Zieglers Rennvorschau: Paris-Nizza

Der erste wirkliche Härtetest

Von Thomas Ziegler

09.03.2008  |  (Ra) - Paris–Nizza ist das erste wirklich wichtige Rennen der Saison 2008 – aber einen Tag vorher wissen viele Fahrer noch gar nicht, ob sie starten oder nicht. Die ASO und die UCI kämpfen um Macht und Kompetenzen und die Leidtragenden sind die Fahrer und Mannschaften. Fahren sie nicht, steht die Tourteilnahme auf dem Spiel, fahren sie, drohen Strafen und Sanktionen seitens der UCI. Ganz gleich, wofür sich die Teams entscheiden, sie werden auf jeden Fall verlieren.

Wenn die ASO sich durchsetzt, gehe ich davon aus, dass viele Rennveranstalter nachziehen und die UCI in letzter Konsequenz ihre Daseinsberechtigung verliert. Ich frage mich, wann der Radsport erwacht und versucht, wieder interessant und glaubwürdig für die Zuschauer zu werden? Bisher haben die Fahrer für Negativschlagzeilen gesorgt, jetzt tun es die Verbände und Veranstalter. Ich wünsche mir, dass langsam Ruhe einkehrt und der Sport wieder in den Mittelpunkt rückt.

Paris-Nizza ist immer der erste wirkliche Härtetest der Saison. Die Streckenführung ist wie jedes Jahr auch diesmal wieder sehr schwer, das Rennen wird von Tag zu Tag härter. Bei meinen Teilnahmen hat das Wetter immer sehr zu wünschen übrig gelassen und die Hotels waren zu 80 Prozent miserabel: meistens Campanile mit Wolldecke und durchgelegener Matratze. Nicht unbedingt das, worauf man sich nach 200 km Regen, Wind und Schnee freut...

Wer Paris-Nizza gewinnen will, darf im Prolog kaum Zeit verlieren. Die ersten beiden Etappen sehen auf dem Profil zwar relativ einfach aus, führen aber aber über schlechte, teilweise sehr schmale Straßen mit rauem Belag. Zudem hat man dort den Wind als ständigen störenden Begleiter. Bei meinen Teilnahmen an P-N waren wir immer sehr angespannt vor diesen Tagen, weil der Verlauf der Etappen so unberechenbar war. Man muss immer aufmerksam fahren und damit rechnen, dass sich das Feld in viel kleine Gruppen teilt. 2004 etwa war schon nach 100 km für viele Favoriten die Gesamtwertung verloren, nachdem CSC auf dem Windkante dem Rest des Feldes davon gefahren war. Auf der 2. Etappe stehen zwar bis 20 km vor dem Ziel vier kleinere Bergwertungen an, aber ich rechne trotzdem mit einem Massensprint.

Die Etappen drei (Fleurie - Saint-Étienne) und vier (Montélimar - Mont Ventoux) sind richtige Hämmer und etwas für die Bergfahrer. Hier wird die Vorentscheidung über den Gesamtsieg fallen. Die Etappe nach Saint Etienne hat mir 2006 das „Genick gebrochen“, ich musste mit starker Erkältung vom Rad steigen. Es geht dort von Anfang an auf sehr schmalen Strassen auf und ab, wie auf einer Achterbahn. Das sind zwar immer nur 30 bis 100 Höhenmeter, aber wenn man 20 Mal solche Hügel fährt, weiß man auch, was man getan hat. Der letzte Berg ist sehr lang und schwer. Wenn man an der Bergwertung 20 bis 30 Sekunden Vorsprung hat, kann es bis ins Ziel reichen, denn die letzten Kilometer geht es nur bergab. Mein Favorit für diesen Tag ist Davide Rebellin (Gerolsteiner).

Am folgenden Tag steht die Bergankunft am Mount Ventoux auf dem Programm, jedoch nicht ganz oben, sondern „nur“ auf einer Höhe von 1.400 Metern. Dabei frage ich mich, ob es Mitte März sinnvoll ist, in solchen Höhen Radrennen enden zu lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Winter noch einmal mit Schnee zurück meldet. Ich denke, dass der ProTour-Gesamtsieger Cadel Evans (Silence-Lotto) an diesem Tag ein Wörtchen um den Tagessieg mitreden wird.

Die Etappe fünf und sechs sind prädestiniert für Fluchtgruppen. Die Vorentscheidung in der Gesamtwertung ist gefallen, jetzt rechnen sich alle anderen Fahrer Chancen auf eine gute Tagesplazierung aus. Solche Renntage beginnen mit einer Attacke nach der anderen und oft einem Durchschnittstempo von über 50 km/h. Ruhe kehrt erst ein, wenn eine kleine kontrollierbare Gruppe weg ist, die keine Gefahr für den Gesamtführenden darstellt.

Die 6. Etappe ist wieder ein ständiges Auf und Ab, eine Bergwertung nach der anderen. Der letzte Berg ist circa 20 km vor dem Ziel und fünf km lang. Nicht sehr steil, aber für den Tagessieg entscheidend. Ich war selbst im Jahr 2005 vom Start bis zum Ziel mit zehn Fahren in der Attacke und wir haben uns am Col du Tanneron und alle Einzelteile aufgelöst. Leider war meine Form nicht berauchend und ich bin „nur“ Fünfter geworden.

Der letzte Tag ist für viele Fahrer ein reines Ausscheidungsfahren. Es geht vom Start an bis km 50 von 0 auf 1100 m hoch. Hört sich gar nicht so schlimm an, aber die Strecke steigt stetig an und und wird immer steiler. Auf dieser Etappe braucht der Gesamtführende eine starke Mannschaft, die in der Lage ist, das Feld zu kontrollieren. Das Tückische an der Etappe ist ihre Kürze von 120 km. Man darf niemanden zu weit weglassen, denn es bleibt nicht viel Zeit zum Zufahren. Am Col d Éze fällt dann die Entscheidung die über den Rundfahrtsieg. Letztes Jahr hat hier Davide Rebellin den Anschluß an Alberto Contador (damals noch Discovery) verloren und somit auch den Rundfahrtsieg.

Mein Favorit auf den Gesamtsieg in diesem Jahr ist Davide Rebellin. Er liebt dieses Rennen, wohnt in Monaco und hat Paris-Nizza noch nie gewonnen. Ich bin mit ihm zwei Jahre bei Gerolsteiner gefahren und weiß, wie wichtig ihm das Rennen zur Sonne ist. Ich bin sicher, er wird topfit am Start stehen.

Thomas Ziegler beendete im Alter von 27 Jahren nach der letzten Saison seine Profikarriere. Davor fuhr der Thüringer insgesamt vier Jahre für die beiden deutschen ProTour-Rennställe Gerolsteiner und T-Mobile. Seit Februar 2008 betreibt Ziegler zusammen mit Grischa Niermann (Rabobank) und Roman Jördens in Hannover das Radsportgeschäft Saikls. Zudem wird er in diesem Jahr bei der Nacht von Hannover erstmals auch als Sportdirektor verantwortlich sein. Auf Radsport aktiv wird Thomas Ziegler künftig ausgewählte Rennen analysieren.

Mehr Informationen zu diesem Thema

03.04.2008Paris-Roubaix soll zurück in den UCI-Kalender

(rsn) – Während der Weltverband UCI und der Tourveranstalter ASO nach wie vor übereinander statt miteinander reden, versucht jetzt der französische Radsportvervand FFC die kritische Lage zu deesk

18.03.2008UCI will Ende März mit Paris-Nizza-Startern sprechen

Berlin (dpa) - Der Rad-Weltverband UCI hat die Teilnehmer der Fernfahrt Paris-Nizza für den 25. März zu einem Gespräch gebeten und will danach über Konsequenzen entscheiden. Wie die UCI mitteilte,

17.03.2008Teams wollen mit ASO Startverträge aushandeln

(rsn/dpa) – Der Weltverband UCI gerät im Konflikt mit dem Tourveranstalter ASO immer mehr in die Defensive. Nachdem die UCI in der vergangenen Woche vorläufig alle Kontakte zum Verband der Profite

16.03.2008"Ein paar Siege fehlen mir noch"

(rsn) - Mit seinen 36 Jahren ist Davide Rebellin einer der ältesten Sieger von Paris-Nizza, doch der italienische Gerolsteiner-Routinier hat noch viel vor - nicht nur in diesem Frühjahr.Was motiv

16.03.2008Fairer Rebellin wartete, als Nocentini stürzte

(rsn) - Davide Rebellin gewann bei der 66.Auflage von Paris-Nizza mit drei Sekunden Vorsprung vor seinem italienischen Landsmann Rinaldo Nocentini. Dies ist das knappste Ergebnis in der Geschichte de

16.03.2008Rebellin siegt mit Rekord-(Mini)Vorsprung

Nizza (dpa/rsn) - Im stolzen Rennfahrer-Alter von 36 Jahren hat Davide Rebellin zum ersten Mal die Fernfahrt Paris-Nizza gewonnen. Der italienische Kapitän von Team Gerolsteiner setzte sich in der 66

16.03.2008Holczer: Ein gutes Zeichen für die Frühjahrsklassiker

(rsn) - Paris-Nizza-Sieger Davide Rebellin (Gerolsteiner) hofft nach seinem Triumph jetzt auf einen Klassikersieg, sein Teamchef Hans-Michal Holczer lobt die Leistung des ganzen Teams und Milrams Spor

16.03.2008Französische Revolution gegen McQuaid?

(rsn/dpa) - Jean Pitallier, der Präsident des Französischen Radsportverbandes FFC hat UCI-Präsident Pat McQuaid und dessen Stellvertreter Ray Godkin und Hein Verbruggen zum Rücktritt aufgefordert

15.03.2008Rebellin hängt Gesink ab und holt sich Gelb

(rsn) - Am vorletzten Tag der Fernfahrt Paris-Nizza hat der Italiener Davide Rebellin die Führung in der Gesamtwertung übernommen. Auf dem 206 Kilometer langen, mit sieben Bergwertungen gespickten

15.03.2008Wegmann: Jetzt wollen wir das Ding auch durchziehen

(rsn) – Für Sylvain Chavanel (Cofidis) ist der Sieg auf der heutigen Etappe die Krönung eines überragenden Auftritts bei Paris-Nizza und Davide Rebellin (Gerolsteiner) weiß, dass das Rennen noc

14.03.2008UCI bricht alle Kontakte zum Verband der Profiteams ab

(rsn) – Im Konflikt um die Teilnahme der ProTour-Mannschaften an Paris-Nizza hat die UCI nochmals die Schrauben angezogen. Nach einer Meldung der französischen Sportzeituung L’Equipe ließ UCI-Pr

14.03.2008Barredo hat den richtigen Riecher

(rsn) – Die 5. Etappe der Fernfahrt Paris-Nizza stand ganz im Zeichen der Ausreißer. Nach welligen 172 Kilometern von Althen-des-Paluds bewies Carlos Barredo (Quick Step) Gespür für die entschei

Weitere Radsportnachrichten

02.12.2025Trinca Colonel bleibt bei Liv - AlUla – Jayco

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

02.12.2025“Kaum Luft zum Ausruhen“: Eschborn-Frankfurt verschärft Profil

(rsn) – Ein neuer Anstieg, der gleich drei Mal bewältigt werden muss, und eine stark veränderte Taunus-Passage sollen den Profis das Leben bei Eschborn-Frankfurt (1.UWT) noch schwerer machen. Das

02.12.2025Tausch von Giro und Vuelta? RCS Sport lehnt Pogacars Idee ab

(rsn) – Giro-Veranstalter RCS Sport hält nichts von Tadej Pogacars jüngstem Vorschlag, die Termine von Italien- und Spanien-Rundfahrt zu tauschen. “Der Giro hat seinen traditionellen Termin, und

02.12.2025Kehren Strade und Sanremo in van Aerts Programm zurück?

(rsn) – Erstmals seit mehreren Jahren könnten die italienischen Klassiker Strade Bianche und Mailand-Sanremo wieder in Wout van Aerts Frühjahrsprogramm auftauchen. Der spektakuläre Rennen über d

02.12.2025Ganna bringt die Olympische Fackel nach Italien

(rsn) – Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) wird zu den Fackelträgern der Olympischen Winterspielen 2026 in Mailand-Cortina gehören. Der zweimalige Zeitfahrweltmeister wird gemeinsam mit der Tennissp

02.12.2025Extrem gut entwickelt und die Nische im Team gefunden

(rsn) – Wenige Monate vor seinem Profidebüt bei Bora – hansgrohe bestritt Ben Zwiehoff im Juli 2020 bei der polnischen Rundfahrt Dookola Mazowsza (2.2) sein erstes UCI-Rennen auf der Straße. F

02.12.2025Simon Yates würde gern Giro-Titelverteidigung in Angriff nehmen

(rsn) – Zwar steht auch bei Visma – Lease a Bike die Rollenverteilung für die drei großen Rundfahrten des kommenden Jahres noch nicht fest. Nach der Streckenpräsentation des Giro d’Italia 202

02.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

02.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

02.12.2025Nach Kniebeschwerden “wieder die alte Ricarda werden“

(rsn) – Schon zum zweiten Mal in Folge spielt im Jahresrückblick von Ricarda Bauernfeind (Canyon – SRAM – zondacrypto) ihr Knie eine unerfreuliche Rolle. Dabei war sie 2023 im Alter von gerade

01.12.2025Alle Etappen im Detail: Die Strecke des Giro d´Italia 2026

(rsn) – Der 109. Giro d´Italia (2.UWT) wird im Mai 2026 über 21 Etappen und 3.459 Kilometer mit 49.150 Höhenmetern führen. Vom Grande Partenza in Bulgarien führen die ersten drei Teilstücke du

01.12.2025Finestre und Nevegal-Bergzeitfahren sollen Frauen-Giro 2026 entscheiden

(rsn) – Der 37. Giro d´Italia Women (2.WWT) wird über neun Etappen mit 1.153,7 Kilometer sowie 12.500 Höhenmetern führen und als Highlight den Colle delle Finestre bereithalten. Die Italien-Rund

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)