Olympiasieger auch Zeitfahrweltmeister

Trotz Schrecksekunde: Top-Favorit Evenepoel verteidigt Titel

Von Daniel Brickwedde

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Remco Evenepoel wurde in Zürich Zeitfahrweltmeister und wiederholte damit seinen Triumph von Glasgow 2023. | Foto: Cor Vos

22.09.2024  |  (rsn) – Jubelnd und die Arme in die Luft gestreckt überquerte Remco Evenepoel den Zielstrich im Stadtzentrum von Zürich – auch wenn sein Vorsprung in Zürich am Ende des 46,1 Kilometer langen WM-Einzelzeitfahrens knapper ausfiel, als viele erwartet haben dürften. Lediglich sechs Sekunden trennten den großen Favoriten bei seiner Siegerzeit von 53:01 Minuten vom Italiener Filippo Ganna, dem wie schon in Glasgow 2023 nur die Silbermedaille blieb.

Doch in Summe steht ein weiterer großer Erfolg in der noch jungen Karriere des Belgiers. Insbesondere bei den großen Zeitfahrprüfungen scheint der 24-Jährige derzeit nicht zu schlagen: Nach dem WM-Titel im Vorjahr in Glasgow und dem Olympiasieg in diesem Sommer in Paris siegte Evenepoel auf dem Zeitfahrrad auch bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in der Schweiz. Die Bronzemedaille holte sich der Italiener Edoardo Affini (+0:54). Der große Pechvogel war Jay Vine (Australien), der eine mögliche Medaille aufgrund eines Sturzes verpasste.

Evenepoel erlebt schon vor dem Start eine Schreckesekunde

Einen Schreckmoment erlebte Evenepoel schon auf der Startrampe, als ihm zunächst die Kette abrutschte. Erst 20 Sekunden vor dem Start hatte sie ihm ein Betreuer eilig wieder aufgezogen, so dass der Titelverteidiger noch rechtzeitig ins Rennen gehen konnte. “Es war ein ziemlich harter Tag für mich. Meine Kette ist eine Minute vor dem Start abgefallen. Und dann bin ich an den Start gegangen und hatte überhaupt keinen Leistungsmesser, also war es ein reines Zeitfahren nach Gefühl“, sagte Evenepoel im Siegerinterview.

“Auf dem zweiten Abschnitt habe ich ziemlich hart gepusht, und auch in der Abfahrt habe ich alles gegeben. Ohne den Leistungsmesser war es ziemlich verrückt, das Tempo auf den letzten fünf Kilometern zu halten“, so Evenepoel, der trotzdem unterwegs an allen drei Messpunkten die Bestzeit setzte. Allerdings büßte er auf dem letzten, flacheren Streckenabschnitt noch einmal 13 Sekunden auf Ganna an, so dass am Ende nur ein knapper Vorsprung zu Buche stand.

“Bei einem Einzelzeitfahren, besonders bei einer Meisterschaft, ist es egal, wie groß der Zeitabstand ist. Als ich meine Zeit in Grün sah, war mir zum Feiern zumute. Es war wieder ein ziemlich guter Tag“, sagte Evenepoel weiter mit einem breiten Lächeln.

Hinter den Podestplätzen kam der letztjährige WM-Dritte Joshua Tarling aus Großbritannien mit 1:17 Minuten Rückstand auf Position vier. Rang fünf ging mit 1:24 Minuten an Rückstand an Vine, der an den Zwischenmesspunkten zwei und drei nach 25,6 und 36,7 Kilometern jeweils noch Platz drei belegt hatte. Den Zielstrich erreichte er jedoch deutlich gezeichnet von einem Sturz und büßte so eine mögliche Medaille ein.

Keine Rolle im Kampf um das Podium spielten dagegen hoch gehandelte Namen wie Primoz Roglic (Slowenien) oder Stefan Küng (Schweiz). Roglic wurde am Ende sogar vom zwei Minuten hinter ihm gestarteten Ganna eingeholt und landete auf Platz zwölf (+2:07 Minuten). Küng wurde bei seiner Heim-WM mit 1:49 Minuten Rückstand lediglich Achter.

Ein gutes Ergebnis auf Position 20 (+3.05 Minuten) verbuchte Miguel Heidemann für den Bund Deutscher Radfahrer. Maximilian Schachmann als zweiter deutscher Starter erreichte Platz 23 (+3:19 Minuten).

So lief das WM-Einzelfahren der Männer:

Insgesamt 59 Starter nahmen am WM-Zeitfahren teil. Als erster Fahrer ging Charles Kagimu aus Uganda um 14:52 Uhr auf die Strecke. Gestartet wurde an der Radrennbahn in Zürich-Oerlikon, die vor 110 Jahren erbaut wurde und anschließend häufiger Schauplatz von Bahn-Weltmeisterschaften war.

Insgesamt war der Kurs für Spezialisten konzipiert, beinhaltete unterwegs jedoch zwei sogenannte “Rollerberge“ in der Nähe des Zürcher Gebirges Pfannenstiel: ein Anstieg von 2,6 Kilometer Länge mit 4,5 Prozent Steigung und ein weiterer mit 1,4 Kilometer Länge bei fünf Prozent Steigung. Dem Anstieg folgte eine kurvenreiche Abfahrt mit bis zu zehn Prozent Gefälle, ehe die verbleibenden zwölf Kilometer völlig flach entlang des Zürichsees in die Innenstadt führten.

Die erste Bestzeit, die etwas Bestand hatte, setzte der Kanadier Pier-Andre Cote mit genau 56 Minuten. Der nächste Fahrer an der Spitze des Klassements war der Norweger Soren Waerenskjold mit 55:42 Minuten. An den drei Messpunkten nach 12,5, 26,6 und 37,6 Kilometern zeigte sich aber frühzeitig, dass diese Zeit noch deutlich unterboten werden würde: Nelson Oliveira (Portugal, 55:37 Minuten), Kasper Asgreen (Dänemark, 54:32 Minuten) und vor schließlich Affini (53:56 Minuten) erzielten im Ziel dann auch neue Bestmarken.

Das Streckenprofil des WM-Einzelzeitfahrens der Männer | Foto: UCI

Zunächst deutete vieles darauf hin, dass insbesondere Vine, Tarling, Ganna und Evenepoel um das Podium kämpfen würden. Evenepoel setzte unterwegs jeweils die Bestzeiten, immer nur wenige Sekunden vor Ganna.

Aus diesem Quartett an Medaillenanwärtern verabschiede sich allerdings Vine im Finale aufgrund eines Sturzes: Der Australier kam mit blutverschmierten Nationaltrikot ins Ziel und verpasste damit eine Medaille. Er belegte mit seiner Zeit von 54:26 Minuten am Ende dennoch Position fünf. Auch Tarling baute nach gutem Start ab und musste sich im Ziel (54:19) mit 23 Sekunden Rückstand hinter Affini einreihen, am Ende belegte er Rang vier. So reichte es am Ende für Affini zur Bronzemedaille.

Ganna setzte im Ziel dann mit 53:08 Minuten die Bestzeit, die allerdings nicht lange Bestand hatte. Zwar büßte Evenepoel auf dem letzten Abschnitt noch einmal einige Sekunden an Vorsprung ein, am Ende reichte seine Zeit von 53:01 Minuten zum zweiten Weltmeistertitel in Folge.

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