Interview mit dem Thüringer Energie Teamchef

Werner: "Kittel größter Konkurrent von Cavendish"

Foto zu dem Text "Werner:
Jörg Werner , Manager des Thüringer Energie Teams | Foto: ROTH

17.11.2011  |  (rsn) – Jörg Werner ist nicht nur erfolgreicher Team-Manager, sondern auch Berater von Tony Martin, Marcel Kittel, John Degenkolb und Patrick Gretsch – alle vier wurden in seinem Thüringer Energie Team ausgebildet. Im Interview mit Radsport News erklärt der 39 Jahre alte Gothaer, warum ihn Kittel in der Saison 2011 am meisten überrascht hat, weshalb sich Tony Martin für einen Wechsel zu QuickStep entschieden hat und weshalb er sich in seiner Rolle als „Talenteschmied“ wohl fühlt.

Herr Werner, ihre ehemaligen Fahrer haben dieses Jahr mächtig für Furore gesorgt: Tony Martin wurde Zeitfahrweltmeister, Marcel Kittel und John Degenkolb feierten als Neoprofis zahlreiche Siege und auch Patrick Gretsch war erfolgreich – sind sie stolz auf ihre ehemaligen Fahrer und auch ein bisschen stolz auf sich?

Werner: In erster Linie bin ich tatsächlich stolz auf die Jungs und auf das, was sie in diesem Jahr erreicht haben. Bei allen vieren war klar, um welch außergewöhnliche Talente es sich handelt. Für uns und für mich ist es eher eine Bestätigung unserer Arbeit. Stolz empfinde ich da nicht.

Wer aus dem Quartett hat sie in diesem Jahr am meisten überrascht?

Werner: Am meisten zweifellos Marcel Kittel. Im letzten Jahr bei uns hatte er noch viel Verletzungspech, am Ende der Saison aber doch noch eine WM-Medaille geholt. Mich hat sehr beeindruckt, wie dominant er in diesem Jahr in den Sprints war. Für mich ist er der derzeit größte Konkurrent von Cavendish.

Dabei hieß es immer, Kittel sei ein Zeitfahrspezialist, der auch sprinten kann….

Werner: Wir haben schon immer gewusst, dass Marcel sehr schnell ist und wollten und uns mit ihm schon 2010 auf den Sprint konzentrieren. Das war aber wegen seiner gesundheitlichen Probleme nicht möglich. Aber wie schnell er sich jetzt bei den Profis etabliert hat, das ist schon erstaunlich.

Kittel, Degenkolb und Gretsch fahren 2012 gemeinsam beim Project 1t4i –bisher Skil-Shimano. Teamchef Iwan Spekenbrink nannte auch ihre Arbeit als Grund mit dafür, dass sein Team das Trio verpflichtete. Sehen sie Übereinstimmungen zwischen seinem und Ihrem Team?

Werner: Beide Teams schauen nicht nur auf das rein Sportliche, sondern legen auch viel Wert darauf, dass sich die Fahrer als Persönlichkeiten weiterentwickeln. Sicherlich hat diese Gemeinsamkeit maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Degenkolb und Gretsch in diesem Jahr dazu entschlossen haben, zu Skil zu wechseln. Das soll aber nicht heißen, dass nicht auch andere Teams gute Arbeit leisten.

Auch Tony Martin hat mit Spekenbrink über einen Wechsel verhandelt. Können Sie als sein Berater uns sagen, warum er dann aber das Angebot für Quick Step angenommen hat?

Werner: Tony ist ja schon einige Jahre länger Profi als die anderen und hat großen Wert darauf gelegt, dass auch sein „Umfeld“ von HTC-Highroad ihn begleitet. Dazu zählen andere Fahrer, Betreuer, aber auch das Material. Quick Step hat auch in der Materialfrage Tonys Wünsche erfüllt. Normalerweise wäre es kein großes Problem, auf andere Rädern umzusteigen, aber in einem Olympiajahr, wie es 2012 bevorsteht, ist das was anderes. Da wollte Tony kein Risiko eingehen. Wir hatten auch sehr gute Gespräche mit Iwan Spekenbrink und auch da hätte das Umfeld wunderbar gepasst. Aber in Sachen Material hätte sich Tony halt völlig umstellen müssen.

In diesem Jahr war das Thüringer Energie Team nicht so erfolgreich wie zuletzt. Ist das ein Problem für sie oder den Sponsor?

Werner: Generell war es für das Team alles andere als ein schlechtes Jahr. Wir haben die Teamwertung der Rad-Bundesliga und insgesamt neun nationale Medaillen gewonnen. Leider sind wir dieses Jahr ohne nationalen Titel und bei der WM ohne Medaille geblieben. Aber für die Teamleitung und auch für den Sponsor ist das kein Problem. Unsere Aufgabe ist es, U23-Fahrer auszubilden und an Profiteams abzugeben. Da bleibt es nicht aus, dass man mal ein Jahr hat, in dem man wieder neu beginnen muss.

Wem aus ihrem jetzigen Kader trauen sie denn den Sprung zu den Profis zu?

Werner: Auf jeden Fall Jakob Steigmiller, der in diesem Jahr Zweiter der Thüringen-Rundfahrt geworden ist; aber auch Jasha Sütterlin ist ein Riesentalent. Er hat in seinem ersten U23-Jahr bei der Tour de Berlin für den einzigen Rundfahrtsieg des Teams gesorgt. Da muss man drei Ausrufezeichen setzen. Beide Fahrer haben ein sehr großes Potenzial, und können den Sprung nach oben schaffen.

Worin unterscheidet sich denn Ihr Team von anderen Continental-Rennställen?

Werner: Grundsätzlich kann ich zur Arbeit in anderen Teams natürlich nichts sagen. Bei uns ist es Bedingung, dass die Fahrer, die sich uns anschließen, nach Erfurt kommen und hier leben, wo das Team seinen Sitz hat. Das ist unserer Meinung nach ganz wichtig für den Fahrer, um sich weiter zu entwickeln, aber auch für den Zusammenhalt der gesamten Gruppe. Wir betreuen die jungen Fahrer aber auch außerhalb des Sports, etwa indem wir sie im Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit beraten. Auch so etwas gehört zu einem kompletten Profi dazu.

Sie sind in mehreren Funktionen im Radsport tätig, als Teammanager, Veranstalter, Fahrerberater und Manager – in welcher Rolle fühlen sie sich am wohlsten?

Werner: Am wohlsten fühle ich mich als Manager des Thüringer Energie Teams. Es ist sehr schön, mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten und zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln und erfolgreich sind. Das ist eine Aufgabe, die mir sehr gut gefällt.

Wenn sie sehen, welch große Erfolge in den großen Teams die sportlichen Leiter mit „ihren Fahrern“ feiern - wünschen Sie sich da nicht auch manchmal, in der ersten Liga mitzumischen?

Werner: Natürlich wäre so was interessant, aber ich neide da niemandem etwas. Ich freue mich vielmehr mit den Jungs, wenn sie als Profis ihre Erfolge einfahren und sehe mich, wie gesagt, dadurch auch in meiner Arbeit bestätigt. Natürlich schaue auch ich nach Entwicklungsmöglichkeiten. Aber der Schritt in die WorldTour wäre nur möglich mit einem großen Sponsor und entsprechendem Potenzial. Es müsste schon der ganz große Wurf sein. Aber auch dafür würde ich nicht meine Arbeit mit dem U23-Team aufgeben wollen.

Was erhoffen sie sich für 2012 für ihr Team und für „ihre“ Profis?

Werner: Für das Thüringer Energie Team erhoffe ich mir einen Deutschen Meistertitel, egal, ob auf der Straße oder im Zeitfahren. Und für die WM ist eine Medaille im Zeitfahren das Ziel, da haben wir mit Jakob Steigmiller und Jasha Sütterlin zwei aussichtsreiche Kandidaten. Was die Profis angeht, so wünsche ich mir, dass mindestens einer bei den Olympischen Spielen in London eine Medaille gewinnt. Martin zählt ja zu den Favoriten im Zeitfahren; Kittel und Degenkolb haben gute Chancen im Straßenrennen.

Mit Jörg Werner sprach Matthias Seng.

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