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23.09.2012 | (rsn) – Philippe Gilbert ist im WM-Straßenrennen seiner Favoritenrolle gerecht geworden. Der 30 Jahre alte Belgier siegte nach 267 Kilometern in Valkenburg als Solist. Die Silbermedaille gewann der Norweger Edvald Boasson Hagen, Bronze ging an den Spanier Alejandro Valverde, der sich bereits seine dritte WM-Medaille nach 2003 und 2006 sicherte. John Degenkolb verpasste nach einer herausragenden Leistung als Vierter nur knapp die Medaillenränge.
Gilbert ist der erste Belgier im Regenbogentrikot seit 2005, als ein Landsmann Tom Boonen in Madrid gewann. Belgien feierte den 26. WM-Titel der Radsportgeschichte.
„Es ist schwer zu glauben, was heute passiert ist. Die belgische Mannschaft hat herausragende Arbeit geleistet. Wir haben den Titel verdient“, sagte Gilbert im Ziel. „Am letzten Anstieg war ich exzellent platziert. Ich habe mich kurz umgeschaut und bin dann losgezogen. Ich kann immer noch nicht realisieren, dass ich Weltmeister bin.“
„Der zweite Platz ist sehr gut, aber wir waren nahe an Gold dran. Gilbert war sehr stark und es gab nichts, was ich gegen ihn tun konnte“, erklärte Boasson Hagen im Ziel.
„Das ist bitter. Man bekommt nicht oft die Chance, Weltmeister zu werden. Dass ich die Attacke von Gilbert nicht mitgehen kann, war klar, aber ich hätte gerne eine Medaille mitgenommen", sagte Degenkolb, der bei aller Enttäuschung vor allem die deutsche Teamarbeit lobte: „Wir haben gezeigt, dass wir keine Luschen sind."
Platz fünf ging an den Niederländer Lars Boom, Sechster wurde der Australier Allan Davis, gefolgt vom Franzosen Thomas Voeckler. Mit Rang acht überaschte der Litauer Ramunas Navardauskas, auf Platz neun landete der Kolumbianer Sergio Luis Henao. Zehnter wurde Valverdes Landsmann Oscar Freire.
Bei kühlen zehn Grad und unter einem bedeckten Himmel wurden 203 Fahrer aus 47 Nationen pünktlich um 10:45 Uhr - ohne Funk - ins Rennen geschickt. Auf den 108 Kilometern „Anfahrt“ in Richtung Norden zum Rundkurs um Valkenburg herum bildete sich früh ein erstes Ausreißerduo – doch der Franzose Jeremy Roy und der Niederländer Bert-Jan Lindemann wurden nach gut 20 Kilometern wieder gestellt.
Zu diesem Zeitpunkt hatte einer der Favoriten bereits eine erste Schrecksekunde erlebt: Oscar Freire stürzte früh im Rennen, kam aber schnell wieder ins Feld zurück. Kurz darauf zogen bei hohem Tempo der Ukrainer Vitaliy Buts und der Lette Gatis Smukulis davon und initiierten die schließlich elfköpfige Gruppe des Tages, die nach rund 45 gefahrenen Kilometern aus Buts, Smukulis, dem Spanier Pablo Lastras, dem Italiener Dario Cataldo, den US-Amerikanern Timothy Duggan und Alex Howes, dem Franzosen Jerôme Coppel, dem Kolumbianer Winner Anacona, dem Slowenen Luka Mezgec, dem Russen Vladimir Isaichev sowie Fabricio Ferrari, dem einzigen Starter aus Uruguay, bestand.
Das von den Briten und den Niederländern angeführte Feld gestattete den Ausreißern knapp sechs Minuten Vorsprung, der auf gut fünf Minuten geschrumpft war, als es bei Kilometer 108 auf den Rundkurs ging.
Auf der dritten von zehn Runden attackierte Juan Antonio Flecha, um den Sprintern im Feld das Leben noch schwerer zu machen. Gemeinsam mit dem spanischen Routinier machten sich der Franzose Maxime Bouet, der Brite Steven Cummings, der Belgier Gianni Meersman, der Australier Michael Matthews, der Däne Fuglsang und der Japaner Fumiyuki Beppu auf die Verfolgung der Spitzengruppe.
Kurz darauf fiel Titelverteidiger Cavendish aus dem Feld heraus, nachdem er für sein Team viel gearbeitet hatte. Kurz darauf verloren die Briten auch Alex Dowsett, der das Rennen aufgeben musste – und auch der Tour-Zweite Christopher Froome konnte keine Helferdienste mehr leisten und hatte Mühe, sich am Ende des Feldes zu behaupten. Kurz darauf fiel auch noch Tour-Sieger Bradley Wiggins zurück und gab ebenso wie Froome auf.
Die sechste Überquerung des Caubergs nutzte Contador rund 85 Kilometer vor dem Ziel zu einem Angriff und zog einige der Favoriten mit sich. Schnell fuhr die Gruppe zur Spitze vor und hatte zu Beginn der sechsten Runde rund 30 Sekunden Vorsprung auf das Feld. Zu den Verlieren zählten die Deutschen, die keinen einzigen Fahrer in der nun 29 Fahrer starken Spitzengruppe dabei hatten. Dafür schlossen neben Contador noch Thomas Voeckler, Jonathan Tiernan-Locke, Robert Gesink, Rinaldo Nocentini, Michal Matthews, Björn Leukemans und Michael Albasini zur Spitze auf.
Sofort danach sorgten Italiener - mit vier Fahren in der Spitze dabei - , Franzosen (drei) und Spanier (drei) für das Tempo, während im Feld die Australier, Kolumbianer und die Belgier die Verantwortung übernahmen. Die Verfolgung wurde noch durch einen Sturz am Bemelerberg zusätzlich erschwert – hier hatte die Spitze bereits mehr als eine Minute Vorsprung, den sie auf zwischenzeitlich mehr als eine Minute ausbaute.
Doch dank der gemeinsamen Tempoarbeit von Belgiern und Australiern kam das Feld wieder näher an die Spitze heran – eingangs der achten Runde waren es nur noch 55 Sekunden. Auch von einem weiteren Sturz, der das Peloton in mehrere Gruppen teilte, ließen sich die Verfolger nicht beirren.
Auf den letzten knapp 50 Kilometern war die von Flecha und dem unermüdlichen Coppel angeführte Spitzengruppe auf 17 Fahrer geschmolzen. Im geschrumpften Feld hatten sich knapp 60 Verfolger zusammengefunden – angeführt von Deutschen und Belgiern.
Am drittletzten Mal Cauberg setzte Wegmann seine Attacke, an der Spitze griff Contador an, doch kurz vor Beginn der zweitletzten Runde 32 Kilometer vor dem Ziel waren die Verfolger wieder nach vorne gekommen. Doch Wegmanns Tempovertschärfung waren Knees und Martens zum Opfer gefallen, die Gruppe um die beiden Deutschen schloss aber zum nun wieder rund 90 Fahrer starken Hauptfeld auf, in dem die Favoriten vor der entscheidenden Phase kurz durchzuschnaufen schienen.
Am Bemelberg setzten der US-Amerikaner Andrew Talansky und der Brite Ian Stannard die nächste Attacke. Bei der vorletzten Cauberg-Überquerung setzte sich Stannard von Talansky ab, doch der Brite sah bereits das jagende Feld hinter sich und wurde auf dem Gipfel gestellt. Hier sah man erstmals Nibali vorn – doch die anderen Favoriten ließen sich vom italienischen Kapitän nicht überraschen.
Die letzte Runde nahm eine rund 50 Fahrer starke Gruppe mit allen Favoriten in Angriff. Die Belgier, Australier und die Spanier waren mit den größten Kontingenten vertreten, aber auch die deutschen hatten Degenkolb, Wegmann und Martens. Auch der Österreicher Stefan Denifl hielt sich in der Gruppe. Die Spanier - in Gestalt von Samuel Sanchez und Contador - und Australier führten das Feld das letzte Mal über den Bemelberg, ohne dass es zu weiteren Angriffen kam.
Auf den letzten sechs Kilometern fuhren die Italiener, Belgier, Spanier und Australier von vorne – aber auch das deutsche Trio behauptete erfolgreich seine Spitzenposition. Degenkolb hatte aber das Pech, nicht auf vorderster Position in den finalen Cauberg-Anstieg zu gehen. Stattdessen setzte Nibali zu einer erneuten Attacke an, doch der Versuch des Vuelta-Gewinners von 2010 wurde mühelos von Gilbert gekontert. Der beste Fahrer der vergangenen Saison, der bisher auf gerade mal auf zwei Saisonsiege gekommen war, jagte als Erster über die Kuppe und hielt auf den letzten 1,7 Kilometer seinen knappen Vorsprung auf die ersten Verfolger.
Auch wenn Gilbert auf den letzten Metern zweifellos von der Uneinigkeit der Verfolger profitierte, so war der belgische Kapitän an diesem Tag eine Klasse für sich und konnte schon deutlich vor dem Zielstrich seinen ersten Weltmeistertitel feiern.
Auch die Deutschen hatten allen Grund zufrieden zu sein, denn nach einer erstklassigen Mannschaftsleistung entschied Degenkolb den Sprint der ersten größeren Verfolgergruppe für sich und ließ dabei Hochkaräter wie Tom Boonen oder Peter Sagan hinter sich. Die großen Verlierer waren aber die Italiener, die viel investierten, doch am Ende mit leeren Händen dastanden.
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