kuppe des nicht kategorisierten Anstiegs von Cornémont war er anschließend zwar nicht dabei, als Ben Healy (EF Education – EasyPost) und Romain Bardet (dsm-firmenich – PostNL) sowie kurz darauf Benoit Cosnefroy (Decathlon – AG2R) und Romain Gregoire (Groupama – FDJ) wegfuhren.

Paris-Nizza war Egans Bernals erste große Belastungsprobe in diesem Jahr - mit dem siebten Platz konnte er zufrieden sein. | Foto: Cor Vos

Doch an der steilen Roche-aux-Faucons schloss er mit Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) und einem beeindruckenden Antritt die Lücke wieder. Dass das Verfolgerfeld auf den letzten 13 Kilometern dann nochmal zusammenlief und es zum großen Sprint um Platz drei kam, verhinderte ein Ergebnis, das die Kletterleistungen Bernals auch widergespiegelt hätte.

"Es ist toll zu sehen, dass er wieder so rockt. Er hat mehr durchlebt als ich mir vorstellen kann", zeigte sich auch Teamkollege Tom Pidcock gegenüber RSN im Ziel beeindruckt von Bernals Entwicklung in dieser Saison und dem Comeback in der Weltspitze.

Zwei Jahre vom Unfall bis zurück in die Weltspitze

Am 24. Januar 2022 war Bernal beim Training mit dem Zeitfahrrad mit hoher Geschwindigkeit auf einen stehenden Bus geprallt. Dabei zog er sich ein Brusttrauma, einen Pneumothorax, einen Oberschenkelbruch am rechten Bein, eine gebrochene Kniescheibe, mehrere Rippenbrüche, Gesichtsfrakturen und auch Verletzungen an der Wirbelsäule zu, mehrfach musste er operiert werden.

Es bestand Lebensgefahr, der Rollstuhl drohte – doch dann kehrte Bernal bereits knapp sieben Monate später bei der Dänemark-Rundfahrt ins Profi-Peloton zurück. Die sportliche Zukunft war damals völlig ungewiss und die gesamte Saison 2023, in der er sowohl die Tour de France als auch die Vuelta a Espana komplett bestritt, war schwer – auch wenn eine leichte Aufwärtstendenz zu erkennen war. Im Winter sagte er, dass er in erster Linie froh sei, überlebt zu haben. Nur ans Gewinnen zu denken, das habe er vor dem Unfall getan, jetzt nicht mehr. Nun aber kommt Bernal eben dem wieder immer näher, ein Sieg scheint nur noch eine Frage der Zeit.

Bei der Katalonien-Rundfahrt sicherte sich Bernal hinter dem überragenden Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, re.) und Mikel Landa (Soudal – Quick-Step) den dritten Rang im Gesamtklassement. | Foto: Cor Vos

Zu Jahresbeginn zeigte er einen begeisternden Auftritt bei den Kolumbianischen Meisterschaften und wurde dort Dritter, im Februar belegte er beim von Tour-Sieger Jonas Vingegaard (VIsma – Lease a Bike) dominierten Etappenrennen O Gran Camino in Spanien Gesamtrang drei und dasselbe Ergebnis holte er schließlich auch Ende März bei der Katalonien-Rundfahrt, wo bei der Bergankunft von Queralt nur Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) vor ihm war. Der Auftritt beim 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich nun war die nächste Treppenstufe auf dem Weg zurück nach ganz oben und ab Dienstag will sich Bernal bei der Tour de Romandie zeigen.

"Wenn ich nur die Zahlen ansehe,bin ich besser als vor dem Sturz"

In Lüttich erklärte er uns auch, was in diesem Jahr anders ist als noch 2023: nämlich alles. "Letzte Saison konnte ich wegen des Unfalls und des Genesungsprozesses noch immer nicht ordentlich trainieren. Jetzt geht das wieder ganz normal und ich fühle mich gut", sagte er sichtlich zufrieden und meinte, dass er inzwischen sogar wieder der Alte sei: "Wenn ich mir nur die Zahlen ansehe, bin ich besser als vor dem Sturz. Aber andere Fahrer sind auch besser geworden. So ist der Radsport."

Dass seine Leistungen reichen, um mit den besten Kletterern wieder mithalten zu können, sei das Ergebnis des Trainings in den letzten Monaten und vor allem den letzten Wochen im April. "Ich war ein bisschen überrascht, dass ich beim Gran Camino aufs Podium gefahren bin. Das hat mir extra Motivation gegeben und nach Katalonien habe ich jetzt einen Monat viel und hart trainiert – Vollgas. Das hat mir vorher gefehlt, glaube ich, denn in Kolumbien hatte ich immer nur lange Belastungen in 3.000 Metern Höhe. Aber auf diesem Level muss man härter trainieren. Da habe ich jetzt einen Schritt vorwärts gemacht und ich hoffe, das in den nächsten Rennen zeigen zu können", so Bernal.

Das Ziel ist die Tour, der Traum ist, wieder ganz vorne zu landen

Die Erkenntnis, wie gut er nun wieder sei, ist dabei aber noch extrem frisch. "Ehrlich gesagt erst letzte Woche", habe er festgestellt, dass seine Leistungen wieder reichen dürften, um mit den Besten zu klettern. "In Katalonien war ich auch recht weit vorn, aber am Ende habe ich es nicht geschafft, den Rhythmus zu halten. Das Training im letzten Monat aber war sehr gut, die Zahlen sind gut - ich muss es nur im Rennen umsetzen."

Bei der Tour de France 2023 belegte Bernal den 36. Platz. Im Sommer 2024 soll es höher hinausgehen. | Foto: Cor Vos

Wie gut ihm das gelingt, wird man in dieser Woche nun in der Schweiz beobachten können. Bei der Romandie-Rundfahrt ist Bernal nun plötzlich wieder einer der großen Favoriten in der Gesamtwertung. Anschließend folgt der nächste größere Trainingsblock, dann geht es im Juni zum Critérium du Dauphiné nach Frankreich. Und auch wenn er es noch nicht aussprechen will, so hofft Bernal, anschließend so gut drauf zu sein, dass es für die Tour de France reicht - und dort will er auch wieder um die Gesamtwertung kämpfen.

"Ich weiß nicht, wie weit ich kommen kann. Niemand weiß es. Aber ich wache jeden Morgen auf und will der Beste sein. Ich weiß nicht, ob das noch möglich ist, ob ich nochmal die Tour de France gewinnen und die Nummer 1 sein kann. Aber das ist jeden Morgen meine Motivation, wenn ich zum Training fahre. Es ist meine Motivation, mein persönliches Ziel“, betonte er.

Wer hätte noch vor einem halben Jahr gedacht, dass ein solches Ziel jemals wieder realistisch klingen könnte?

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