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17.07.2011 | 17.Juli: 15.Etappe Limoux – Montpellier 192,5 km
(rsn) - Nach den drei schweren Pyrenäen-Etappen zwischen Cugnaux bei Toulouse und Plateau de Beille, die von den Kletterspezialisten und Favoriten in der Gesamtwertung dominiert wurden, sind heute wieder die Sprinter an der Reihe.
Die 170 noch im Rennen verbliebenen Fahrer (28 sind ausgeschieden), erwartet heute ein Teilstück ohne große topographische Schwierigkeiten. Lediglich ein Anstieg der 4.Kategorie, die Côte de Villespassans, mit einer 2,2 Kilometer langen Steigung bei 4,6% müssen die Profis nach 82 Kilometern bewältigen.
Die Strecke führt durch die beiden Departements Aude und Hérault in der Region Languedoc-Roussillon und verläuft ständig in nordöstlicher Richtung im Landesinnern oberhalb der bekannten Orte Narbonne, Béziers und Sète.
Die beiden Provinzen Languedoc und Roussillon ziehen sich von den Ausläufern der Pyrenäen an der spanischen Grenze bis zum Rhône-Delta. Die Ferienorte an den kilometerlangen Sandstränden beherbergen jährlich Millionen von Urlaubern. Aus dem Hinterland durch das die Tour-Karawane fährt, kommen 50 Prozent des französischen Tafelweins sowie die ersten Pfirsische und Kirschen.
In dieser Gegend wird übrigens auch die Tour de l’Aude, das älteste Frauenradrennen im Kalender der UCI (Internationaler Radsportverband), ausgetragen. Hier waren schon die deutschen Spitzenfahrerinnen Hanka Kupfernagel, Judith Arndt (2x), Trixi Worrack und Claudia Häusler in den letzten elf Jahren erfolgreich.
Heute müssen die Sprinterteams das Feld auf der Distanz von 192,5 Kilometern zusammenhalten, dürfen keine Ausreißer allzu weit ziehen lassen, um am Ende ihre schnellsten Fahrer zum Sieg verhelfen zu können.
Erik Zabel, der 14 Mal die Tour bestritten hat und dabei zwölf Etappen gewann, saß 1993 daheim vor dem Fernsehgerät, als mit Olaf Ludwig vom damaligen Team Telekom der bisher einzige Deutsche im Etappenziel von Montpellier den Spurt vor Djamolidine Abdoujaparov aus Usbekistan und dem Belgier Johan Museeuw gewinnen konnte.
Der kleine Ort Limoux mit rund 10.000 Einwohnern ist zum ersten Mal in der 108 jährigen Geschichte der Tour als Startplatz ausgewählt worden. Er liegt am Fluss Aude und ist in ganz Frankreich bekannt wegen der „Blanquette de Limoux“, einem Schaumwein mit uralter Tradition, aber keine Nachahmung des Champagner, sondern dessen Vorfahr. Bereits seit Mitte des 16.Jahrhundert wird in Limoux das Verfahren der Flaschengärung praktiziert.
In Limoux sucht man Boutiquen und Nobelrestaurants vergebens, nicht einmal eine Fußgängerzone ist vorhanden. Besonders ausgiebig fließt der Blanquette de Limoux zum Karneval im Februar, denn Limoux und einige Gemeinden im Umland bilden eine der wenigen Ausnahmen in Frankreich, wo sich die früher weit verbreitete Karnevalstradition gehalten hat. Auf dem sonst so beschaulichen Platz der Republik wird also dieses Jahr zum zweiten Mal der Teufel los sein, wenn die Tour de France kommt.
Schon nach 26 Kilometern passiert das Feld die Stadt Carcassonne, die heute zu den am besten erhaltenen Festungsstädten Europas zählt. Die Stadt Carcasso wurde von den Römern bereits im 1.Jahrhundert v.Chr. gegründet und ist heutzutage ein beliebtes Touristenzentrum. Im Mittelalter wohnten hier zwischen 3.000 und 4.000 Menschen auf einem 14 Hektar-Areal, heute leben nur noch 229 Personen dort ständig.
Nach zuletzt auch einigen Tagen im Regen werden die Fahrer von der großen Hitze in dieser Gegend begleitet. Zwischen den beiden Ortschaften Homps und Olonzac nach 60 Kilometern überquert das Peloton den Canal du Midi und hat zumindest für einige Minuten eine optische Erfrischung. Der 240 Kilometer lange Canal du Midi (deutsch: Kanal des Südens) verbindet die Stadt Toulouse mit dem Mittelmeer.
Seine Fortsetzung in Richtung Atlantik/Bordeaux war ursprünglich der Fluss Garonne, bis später der Canal Latéral à la Garonne (deutsch: Garonne-Seitenkanal) erbaut wurde. Initiator war der Franzose Pierre-Paul Riquet, der die Fertigstellung seines Traumes nicht mehr erlebte. Er starb in Toulouse ein halbes Jahr vor der feierlichen Eröffnung am 24.Mai 1681. Der Canal du Midi, in nur 14 Jahren erbaut, wurde 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Eine private Fahrt auf einem Flussboot über den Canal du Midi ist ein entspannendes Urlaubsvergnügen und Balsam für Augen und Seele.
Viele Rennfahrer sind nach den Strapazen in den Pyrenäen müde und angeschlagen und müssen heute auch mit dem ständigen Seitenwind kämpfen, der dieses Teilstück zu einer Auseinandersetzung mit großem Aufwand macht. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes der Tag der Wasserträger, denn bis zu zwölf Trinkflaschen (sechs Liter) sind nötig, um den Organismus und den Körper zu versorgen. Die Helfer der Sprinter und Kapitäne sind also im Dauereinsatz.
Allein der Gedanke, dass morgen der zweite Ruhetag im Departement de la Drôme ansteht, lässt die Mühen ein wenig vergessen.
Weiter geht die Fahrt durch eine wunderschöne, aber dünnbesiedelte Landschaft. 50 Kilometer vor dem Ziel durchquert das Feld die bezaubernde Kleinstadt Pézenas. Hier wirkten früher zahlreiche Musiker und Schauspieler, unter ihnen auch Molière im 17.Jahrhundert. Eines der bekannten Werke des französischen Schauspielers, Theaterdirektors und Dramatikers war „Le Malade imaginaire“ (Der eingebildete Kranke).
In Pézenas, das – soweit das Auge reicht – von Weinbergen umringt ist, wird der einzige Zwischensprint vorbereitet und die Fahrer im Kampf um das Grüne Trikot sind in Montagnac, 46 Kilometer vor dem Ziel in den vorderen Positionen zu finden.
Die Bilanz der Sprinter vor der zu erwartenden Massenankunft liest sich so: Der Brite Mark Cavendish hat bereits drei Etappen (Cap Fréhel, Châteauroux und Lavaur) gewonnen. Der US-Amerikaner Tyler Farrar/USA triumphierte in der ersten Tourwoche in Redon in der Bretagne. Tour-Neuling André Greipel aus Hürth bei Köln holte sich in Carmaux bei Toulouse seinen ersten Etappensieg.
Bisher ohne Tageserfolg sind der Italiener Alessandro Petacchi aus La Spezia, der Spanier José-Joaquin Rojas (bereits 3x Dritter, 1x Vierter, 1x Fünfter und 1x Siebenter) und der Franzose Sebastien Hinault, der auch schon vier Platzierungen unter den ersten Zehn aufweisen kann.
In Montpellier, der achtgrößten Stadt Frankreichs wird es die 29. Etappenankunft seit 1930 geben. Hugo Koblet, André Darrigade, Edouard Sels, Adriano Durante, Barry Hoban und zuletzt Robbie McEwen und Robert Hunter waren die Dominatoren in Montpellier, die eine der wenigen französischen Städte ohne antiken Hintergrund ist. Die erste urkundliche Erwähnung stammt vom 26. November 1986.
Heute erwartet die Fahrer eine 1.000 Meter lange Zielgerade. Zunächst zeigt das Streckenprofil 250 Meter leicht ansteigend, mit zwölf Meter Höhendifferenz. Aber die letzten 750 Meter sind flach wie ein Bierdeckel. Wer hier noch die meisten Helfer und Anfahrer an seiner Seite hat, darf sich großen Chancen auf den Tagessieg machen.
Die 500.Touretappe 1936 in Montpellier gewann mit Sylvère Maes ein Belgier, die 1.000. Etappe 1963 holte sich fast 30 Jahre später mit Edouard Sels wiederum ein Belgier in dieser Metropole.
Vielleicht schlägt diesmal erneut die große Stunde von André Greipel, der bei seiner Tour-Premiere 18 Jahre nach Olaf Ludwig als zweiter Deutscher triumphieren kann. Schon erfolgreichster Sprinter mit den meisten Siegen in den beiden letzten Jahren, wäre ein Sieg heute in Montpellier ein weiterer Höhepunkt seiner bisherigen Karriere, fünf Tage nach seinem ersten Etappenerfolg in Carmaux.
Gratulation noch zum 29.Geburtstag gestern. Vielleicht kann sich Greipel heute noch nachträglich mit einem erneuten Etappensieg selbst das schönste Geschenk machen.
Viel Glück André. Mach’s noch einmal.
Wir wünschen Jens Voigt gute Besserung und Weiterfahrt, nachdem er gestern auf der Abfahrt vom Port de Lers zweimal stürzte und sich Hautabschürfungen zuzog. Nach dieser 15.Etappe haben die Fahrer genau 2.641 km zurückgelegt und brauchen dringend den zweiten Ruhetag im Departement de la Drôme, das in der Region Rhône-Alpes im Südosten Frankreichs liegt und nach dem Fluss Drôme, einem Nebenfluss der Rhône, benannt ist.
Am 15.Juli 2006 holte sich Jens Voigt, zum 14.Mal bei der Tour dabei, in dieser Region und zwar in der Nougatstadt Montélimar den Etappensieg im Zweierspurt gegen den Spanier Oscar Pereiro. Schöne Erinnerungen am Ruhetag, und für die letzte Woche in den Alpen und für die verbleibenden 789 km bis Paris darf man auch Träume haben.
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