Mein Radsport-Ereignis 2015

Münsterland Giro - mein erstes deutsches Rennen

Von Denis Trubetskoy

Foto zu dem Text "Münsterland Giro - mein erstes deutsches Rennen"
Der 10. Sparkassen Münsterland Giro war mit knapp 180 Kilometern so kurz wie keine der bisherigen Austragungen. | Foto: Cor Vos

23.12.2015  |  (rsn) - Es mag komisch klingen, ist aber tatsächlich wahr: Der deutsche Radsport war einst der Auslöser meines Interesses an Deutschland. Während der Tour de France 2001 hatte ich in meiner Heimatstadt Sewastopol auf der Krim zum ersten Mal die Möglichkeit, die Tour de France live im Fernsehen zu verfolgen. Das war das Jahr des legendären Kampfes zwischen Erik Zabel und Stuart O’Grady um das Grüne Trikot, den der Deutsche auf der letzten Etappe in Paris für sich entschied. Zabel wurde zum meinen Kindheitsidol – und das Team Milram wurde nach seinem Rücktritt anschließend zu meiner Lieblingsmannschaft.

Zugegeben, aus sportlicher Sicht keine allzu glückliche Wahl Und trotzdem ermöglichte mir genau dieses etwas desorganisierte und nicht sehr erfolgreiche Team, dass ich nun diesen Text auf Deutsch schreibe. Vor der Tour de France 2009 nämlich demütigte mich die Tatsache, dass ich die Milram-Pressemitteilungen nicht lesen konnte. Auf Englisch wurden sie später und gekürzt veröffentlicht. Deswegen rief ich eine gute Deutschlehrerin an und fing endlich mit dem Lernen an. Eine goldrichtige Entscheidung, wie es sich später herausstellen sollte.

Meine Beziehung zum deutschen Radsport ist also eng und lang, auch wenn ich das Geschehen seit Jahren nicht mehr als Fan, sondern als Journalist betrachte. In den vergangenen Jahren berichtete ich über viele Rennen im postsowjetischen Raum, vor allem in der Ukraine, in Russland und in Kasachstan. Bei einem deutschen Radrennen war ich aber noch nie, was für meinen Hintergrund fast schon sträflich zu nennen ist. Nach André Greipels grandiosem Sieg auf der letzten Etappe der diesjährigen Tour de France traf ich endlich die Entscheidung: Ich mache mir vor Ort ein Bild vom deutschen Radsport.

Für 2015 gab es noch zwei Optionen: Hamburg und Münster. Das Hamburger Rennen ist natürlich hochkarätig besetzt und gehört zudem zur WorldTour-Serie, doch zeitlich konnte ich das mit dem Visum nicht schaffen. Deswegen blieb Münster, das letzte Rennen des deutschsprachigen Kalenders. Klar, sportlich trotz der HC-Kategorie nicht der bedeutendste Wettbewerb der Welt, über die Stimmung in dieser schönen Stadt hatte ich aber nur Gutes gehört. So bin ich am Morgen des 2. Oktobers am Flughafen Düsseldorf gelandet – und lernte gleich die Deutsche Bahn von ihrer besten Seite kennen.

Ich dachte, die Deutschen übertreiben es mit der „Pünktlichkeit“, doch die Realität bestätigte leider die schlimmsten Befürchtungen. Drei Züge statt zwei und eine zweistündige Verspätung – keine großartige Vorstellung der DB an einem recht sonnigen Tag. Wegen der Verspätung verpasste ich die morgendlichen Bürozeiten meines Hostels (in dem sich übrigens sogar die Einzelzimmer nicht mit einem Schlüssel schließen lassen) und ich musste mit meinem Gepäck zur einer Autogrammstunde mit Marcel Kittel, Tony Martin und Fabian Wegmann gehen. Es ist nicht so, als ob mich die Autogramme der Fahrer interessierten – es ging eher um dienstliche Vorgaben. Denn über das Rennen in Münster sollte ich auch für radsport-news.com berichten.

Es war eine komische Veranstaltung an einem Tag, an dem das Team Giant-Alpecin die Vertragsauflösung von Marcel Kittel bekanntgab. Obwohl Kittels Teilnahme an der Autogrammstunde mit seiner Mannschaft abgesprochen wurde, wusste Marcel davon überhaupt nichts – aus unbekannten Gründen informierte niemand vom Team den Fahrer über die Veranstaltung. So wurde Kittel in letzter Sekunde von Fabian Wegmann abgeholt. Tony Martin kam auch mit Verspätung dazu – wegen der großen Staus am Ferienbeginn. Auch mein Kollege Bernd Landwehr, der wegen mir von Stuttgart nach Münster fuhr (Danke für die tolle Zeit, Bernd!), stand stundenlang in einem Stau.

Bei der Autogrammstunde erlebte ich auch ein sehr angenehmes und zufälliges Treffen – nicht gerade selbstverständlich, wenn man bedenkt dass dies erst mein zweiter Besuch in Deutschland war. Der wunderbare Fotograf Eugen Zymner, der schon einige Radsportler porträtierte, kam zu mir und sagte: „Ich glaube, wir kennen uns, oder?“. Eine schöne Begegnung, die ganz spontan in einer kleinen Fotoserie endete.

Am nächsten Tag sollte das Rennen selbst folgen – und ich erwartete ihn mit Spannung. Leider lief nicht alles nach Plan: Ich schaffte es nämlich nicht in den Medienbus, für den ich mich vorab angemeldet habe – so verpasste ich den Start in Ibbenbüren, was richtig ärgerlich war. Es hat einfach nichts gepasst: Ich hatte noch keine deutsche SIM-Karte und musste meine „internationale Nummer“ nutzen, die in allen Ländern zwar keine guten, aber auch keine schrecklichen Tarife anbietet. Nur hatte ich nicht genügend Geld auf dem Konto und dazu keine Möglichkeit, um aufzuladen. Deswegen schickte ich dem für den Bus verantwortlichen Fahrer dreimal eine SMS, bis ich endlich anrief – die Linie war besetzt. Mit meiner SIM-Karte musste ich aber sogar für so einen verpatzten Anruf bezahlen.

Den Fahrer erreichte ich nicht mehr und musste am Schlossplatz in Münster bleiben. Das war auch kein großes Problem: Die Stimmung war wirklich toll, die Atmosphäre passte – wie auch der Sieger. Es sah wirklich sehr überzeugend aus, wie Tom Boonen, eine echte Radsport-Legende, den Sprint aus dem Feld für sich entschied. Noch überzeugender war sein unglaublich lockerer Auftritt nach dem Rennen: ein sehr bodenständiger und unkomplizierter Mensch, der auf alle Fragen eine tolle Antwort hat und den Radsport merklich genießt. So freute er sich auch sichtlich über den damals noch nicht verkündeten Wechsel von Marcel Kittel zu seinem Team Etixx – Quick Step - der Deutsche erlebte übrigens keinen guten Tag – und lobte den Radsport in Deutschland.

Die erste richtige Begegnung mit dem von mir geliebten deutschen Radsport war also durchaus positiv, auch wenn mit einigen komischen Ausnahmen. Nun will ich im nächsten Jahr Rund um Köln besuchen – und dann natürlich den Auftakt der Tour de France 2017 in Düsseldorf miterleben. Die Pläne dazu werden langsam schon gemacht.

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.12.2015Der Schock von Aldeburgh und das Happy End in Richmond

(rsn) - John Degenkolbs Sanremo-Roubaix-Double, Tony Martins lange ersehntes Gelbes Trikot, Emanuel Buchmanns überraschender DM-Sieg, Simon Geschkes Triumph in Pra Loup, André Greipels vier Etappens

22.12.2015John Degenkolb holt Paris-Roubaix - und das Team aufs Podium

(rsn) - Endlich. Seit der Premiere 1896 gewann kein Deutscher mehr Paris-Roubaix: Bis zum 12. April 2015. Doch was mich an diesem Tag am meisten begeisterte, war nicht die eindrucksvolle Fahrt von Joh

21.12.2015Bayern Rundfahrt: Familienbetrieb mit Herz und Verstand

(rsn) – Die Bayern-Rundfahrt 2015 war die beste aller bisherigen 36 Austragungen, wie Ewald Strohmeier nicht ohne Grund sagte. Wer den Chef des einzigen deutschen Mehretappenrennens kennt, der weiß

20.12.2015"Big mistake" im Interview mit Boonen

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Christoph Adamietz hatte in diesem Jahr bei "Rund um Köln" einen Eins

10.12.2015Ein Schutzengel namens Rudi

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Wolfgang Brylla hat ganz besonders Katusha-Sprinter Rüdiger Selig imp

06.12.2015Monumentaler Lombardei-Triumph wie aus dem Bilderbuch

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Für Guido Scholl war es der Triumph von Vincenzo Nibali (Astana) bei

05.12.2015"Spartakus" zeigte Größe durch Menschlichkeit

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Thomas Goldmann erklärt in seinem Beitrag, weshalb für ihn Fabian Ca

03.12.2015"Simonis" großer Auftritt in Pra-Loup

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Für Lorenz Rombach steht ohne Zweifel fest: Simon Geschkes couragiert

02.12.2015Hart wie Hansen

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Daniel Brickwedde bewundert einen Marathon-Man von Down Under, dessen

01.12.2015Der "Gorilla" spielte endlich die erste Geige

(rsn) - Wie schon im vergangenen Jahr schreiben die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News über ihr Radsport-Ereignis 2015. Den Anfang macht Sebastian Lindner, den die Auftritte von André Greip

Weitere Radsportnachrichten

19.07.2025Vingegaard: “Die Tour ist alles andere als vorbei“

(rsn) – Die Platzziffern waren dieselben, wie am Vortag in Hautacam. Doch das Auftreten und die Stimmung von Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) unterschieden sich nach der zweiten Niederlage

19.07.2025Mühlberger hofft bei der Tour “auf den Tag unseres Lebens“

(rsn) - An den beiden Ruhetagen der Tour de France zwischen den 21 Etappen nehmen die Profis raus. Sie genießen die Tage mit der Familie – falls angereist - Massagen, viel Schlaf, den einen oder an

19.07.2025Evenepoel hart zu sich selbst: “Das war einfach wirklich schlecht“

(rsn) – Als sich Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) die bis zu 16 Prozent steilen letzten Meter auf der Startbahn des Altiports von Peyragudes hinaufquälte, kam es zur Demütigung: Der zwei Mi

19.07.20255.000 Höhenmeter: Paukenschlag zum Abschluss der Pyrenäen-Tage

(rsn) - Die Tour de France macht zum Finale der Pyrenäen-Trilogie den fast schon obligatorischen Besuch in Pau, wo die 14. Etappe startet. Von dort geht es auf 183 Kilometern nach Luchon-Superbagnèr

19.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

18.07.2025Lipowitz endgültig im Kampf ums Tour-Podium angekommen

(rsn) – Bei Red Bull sind sie ruhig geblieben. Zeitverluste an den ersten Tagen? Egal. Hauptsache nicht gestürzt. Rang acht und neun nach zehn Etappen, dreieinhalb Minuten hinter dem Gelben Trikot

18.07.2025Aerorad für den Sieger, Zeitfahr-Set-Up für die Platzierten

(rsn) - Zeitfahren sind Technikschlachten. Bergzeitfahren umso mehr. Denn es gilt, auch konfligierende Variablen in eine gute Balance zu bringen. Eine ziemlich harte Herausforderung in dieser Hinsicht

18.07.2025Highlight-Video der 13. Etappe der Tour de France

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat auch im Bergzeitfahren der Tour de France die Konkurrenz düpiert. Der Weltmeister entschied im Gelben Trkot die 13. Etappe über 10,9 Kilometer

18.07.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 13. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 5. Juli im nordfranzzösischen Lille zur 112. Tour de France (2.UWT) angetreten, darunter zehn Deutsche, drei Österreicher und fünf Schweizer. Hier listen

18.07.2025Lipowitz: “Die letzten zwei Kilometer waren eine richtige Qual“

(rsn) – Mit seinem vierten Etappensieg hat Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) seine Führung im Gesamtklassement der Tour de France weiter ausgebaut. Der Weltmeister war nach 10,9 Kilometern v

18.07.2025Pogacar dominiert auch das Bergzeitfahren der Tour de France

(rsn) – Der Lack ist ab bei Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) – allerdings nur an seinem Rad, mit dem er das 10,9 Kilometer lange Bergzeitfahren auf der 13. Etappe der Tour de France von Lo

18.07.2025Nach Sturz auf 8. Tour-Etappe läuft es bei Rutsch immer besser

(rsn) – Während für seinen Teamkollegen Georg Zimmermann nach dem Sturz auf der 9. Etappe die 112. Frankreich-Rundfahrt bereits beendet ist, kämpft sich der schon tags zuvor zu Fall gekommene Jon

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Visegrad 4 GP Czech Republic (1.2, CZE)
  • Giro della Valle d`Aosta - (2.2u, ITA)