Praxis-Test - 8 Top-Regenjacken - Einführung
Regen? Egal...
Von Wolfgang Preß

Die Atmungsaktivität der Regenjacken wurde bei einem 30-minütigen High-Intensity-Programm auf der Rolle geprüft. | Foto: Andreas Meyer
02.05.2020 | rsn-Redakteur Wolfgang Preß hat für die aktuelle Ausgabe unseres Print-Schwester-Magazins ProCycling acht Top-Regenjacken getestet – unter der Dusche, auf der Rolle und auf der Straße. In den kommenden Tagen können Sie alles über folgende Jacken hier auf rsn lesen:
Alé Klimatik Guscio Extreme
Assos Schlosshund Equipe
Cafe du Cycliste Suzette
Castelli Idro 2
Gore C5 1985 Shakedry Viz
Q 36.5 R.Shell
Sportful Stelvio
Stolen Goat Rampant
Hier der Einführungs-Text:
Es könnte regnen – vermutlich eine der häufigsten Ausreden, wenn in der Ferne
ein paar dunkle Wolken am Himmel zu sehen sind und man sich vor einer
Rennradrunde drücken will. Dabei bieten Radbekleidungs-Hersteller heute leichte,
klein verstaubare Jacken an, die bei schlechtem Wetter guten Schutz geben, ohne
dass man gleich ins Schwitzen kommt...
Erstaunlich, wie sich Regenjacken in gut
30 Jahren entwickelt haben: Ende der
1980er-Jahre leisteten meine damalige
Freundin (und heutige Frau) Sonja und ich uns
für einen im Dezember geplanten Radurlaub auf
Zypern Kapuzenjacken aus GoreTex – damals
das erste Material, das nicht nur Regenschutz,
sondern auch Atmungsaktivität versprach, für
schlanke knapp 300 Mark. Die lila-grünen und
rosa-gelben Teile hängen noch heute auf unserem
Speicher, und ich habe sie im Vorfeld dieses Tests
wieder herausgeholt. Verblüffend, wenn man sie
mit den Jacken von heute vergleicht …
Damals: ein Laminat aus zwei Schichten, mit
immerhin geklebten Nähten, relativ dick
und schwer, nicht besonders klein zu verpacken –
aber mit schon ordentlicher Schutzwirkung und
durchaus atmungsaktiv. Heute: ein dünnes, leich-
tes Fast-Nichts, das in der Trikot-Tasche nicht viel
Platz beansprucht, auch stärkeren Regen lange
abhält und selbst bei größerer Anstrengung den
Dampf noch gut entweichen lässt.
WIDERSPRÜCHLICHE AUFGABEN
Dabei ist es eigentlich eine durchaus widersprüchliche Aufgabe, die moderne Regenjacken
erfüllen: Wasser von außen abhalten, aber Wasserdampf von innen entweichen lassen. Wie
funktioniert das? Ein wenig Physik: Die Moleküle
von Wasserdampf, in diesem Fall Schweiß, sind
deutlich kleiner als Wassermoleküle. Man braucht
also eine Membran, deren Öffnungen groß genug
sind, dass Wasserdampf hindurch kann, aber zu
klein, um Regenwasser eindringen zu lassen.
Pionier dieser Membran-Technologie war Bob
Gore, der 1969 Polytetrafluorethylen (PTFE) so
lange auseinanderzog, bis es so fein war, dass er
ein Gitter daraus weben konnte, das kein Wasser
durchließ, Dampf jedoch schon. Lange Jahre
war die Firma W.L. Gore mit dieser Technologie
alleine, bis Alternativen wie Sympatex, Powertex,
eVent oder Texapor auf den Markt kamen.
ZWEI ODER DREI LAGEN?
Alle Dreilagen-Materialen haben eine abriebfeste,
meist DWR-imprägnierte erste Schicht (DWR: durable water repellent, dt. dauerhaft wasserabweisend), welche die
Membran von außen schützt. Die Innenschicht
schützt die Funktions-Membran vor Schweiß,
saugt ihn auf und verteilt ihn.
Seit einigen Jahren gibt es von Gore „Shakedry“
– ein Zweilagen-Material, das ohne Oberschicht
auskommt, was den Vorteil hat, dass sich der Stoff
bei starkem oder längerem Regen auch ohne
DWR nicht vollsaugt. Da die Membran jedoch
ohne schützendes Gewebe offenliegt, sind Shakedry-Jacken nicht rucksackgeeignet; dafür sind sie
extrem leicht und sehr dünn.
Neben Wasserdichte und Dampfdurchlässigkeit
spielten natürlich weitere Kriterien in unserem
Test eine Rolle. Sehr wichtig: der Schnitt. Die Jacke muss in Fahr-Position gut sitzen, weniger im
Stehen. Und wenn der Regen am Hals oder an
den Ärmeln eindringt, nützt die beste Jacke wenig;
sie sollte daher an diesen kritischen Stellen gut
abschließen. Zudem sollten natürlich auch Nähte,
Taschen und Reißverschlüsse wasserdicht sein.
Nächster wichtiger Punkt ist die Sichtbarkeit.
Um nicht nur abends und in der dunklen Jahreszeit, sondern generell besser gesehen zu werden,
sollte die Jacke auffällig sein und reflektierende
Elemen te haben. Viele Teile in unserem Test kamen in Schwarz – einer Farbe, die bei Rennradlern seit einiger Zeit im Trend ist, aber in Sachen
Sicherheit und Sichtbarkeit echte Nachteile hat.
Die meisten Hersteller bieten ihre Modelle jedoch
mittlerweile auch in auffälligeren oder sogar
Neonfarben an; vielleicht nicht ganz so cool, dafür
aber deutlich sicherer.
SO HABEN WIR GETESTET
Um herauszufinden, wie wasserdicht die Jacken
in der Praxis sind, haben wir uns 15 Minuten mit
jeder Jacke unter die Dusche gestellt und mittels
eines darunter getragenen T-Shirts festgestellt, wie
viel Wasser eindringt. Um nicht nur die Beschichtung zu testen, sondern das Membran-Material, wurden die Jacken dann zweimal
gewaschen und erneut unter der Dusche getestet.
Die Atmungsaktivität wurde bei einem 30-minütigen High-Intensity-Programm auf der Rolle geprüft, mit einem darunter getragenen Trikot.
In Sachen Passform spielten neben dem
Schnitt auch Einstellmöglichkeiten eine Rolle,
damit die Jacke gut sitzt. Die Ausstattung wurde
anhand der Zahl der Taschen, der Durchgriffsmöglichkeiten zum Trikot und eventueller
Ventilationsöff nungen beurteilt. Bei einigen Jacken lässt sich die Belüftung zusätzlich über
Reißverschlüsse regulieren – vor allem in Anstie-
gen oder bei Pausen eine Option.
Sichtbarkeit: Hier spielen die Farbe, reflektierende Elemente und deren Position und Zahl sowie die tatsächliche Reflexion beim Anstrahlen
im Dunkeln eine Rolle. Und da die Jacke zum
Transport möglichst leicht
sein und klein verpackt
werden soll, fließen Gewicht und Packmaße in
die Wertung ein.
TIPS ZUR PFLEGE
Wichtig: Welche Membran
enthält der Jackenstoff?
Das sollten Sie beim Kauf
klären, sofern Sie nicht eine
der hier getesteten Regenjacken kaufen (da finden Sie
die Angabe im Test). Sogenannte mikroporöse Membranen aus ePTFE – also
GoreTex, eVent etc. – sollten häufiger gewaschen werden, damit die von
Schweißresten verstopften Kanäle wieder frei
werden und der Dampftransport gut funktioniert.
Bei Membranen mit wasserabstoßender Beschichtung (DWR) gilt hingegen: So wenig wie
möglich, aber so oft wie nötig waschen. Und im-
mer mit flüssigem Funktionswaschmittel auf
40 Grad Celsius; danach zweimal spülen, um
Waschmittelrückstände zu entfernen, und
schleudern bei maximal 400 Touren, um die
Membran nicht zu beschädigen.
Falls bei einer DWR-beschichteten Jacke das
Wasser nicht mehr abperlt: das trockene Teil für
20 Minuten bei 60 Grad in den Wäschetrockner
geben, um die Imprägnierung zu reaktivieren.
UMWELT-ASPEKTE
Hersteller von Outdoor-Bekleidung müssen sich
seit einigen Jahren immer wieder Kritik von Umweltschützern anhören: In den meisten wasserabweisenden Membranen werden sogenannte poly-fluorierte Chemikalien (PFCs) verwendet, die in die
Umwelt gelangen können, wenn die Jacken nicht
ordnungsgemäß entsorgt werden. Da PFCs nicht
abbaubar sind, reichern sie sich im Boden an
und können in die Nahrungskette gelangen.
Die
zur Gruppe der PFCs gehörende Perfluoroctansäure (PFOA) ist in der EU seit 2017 verboten, da
sie im Verdacht steht, die Entstehung von Tumoren zu begünstigen.
Gore will alle PFCs bis Ende diesen Jahres aus
85 Prozent seiner neu hergestellten Produkte verbannen, bis 2023 komplett. Etliche andere Hersteller haben ähnliche Pläne, die aus Vorsorgegründen zu begrüßen sind. Schließlich hat der
Mensch in Form der Haut eine sehr effektive wasserabweisende Beschichtung – sie muss nicht
durch PFC-haltigen Regen verstärkt werden…
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