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07.07.2011 | 7.Juli: 6.Etappe Dinan - Lisieux 226,5 km
(rsn) - Der sechste Tagesabschnitt führt von der Bretagne in die Normandie und ist mit 226,5 km zugleich die längste Etappe dieser 98.Tour de France. Die Strecke verläuft immer in nordöstlicher Richtung durch die Departements Côtes-d’Armor, Ille-et-Vilaine, Manche, Orne und Calvados.
Dabei werden für den Frankreichkenner bekannte Orte passiert: Dol-de-Bretagne, Pontorson, Le Mont-Saint-Michel, berühmt für die gleichnamige Abtei. Dieses Benediktinerkloster ist seit jeher eine Touristenattraktion und wird jährlich von etwa 3,5 Millionen Menschen besucht. Der Berg und seine Bucht gehören seit 1979 dem Weltkulturerbe der UNESCO an. Über Avranches und Falaise nähern sich die Fahrer dem Ziel Lisieux. Dieser Ort ist zugleich auch der nördlichste Punkt der diesjährigen Tourstrecke.
Die Fahrer finden heute eine wellige Strecke vor, mit einigen kurzen, aber knackigen Anstiegen sowie drei Bergwertungen der 3. und 4.Kategorie. Angesichts der ersten Etappen dieser Frankreich-Rundfahrt muss man feststellen, dass die erste Tour-Woche weitaus anspruchsvoller ist als bei vielen Ausgaben in den Jahren zuvor, wo sich eine Sprintankunft an die nächste reihte und für eine gewisse Langeweile sorgte. Die Planer der Tour sind in der Tat davon abgekommen, nur Etappen mit flachem Streckenprofil auszuwählen. Nach Mont les Alouettes am Samstag und Mûr-de-Bretagne am Dienstag, kommt heute die dritte anspruchsvolle, ansteigende Zielankunft den Kraftpaketen und Tempobolzern entgegen, weniger den Sprintern, die schon ans Limit müssen, um mithalten zu können.
Wie zuletzt 1995 ist die bretonische Stadt Dinan Ausgangspunkt dieses Mammut-Teilstücks. Dieser Ort ist von einem beeindruckenden Ring an Stadtmauern umgeben und wurde auf einem Hügel erbaut. Die Altstadt liegt etwa 75 Meter über dem Fluss Rance, der nach Norden fließt und zwischen Saint-Malo und Dinard in den Ärmelkanal mündet.
Die Geschichte Dinans ist seit dem 11.Jahrhundert bekannt. Im Jahr 1907 wurde die Altstadt von einem Brand verwüstet. Anziehungspunkt ist die Basilika Saint-Sauveur, erbaut im 12. Jahrhundert. Das beeindruckende Portal stammt aus dem 19. Jahrhundert und vereinigt verschieden Bauweisen (romanisch, gotisch, klassizistisch und barock).
Dinan ist auch die Heimatstadt des ehemaligen Radprofis Benoît Salmon, der in seiner 13jährigen Karriere die Tour de France bestritt, den Grand Prix Midi Libre und die Tour du Vaucluse gewann. Der Zielort Lisieux ist die Hauptstadt der Landschaft Pays d’Auge, die als Heimat der drei großen normannischen „C“ – für Cidre, Calvados und Camembert – bekannt ist.
Camembert ist ein ursprünglich französischer Weißschimmelkäse. Unter dem Namen Camembert de Normandie AOC genießt er den Rang einer geschützten Herkunftsbezeichnung. Zum Durchbruch verhalf dem Camembert schon früh der französische Kaiser Napoléon III., der ihn auf die kaiserliche Hoftafel setzte.
Der Livarot wird aus roher oder pasteurisierer Kuhmilch hergestellt. Er hat einen kräftigen Geschmack. Beim Kauf sollte der Käseteig so weich sein, dass beim Drücken auf den Käse der Finger darin versinkt. Riecht der Käse nach Ammoniak, hat er die optimale Reife bereits überschritten.
Der Pont-l’Évêque wird auch aus roher oder pasteurisierter Kuhmilch hergestellt. Er gilt als einer der ältesten Käsesorten, die in der Normandie hergestellt werden. Der Käse muss wenigstens zwei Wochen reifen, üblich sind jedoch sechs Wochen. Während der Reife wird der Käse regelmäßig gewaschen, gebürstet und gewendet.
Diese Etappe ist nichts für die reinrassigen Kletterer wie Andy Schleck oder Alberto Contador, obwohl der spanische Toursieger vorgestern an der Mûr-de-Bretagne zeigte, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Gestern kam dann ein dummer Sturz auf engen bretonischen Straßen hinzu, der die Laune des Madrilen nicht gerade steigerte. Contador sehnt sich nach den richtigen langen Steigungen, die erst am Wochenende im Zentralmassiv beginnen.
Der letzte Anstieg des Tages beginnt schon drei Kilometer vor dem Ziel, geht stufenförmig nach oben und endet direkt vor Kathedrale Sainte-Thérèse - eine der größten Kirchen, die im 20.Jahrhundert gebaut wurden - in Lisieux. Bis zu 10% Steigung wartet auf die Fahrer. 91 Höhenmeter müssen bewältigt werden. Wer das größte taktische Geschick besitzt und seine Reserven bis zum Zielstrich dosieren und konservieren kann, wird die längste Etappe gewinnen.
Namen wie Philippe Gilbert (Omega Pharma-Lotto), Thor Hushovd (Garmin-Cervélo), Cadel Evans (BMC), Fränk Schleck (Leopard-Trek), José Joaquin Rojas (Movistar) und auch Andreas Klöden (RadioShack) werden wir im Tagesklassement wieder ganz weit vorne sehen.
Lisieux wurde bereits in römischer Zeit als Noviomagus Lexoviorum erwähnt. Nach Lourdes, wo am 15.Juli die 13. Etappe endet, ist Lisieux der zweitgrößte Wallfahrtsort Frankreichs. Fast eineinhalb Millionen Pilger und Besucher strömen jährlich in diese kleine, normannische Stadt.
Es ist 2011 erst die dritte Zielankunft der Tour in Lisieux. 1964 gewann der Belgier Edouard Sels vor dem Engländer Michael Wright und dem belgischen Straßen-Weltmeister Benoni Beheyt, während Rudi Altig damals Fünfter wurde. 1970, also vor 41 Jahren endete die damalige Etappe mit einem dreifachen belgischen Triumph durch Walter Godefroot, Roger De Vlaeminck und Herman van Springel. Dann folgten Jan Janssen und Eddy Merckx, der fünfmaliger Toursieger.
Just in jenem Jahr 1970 wurde ein Fahrer geboren, der heute Geburtstag feiert: Wir gratulieren Erik Zabel, der 41 Jahre alt wird. Zabel hat in seiner ruhmreichen Karriere 202 Siege errungen und ist nach Eddy Merckx der erfolgreichste Fahrer der Welt.
Er hat vierzehn Mal die Tour de France bestritten, dabei das Gelbe Trikot getragen, 12 Etappen gewonnen und sechsmal das Grüne des Punktbesten errungen. Insgesamt hat er 88 Grüne Trikots von der Tour mit nach Hause genommen.
Klassikersiege hat er gesammelt wie andere Briefmarken, alleine viermal sein Lieblingsrennen Mailand – San Remo als Sieger auf der Via Roma beendet. Zabel ist auch nach seiner Laufbahn ein gefragter Mann. Er ist sportlicher Leiter des ProRace in Berlin und bei den Cyclassics in Hamburg. Außerdem wird Zabel bei den Sechstagerennen in Hannover (neu im Programm im Dezember 2011) und Köln (ebenfalls nach 13 Jahren wieder veranstaltet im November 2012) als Sportlicher Leiter fungieren.
Gestern hatte er als Sprintberater der HTC Highroad-Mannschaft beim Sieg und 16. Etappenerfolg seines britischen Schützlings Mark Cavendish in Cap Fréhel schon Grund zum Jubel. Heute nach der Etappe wird sicher die eine oder andere Flasche Champagner folgen, wenn die Mannschaft und seine Freunde auf sein Wohl und die Zukunft anstoßen werden.
Er wird sich sicher dann an den 7. Juli 1995 erinnern, also auf den Tag genau vor 16 Jahren, als er in Charleroi seinen ersten Tour de France-Etappensieg im Telekom-Trikot erringen konnte. Er war damals der „Roi von Charleroi“ und kein Geringerer als König Albert II. von Belgien gratulierte ihm damals zum Sieg.
Viel Glück Erik, Gesundheit, weiterhin Enthusiasmus für den Radsport und Santé.
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