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22.07.2015 | (rsn) - Was hat uns die Tour 2015 vor dem großen Showdown in den Alpen gebracht? Vor allem die Erkenntnis, dass es Außenseiter und Sonderlinge im Radsport schwer haben. Da wäre beispielsweise Luca Paolini, dem ein paar Krümel Koks-Keks im Bart hängen geblieben waren, die ein Fan von Nairo Quintana und Jarlinson Pantano am Streckenrand geknabbert hat. Die Folge: positiver Dopingtest. Und weil im Radsport grundsätzlich alles negativ gesehen wird, flog der nette Italiener hochkant raus aus dem Rennen.
Dem Mann in Gelb geht es nicht viel besser. Auch der Erste ist schließlich Außenseiter - woran Chris Froome aber auch ein stückweit selbst Schuld ist. Erst will er möglichst weit wegfahren und nimmt den anderen die Minuten bündelweise ab, dann macht er plötzlich einen auf unzertrennlich und klebt der Konkurrenz förmlich am Hinterrad. Erst abhauen, dann rumnerven - solche Typen sind früher auf dem Schulhof beim Fußball nicht mal ins Tor gestellt worden. Wenn so einer mitkicken durfte, dann maximal als Ball. Oder die Klassenkameraden haben ihm das Butterbrot aus der Dose gemopst. Wobei das bei Froome wohl kein Vergnügen wäre - der Sky-Käpt'n futtert sicher nur KOA (Knäcke ohne alles).
Und: Wer aussieht wie ein Strich in der Landschaft, aber rast wie ein Moped, muss sich nicht wundern, dass alle Welt darüber rätselt, wie viel Watt pro Kubikzentimeter Hubraum der Elektromotor leistet, den ihm seine Mechaniker in die Tretachse montiert haben.
Armer Geraint Thomas. Der musste unter der Unbeliebtheit seines Chefs besonders leiden. Ein betrunkener Fan hatte Warren Barguil gebeten, Thomas doch mal anzuhauen, was das wahre Geheimnis des Sky-Teams ist. Dummerweise nahm es Barguil allzu wörtlich, außerdem führte er die Anweisung auch noch in der Abfahrt nach Gap aus, worauf Thomas immerhin mal zeigen konnte, dass auch er auf dem Schulhof viel gelernt hat: Pfosten und rein. Allerdings nicht ins Tor sondern in den Straßengraben. Barguil wurde im Ziel mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er den Briten doch auch am Berg hätte zum Plausch bitten können. Die Antwort des Giant-Alpinisten: „Da ist der immer viel zu schnell." Immerhin reichte Barguil Thomas die Hand zur Versöhnung und lieh ihm sein Lieblings-Koffein-Shampoo. „Kommt gut nach 'ner Prellung, zwei Minuten einwirken lassen."
Eduardo Sepulveda ist noch so ein Außenseiter, dem sie übel mitspielen. Nicht nur, dass er einziger Argentinier unter den Tour-Startern ist, er heißt auch beinahe wie eine ganz finstere Metal-Band. Genau: Sepultura. Das bedeutet so viel wie Begräbnis. Begraben kann Sepulveda seine Hoffnungen auf eine entspannte Ankunft in Paris, denn er wurde aus dem Rennen geworfen, weil er nach einem Defekt 100 Meter im Auto mitgefahren ist. Klar, Radsportler rümpfen die Nase, wenn Otto-Normal-Verbraucher auch nur zu Fuß über die Straße zum Bäcker geht. Wozu haben die Menschen schließlich vor 6000 Jahren das Rad erfunden? Aber die Tour-Organisation war anderer Ansicht, schließlich wissen auch die Franzosen seit Juli 2014: „Die Gauchos, die gehn so." Und schwups, war Sepulveda mit allen Attributen ausgestattet, die es braucht, um das steigende Heimweh zu besiegen.
Auf dem Kieker haben sie in Frankreich auch Peter Sagan. Der ist als Slowake ganz allein im Rennen, außerdem: Scheiß Frisur, nerviger Geldgeber und dazu ein Nachname, der geradezu herausfordert zu plattitüdenhaften Superlativen: „saganhaft", „eine Karriere wie eine Saga", „das ist mal eine Ansagan an die Gegner" usw. Und wo der Ruf schon ruiniert ist, drängelt sich der Peter jetzt in jede Ausreißergruppe, die nicht schnell genug übern Berg ist. Als Rache lassen die Gegner ihn regelmäßig auf der Zielgeraden verhungern - mittlerweile ist der häufiger Zweiter gewesen als Jan Ullrich, Raymond Poulidor und Joop Zoetemelk zusammen. Seinen ganzen Zorn entlud Sagan an einem völlig unschuldigen Motorrad, das nur ein Problem hatte: Es stand zur falschen Zeit am falschen Ort. Noch so ein Außenseiter.
Sagan hat übrigens schon raus, wie er sein Standing im Feld verbessern kann. Er sucht sich einen neuen Namen aus: Peter Silie soll demnächst in seinem Pass stehen. Den Tipp hat ihm einer gegeben, der sich mit coolen Namen mal so richtig auskennt: Merhawi Kudus Ghebremehdin. Ja, den gibt es wirklich. Der Eritreer ist Landsmann von Daniel Tekhlehaimanot, 120. der Gesamtwertung, und weil er erst 21 Jahre alt und damit der jüngste Tour-Starter ist, bleibt zu hoffen, dass sich die versammelte Journaille an seinem Namen noch ein paar Jahre lang die Zunge verknoten wird.
Es leben die Außenseiter!
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