"Leser fragen - Profis antworten"

Wegmann: „Ich setze oft alles auf eine Karte“

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Fabian Wegmann (Milram)

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20.04.2009  |  (rsn) - "Leser fragen - Profis antworten" heißt die neue Serie auf Radsport News. Jeden Monat steht ihnen ein Radprofi Rede und Antwort. Im April schickten wir dem zweifachen deutschen Meister Fabian Wegmann (Milram) ihre Fragen zu. Da sich viele auf die gerade stattfindenden Frühjahrsklassiker bezogen, veröffentlichen wir Wegmanns Antworten einige Tage früher als sonst üblich.

Sebastian Hammer fragt: Hast du dich bei Milram schon eingelebt und wie ist dein Verhältnis zu den Milram-Teamkollegen? Mich als Gerald Ciolek-Fan würde vor allem dein Verhältnis zu ihm interessieren…

Fabian Wegmann: Die Umstellung war nicht schwer! In diesem Jahr sind ja insgesamt 15 ehemalige Gerolsteiner-Mitglieder zu Milram gewechselt und die meisten anderen Fahrer kannte ich auch schon vorher und komme mit allen sehr gut klar. Auch mit Gerald, mit dem ich ja auch schon vorher bei den Olympischen Spielen und der WM zusammen gefahren bin, verstehe ich mich sehr gut.

Scott Nawroth fragt: Wie bereitest du dich auf die Klassikersaison vor? Auf welchem Klassiker liegt ganz besonders dein Augenmerk, welcher liegt dir?

Fabian Wegmann: Für die Klassiker bereite ich mich immer mit sehr intensivem Training vor, wie z. B. mit Intervallen oder auch Motortraining. Ein weiterer wichtiger Baustein in der Vorbereitung sind aber auch die vorangehenden Rennen, wie z B. die Baskenland-Rundfahrt. Nur so bekommt man die nötige Rennhärte. Mein Hauptaugenmerk liegt wie in jedem Jahr auf den Ardennenklassikern. Wenn ich mich gut fühle, werde ich die Kapitänsrolle übernehmen.

Michael Schweighofer fragt: Ich verfolge mit Spannung jedes Jahr die Ardennenklassiker. Du hattest ja allzu oft Pech mit Plätzen knapp an den Top Ten vorbei und warst meist taktisch gebunden, da Du Davide Rebellin und Stefan Schumacher unterstützen musstest. Was traust Du Dir dieses Jahr zu? Vielleicht den ganz großen Wurf mit einem Sieg?

Fabian Wegmann: Mein Ziel ist es, in diesem Jahr bei einem der drei Klassiker auf dem Podium zu stehen. Ein Sieg wäre natürlich der absolute Traum. Ich habe ein sehr starkes Team an meiner Seite, das mich sicherlich gut unterstützen wird.

Philipp Hammer fragt: Du fährst oft sehr aggressiv und offensiv, bist in Fluchtgruppen vertreten, wie zum Beispiel letztes Jahr beim Fleche Wallone. Wieso ist dir bis jetzt - von den Deutschen Meistertiteln mal abgesehen - noch kein großer Sieg, wie beispielsweise ein Klassiker-Erfolg oder ein Tour-Etappensieg gelungen und wann könnten wir mal sowas erwarten?

Fabian Wegmann: Der offensive Fahrstil entspricht meiner Natur. Damit setze ich natürlich oft alles auf eine Karte und ich hoffe, dass es bald für einen Sieg bei den Klassikern oder einer Touretappe reichen wird. Für einen Sieg spielen aber auch viele andere Faktoren eine Rolle, wie z. B. die Rennerfahrung, Streckenkenntnis, Rolle im Team und - nicht zu allerletzt - auch immer ein bisschen Glück!

Maik Döcke fragt: Wie trainiert ihr zwischen den einzelnen Klassikern? Reizt es Dich nicht, in den nächsten Jahren bei Paris-Roubaix mal voll anzugreifen? Letzter Deutscher Sieg war 1896!!!

Fabian Wegmann: Zwischen den Klassikern trainieren wir nur kompensatorisch, d. h. einfaches Grundlagentraining, um die Beine wieder locker zu fahren. Das Rennen Paris-Roubaix bin ich in den letzten Jahren nicht gefahren, da es mir einfach nicht so gut liegt wie die anderen Klassiker. Hier sind eher Fahrertypen wie mein ehemaliger Teamkollege Heinrich Haussler gefragt.

Fabian Parchmann fragt: Versuchen Sie nach zweimaligem Erfolg bei den letzten beiden deutschen Straßenmeisterschaften dieses Jahr das Triple perfekt zu machen?

Fabian Wegmann: Probieren werde ich das natürlich, aber die Strecke der diesjährigen DM in Cottbus ist tellerflach und somit für die Sprinter prädestiniert. Aber wir werden sicherlich mit einer sehr starken Mannschaft am Start stehen und versuchen, den Titel in unserer Mannschaft zu halten.

Puyan Parhizkar fragt: Werden sie bei der deutschen Meisterschaft auch für Linus Gerdemann fahren?

Fabian Wegmann: Auch für Linus ist die Strecke nicht gerade maßgeschneidert - und somit werden wir eher auf unsere Sprinter Gerald Ciolek oder Robert Förster setzen.

Reinhard Kotschi fragt: Sie sind oft als sehr mannschaftsdienlicher Fahrer zu sehen. Wie objektiv und für Sie nachvollziehbar ist die Auswahl des Kapitäns, insbesondere bei Rundfahrten?

Fabian Wegmann: Radsport ist eine Mannschaftssportart. Das heißt, dass sich jeder Fahrer auch mal in den Dienst der Mannschaft stellen muss. Die Kapitänsrolle wird in einer Besprechung vor jedem Rennen quasi neu vergeben, somit ist es auch für jeden Fahrer nachvollziehbar. Da spielt die momentane Form eine wichtige Rolle und natürlich auch die Art des Rennens.

Bergfloh fragt: Ich habe vom Fernsehen aus den Eindruck, dass viele Profis ziemlich niedrig auf dem Rad sitzen; hat sich in Eurer Ansicht über eine optimale Sitzhöhe was geändert, oder macht das mein Breitbild-TV?

Fabian Wegmann: Vielleicht solltest Du Deinen Fernseher von 16:9 auf 4:3 umstellen… Aber im Ernst: An der optimalen Sitzhöhe hat sich eigentlich nichts geändert. Jeder Fahrer hat hier natürlich einen anderen Fahrstil und bevorzugt je nachdem auch eine andere Sitzhöhe. Pauschalisieren kann man das eigentlich nicht.

Stefan Woernlein fragt: Wie würde ein Rad aussehen, das Du Dir privat aufbaust? Würdest Du als Hobbyfahrer eher auf's Gewicht achten, eher auf die Optik oder auf die Funktionalität?

Fabian Wegmann: Mit meiner momentanen Rennmaschine, dem Focus Izalco, bin ich unheimlich zufrieden. Ein leichtes Rad und vor allem leichte Laufräder sind mir immer sehr wichtig. Schon als Jugendlicher war ich ein Leichtbau-„Freak“. Somit würde mein Rad als Hobbyfahrer sicherlich unter den Mindestgewichtvorgaben der UCI liegen.

Christian Schardt fragt: Haben sie selbst schon diese ovalen Kettenblätter ausprobiert? Wenn ja, was ist es für ein Fahrgefühl und bringt es zählbare Vorteile/Nachteile?

Fabian Wegmann: Leider kann ich dazu nichts sagen, da ich diese Kettenblätter noch nicht gefahren bin.

Markus Knabl fragt: Verwendet ihr auch manchmal Kompaktkurbeln bei ganz schweren Bergetappen? Wie gross sind die größten Ritzel, die ihr verwendet?

Fabian Wegmann: Ab und an kommt es vor, dass auch wir Profis mit Kompaktkurbeln fahren, z. B. bei einer der Zielanküfte von Tirreno-Adriatico, dem Monte Lupone. Da bin ich in diesem Jahr eine Übersetzung von 36/28 gefahren. Das ist aber eher die Ausnahme. In der Regel fahren wir Übersetzungen von 39/23 oder 39/25, z. Bsp. bei den Bergetappen der Tour de France.

Christoph Sollfrank fragt: Wie stabil ist der Puls eines Radprofis? Man kann lesen, dass sich dieser von ca. 30 bis 40 Schlägen pro Minuten bei Radprofis bewegt. Wie hoch ist er im normalen Alltag ohne Belastung?

Fabian Wegmann: Der Ruhepuls wird immer im Liegen oder Sitzen gemessen, wie der Name schon sagt. Dieser liegt bei mir bei ca. 38. Im normalen Alltag, vor allem beim Shopping mit meiner Freundin, ist mein Puls natürlich höher…

Daniel Greiner fragt: Ich wüsste gerne, ob es stimmt, dass im Jahre 1997, als Pantani den Rekord nach Alp D'Huez aufgestellt hat, sein Durchschnittspuls bei mehr als 200 lag, wobei Maximalwerte von 220 erreicht wurden. Ist das realistisch?

Fabian Wegmann: Der Maximalpuls ist bei jedem Menschen individuell. Ich z. B. komme nicht über den Wert von 195 hinaus. Es gibt aber Menschen, die ohne Weiteres einen Maximalwert von 220 erreichen. Möglich wäre es somit schon, dass Marco Pantani diesen Wert damals erreicht hat. Ob es stimmt, kann ich Dir aber leider nicht sagen. 1997 war ich ja erst 17 und noch nicht bei der Tour dabei…

Daniel Brandmeier fragt: Mich würde interessieren, wie bei euch die Verpflegung bzw Ernährung während den Rennen und dem Training abläuft. Gibt es eine Richtlinie, wieviel Riegel bzw. Gels man pro Std/Rennen/Training zu sich nehmen sollte?

Fabian Wegmann: Richtlinien gibt es dafür keine. Jeder Fahrer steckt sich vor dem Start ein paar Riegel und Gels in die Trikottaschen und kann sich dann bei der Verpflegungsstelle noch Nachschub holen. Es hängt dann auch noch ganz vom Wetter und vom Fahrertyp ab, wieviel man im Rennen zu sich nimmt. Wichtig ist eine regelmäßige Nahrungsaufnahme besonders zu Beginn des Rennens, da einem im Finale nicht mehr die Zeit zum Essen bleibt. Im Training esse ich grundsätzlich weniger, um den Fettstoffwechsel anzuregen.

Patrick Böhmler fragt: Wenn du zu Hause alleine auf Trainingsfahrten unterwegs bist, ziehst du dann auch das komplette Meister-Outfit an oder den normalen Milram-Dress oder gar was ganz Neutrales?

Fabian Wegmann: Ich fahre eigentlich immer im Meister-Outfit trainieren, außer bei sehr starkem Regen.

Enrico Muax fragt: Wie pflege sie ihre elegante Trikot, damitte isse imma so weiss? oda ziehe sie jede Tag eine neue an?

Fabian Wegmann: Jede Tag eine neue isse nich drin. Musse die Pflega imma sage, dass nicht wasche mit die andere blaue Milram-Trikots. Und bei Regen imma schön mit die Hände vorwasche.

Christian T. fragt: Bei Geschwistern ist es ja oft üblich, dass der Jüngere die zu klein gewordene Kleidung des Älteren nochmal aufträgt. Wie war das mit Dir und deinem Bruder Christian und bezogen auf die Sportausrüstung? Bist du in der Jugend-/Juniorenzeit Rennen mit den alten Rädern Deines Bruders gefahren?

Fabian Wegmann: Klar, in meiner Jugend bin ich immer die alten Trikots und auch Räder von meinem Bruder gefahren. Man wächst ja schließlich schnell raus aus den Sachen.

Kristian Lehmeier fragt: Welches war Dein verrücktestes Radsporterlebnis?

Fabian Wegmann: Das war beim Sparkassen Giro in Bochum. Plötzlich überraschte uns ein heftiger Hagelschauer und alle Fahrer versuchten, sich irgendwo in Deckung zu bringen. Ich flüchtete in einen Hauseingang. Nach kurzer Zeit öffnete eine ältere Frau die Tür und bat mich herein. Ich ging herein und saß dann mit meinen nassen Rennklamotten bei ihr auf dem Sofa und sie bot mir heißen Tee an. Nach einer Weile hörte es auf zu hageln, alle Fahrer krochen aus ihren Unterschlüpfen und wir konnten das Rennen nach einer kurzen Neutralisation fortsetzen. Am Ende wurde ich dann noch Dritter.

Thomas Kortenjan aus Münster fragt: Longinusturm oder Leopoldshöhe: Welcher "Gipfel" des Münsterlandes gefällt dir besser?

Fabian Wegmann: Ganz klar: Leopoldshöhe. Beide Anstiege fahre ich sehr gerne, aber die Leopoldshöhe bin ich schon, seit ich 13 Jahre alt bin, immer im Training hochgefahren.

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