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26.01.2009 | (rsn) – Gemeinsam mit seinem Kollegen Ulli Jansch kommentiert Karsten Migels seit 2001 Radrennen im Spartensender Eurosport. Im Interview mit Radsport News spricht der 44-jährige ehemalige Deutsche Crossmeister über seine Leidenschaft für den Sport, über seine Rolle als Kommentator in Zeiten der Dopingskandale und über das Comeback von Lance Armstrong.
Falls die Öffentlichen-Rechtlichen im Gegensatz zu Eurosport wirklich nicht nicht live von der Tour de France berichten sollten - freuen Sie sich schon auf höhere Zuschauerzahlen?
Migels: Natürlich würden wir davon profitieren, wenn ARD und ZDF nicht übertragen sollten. Aber grundsätzlich ist es schade für den Radsport im Allgemeinen, wenn ARD und ZDF bei ihrem „Nein“ blieben. Wie auch immer, ich denke, wir von Eurosport haben uns in den letzten Jahren im Vergleich mit den Kollegen sehr gut aus der Affäre gezogen, sehr viel Boden gut gemacht und Publikum gewonnen.
Die Öffentlich-Rechtlichen begründen Ihren Rückzug mit der anhaltenden Dopingproblematik im Radsport. Wurde bei Eurosport schon einmal an einen Ausstieg gedacht?
Migels: Solche Dinge werden selbstverständlich von den Eurosport-Chefs entschieden und nicht von uns Kommentatoren. Natürlich sprechen wir auch intern über das Thema Doping. Aber ich finde, wir müssen das nicht noch weiter forcieren. Unsere Zuschauer sagen, dass Sie in erster Linie Sport- und nicht nur Dopingberichte sehen wollen. Wir versuchen eine Art Gleichgewicht in unserer Berichterstattung herzustellen, was uns bisher gut gelungen ist.
Wie sieht es mit Radsport-Übertragungen jenseits der Tour aus? Bleibt das Angebot von 2008 erhalten oder wird es gar noch ausgebaut?
Migels: Wir beginnen im Februar mit der Cross WM und der Katar-Rundfahrt. Neu im Eurosport-Programm ist eine Woche später die Kalifornien-Rundfahrt und danach ist das Programm praktisch identisch mit dem von 2008: also Paris-Nizza, die drei großen Rundfahrten, die Klassiker, Bahn- und Straßen-WM. Dazu wird Eurosport 2 bestimmt noch das eine oder andere Rennen übertragen, welche das genau sein werden, kann ich allerdings noch nicht sagen.
Wie wird Eurosport bei den Übertragungen 2009 mit dem Thema Doping umgehen?
Migels: Grundsätzlich ähnlich wie in den letzten Jahren. Aber das hängt auch von der konkreten Situation ab. Wir haben ja schon 2008 bei Glanzleistungen, die uns unerklärlich waren, laut gezweifelt. Beispiel Emanuele Sella: Wie der kleine, schmale Kerl beim Giro die Berge hoch und runter geflogen ist, hat uns schon stutzig gemacht. Wir haben uns angeschaut und gesagt: „Das kann eigentlich nicht mit rechten Dingen zugehen“. Und so war es dann ja auch.
Wirken sich zahlreichen Dopingfälle der Vergangenheit auch auf Ihre persönliche Art des Kommentierens aus?
Migels: Ganz klar, man wird vorsichtiger, wenn man es mit solchen, nicht wirklich nachvollziehbaren Leistungen zu tun hat. Aber unterm Strich ist der Radsport in meinen Augen nach wie vor eine der faszinierendsten und schönsten Sportarten überhaupt.
Stimmen Sie sich in der Kommentierung des Themas Doping mit Ihren Eurosport-Kollegen aus den anderen Ländern ab?
Migels: Im Grunde bleibt es jedem selbst überlassen, wie er das Thema kommentiert. Aber wir sprechen uns schon mit unseren englischen, französischen, und niederländischen Kollegen ab und liegen bei der Behandlung des Themas Doping auch auf einer Wellenlänge.
Glauben Sie, dass der Radsport in Sachen Doping das Schlimmste hinter sich hat?
Migels: Ich wünsche es mir. Zum Glück wird dieses Thema ja jetzt schon anders behandelt. Auch die Fahrer sind viel vorsichtiger geworden. Mittlerweile ist das Kontrollsystem, das sich der Radsport verschrieben hat, das Beste im Sport überhaupt. Das war vor geraumer Zeit noch anders. Aber man soll sich keine Illusionen machen: Es wird immer Sportler - in allen Sportarten - geben, die dopen, und die Medizin wird den Kontrolleuren immer voraus sein. Ich glaube schon, dass wir die Talsohle durchschreiten und dass es jetzt wieder bergauf geht. Vor allem die jungen Fahrer haben wohl kapiert, worum es geht.
Wie sehen Sie grundsätzlich ihre Rolle als Kommentator?
Migels: Ich möchte den Zuschauern unter anderem die Faszination und Funktionalität des Radsports vermitteln. Es ist eine tolle Sportart, die in teilweise traumhaften Landschaften stattfindet – man denke nur mal an die Bilder der Tour de France.
Sie sind ja eher ein Reporter mit Leidenschaft und Euphorie. Geht da nicht die Distanz zum Objekt der Berichterstattung verloren?
Migels: Ich kann da trotz meiner innigen Leidenschaft für den Radsport differenzieren. Ich erinnere an den Tour-Sieg von Jan Ullrich und die Erfolge von Telekom. Plötzlich waren wir eine Radsportnation, die Größten, und die Euphorie kannte bei vielen kein Ende. Typisch Deutsch eben. Ullrich und Co. wurden gefeiert…..und was ist heute? Damals habe ich mich schon gefragt: Wie kann man so reagieren? Wir waren nie eine Radsportnation und werden es auch nie werden. Uns fehlt einfach die Tradition, die Leidenschaft für den Radsport wie z. B. in den Ländern Frankreich, Italien oder Belgien.
Wie bereiten Sie sich auf die Rennen vor, die Sie kommentieren?
Migels: Im Prinzip bereiten wir uns an 360 Tagen im Jahr vor. In Zeiten des Internets ist das auch gar nicht anders möglich. Früher informierte man sich aus der „Gazzetta“ oder der „L’Equipe“, heute aber gibt es so viele Internetportale, dass man es sich gar nicht mehr leisten kann, mal eine längere Auszeit zu nehmen. Wir versuchen deshalb immer auf dem Laufenden zu sein und unsere Dateien ständig zu aktualisieren. Ich hoffe und denke, dass man das auch bei den Übertragungen merkt.
Sie waren früher ein erfolgreicher Crossfahrer, waren Deutscher Meister und Vizemeister. Dachten Sie nie an eine Karriere im Straßenradsport?
Migels: Naja schon, vor allem, weil ich ja von der Straße komme und gemeinsam mit Christian Henn einer der Besten in unserem Jahrgang war. Ich hatte damals die Möglichkeit, zu Olympia Dortmund oder auch zum damaligen Team von Hans Holczer zu wechseln. Aber mein damaliger Verein hatte wohl etwas dagegen. Michael Rich, der im selben Verein wie ich groß wurde, hat sich davon nicht abhalten lassen und hat den Sprung gewagt. Hinzu kam, dass ich 1984 einen schweren Sturz mit Lungenriss, Rippen- und Schulterbruch hatte. Die Folge war unter anderem die fehlende Qualifikation für die Sportförderkompanie der Bundeswehr. Danach habe ich dann beschlossen, mit dem Leistungsradsport Schluss zu machen.
Und wie kamen Sie zu Eurosport?
Migels: Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt zu moderieren. Beim MTB-Weltcup 1992 in Kirchzarten hatte man mich dann gefragt, ob ich es nicht einmal probieren wollte. So fing es an. Und im Jahr 1997 hat sich Ingolf Cartsburg von Eurosport gemeldet und einen MTB-Experten für die Übertragung des Weltcups in St.Wendel gesucht. Im selben Jahr habe ich mit der Tour de Suisse mein erstes Rennen für Eurosport kommentiert. Als Klaus Angermann 1998 zu Eurosport wechselte, begann für mich die „Lehrzeit“ und seit der WM 2001 kommentiere ich mit Ulli Jansch im Duo Radrennen.
Wie wird die Rollenverteilung zwischen Ihnen, Ulli Jansch und Andreas Schulz 2009 aussehen?
Migels: Eigentlich wie im letzten Jahr. Wobei ich das Wort „Rollenverteilung“ nicht mag, das klingt so nach Hierarchie. Wir drei sind gleichberechtigt und jeder bringt seine Stärken ein. Dass wir nicht immer einer Meinung sind, ist ja klar und nachvollziehbar. Das können die Zuschauer auch merken. Aber insgesamt sind wir, wie ich meine, ein sehr gut funktionierendes Team.
Wie schätzen Sie das Comeback von Lance Armstrong ein?
Migels: Eigentlich braucht der Radsport das Armstrong-Comenback nicht. Ich bin da anderer Meinung als etwa UCI-Präsident Pat McQuaid. Ich denke, es gibt genügend junge Fahrer, auch in Deutschland, über die man mehr berichten sollte. Es ist doch schade, wenn das Armstrong-Comeback einen so großen Raum in der Berichterstattung vieler Medien einnimmt, die sich mittlerweile gar nicht mehr oder kaum noch für den Radsport interessieren. Da gewinnt André Greipel die 1.Etappe der Tour Down Under, aber in vielen Medien ist dann die Nachricht zu lesen: Armstrong als 120ster im Ziel. Sicher werden gerade während der Tour viele Zuschauer am Bildschirm seinen Auftritt verfolgen und die Quoten verbessern. Aber das ist für mich auch schon der einzige positive Aspekt.
Worauf freuen Sie sich in der Radsportsaison 2009 am meisten, was fürchten Sie?
Migels: Ich fürchte mich - ganz klar - am meisten vor weiteren Dopingfällen wie denen von Kohl oder Schumacher. Das braucht der Radsport nun wirklich nicht mehr. Am meisten freue ich mich auf die Klassiker – mein Lieblingsrennen ist Paris-Roubaix – und die Tour de France. Außerdem wünsche ich mir, dass wieder fair über den Radsport berichtet wird. Andere Sportarten haben die gleichen Dopingprobleme und unternehmen viel weniger, um das Übel in den Griff zu bekommen, aber auf den Radsport wird draufgehauen.
Mit Karsten Migels sprach Matthias Seng.
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