Interview

Thomas Frei: Wir wurden von Autofahrern angepöbelt

21.12.2007  |  (Ra) –Thomas Frei blickt auf ein turbulentes erstes Profijahr zurück. Der 22-jährige Schweizer in Diensten des von zahlreichen Dopingskandalen erschütterten Astana-Teams durchlebte Höhen und Tiefen. Im Interview berichtet Frei über einzigartige Momente bei der Tour de Suisse, über die quälende Ungewissheit nach dem Tour-Ausschluss von Astana und über seine Ziele für die nächste Saison.

Thomas, deine erste Profisaison ist nun vorbei. Wie ist das Jahr gelaufen?

Frei: Ich war gleich zu Beginn toll in Form und konnte schöne Rennen wie Paris-Nizza oder die die Ardennenklassiker fahren. Außerdem konnte ich Andreas Klöden bei seinem Sieg bei der Sarthe Rundfahrt helfen. Das waren schöne Erlebnisse. Das Team sagte mir auch, dass man mit meiner Arbeit sehr zufrieden sei. Nach der Tour war dann alles anders. Es war eine ganz schwierige Zeit, um sich auf den Job zu konzentrieren. Dabei wollte ich eigentlich in der zweiten Saisonhälfte auch meine eigenen Chancen suchen. Aber die ungewisse Zukunft setzte, glaube ich, jedem im Team sehr zu.

Am Anfang der Saison sagtest du, dass du dir z.B. von einem wie Klöden einiges abschauen kannst. Was hast Du bisher dazulernen und was hat das für deine Weiterentwicklung gebracht?

Frei: Ich glaube, als junger Fahrer kann man vor allem von den erfahrenen Rennfahrern abschauen, wie sie sich im Rennen verhalten, wie sie in gewissen Situationen reagieren und wie sie ein Rennen einteilen. Ich denke schon, dass ich da einiges abschauen konnte, was mir in Zukunft sicher nutzen kann.

In diesem Jahr führte die Tour de Suisse durch deinen Heimatort Olten. Was waren das für Eindrücke?

Frei: Das sind einzigartige Erlebnisse im Leben eines Sportlers, wenn man sich bei so einem Rennen vor der eigenen Haustür präsentieren kann und so viele bekannte Gesichter sieht. Schon eine erste Tour de Suisse zu fahren, ist sicher für jeden Schweizer speziell. Und wenn die dann noch vor der eigenen Haustür vorbeigeht, dann wird das Ganze natürlich noch spezieller.

Was sind deine Ziele für die kommende Saison? Bei welchen Rennen würdest du gerne zum Einsatz kommen?

Frei: Ich möchte ganz klar einen Schritt vorwärts kommen und vermehrt auf mich aufmerksam machen, mal ein richtiges Ausrufezeichen setzen. Wenn ich eine Chance kriege, will ich sie packen, vor allem auch in solchen Rennen, die ich vom letzten Jahr her schon kenne. Natürlich möchte ich auch meinen Job zur Zufriedenheit aller im Team erledigen. Ich stehe im erweiterten Kader für den Giro d’Italia. Es wäre eine tolle Sache, mit einer super Form meine erste dreiwöchige Rundfahrt in Angriff zu nehmen. Dann interessieren mich natürlich auch besonders die Rennen in der Schweiz, wie die Tour de Romandie oder die Tour de Suisse. Ich liebe es, in der Schweiz zu fahren und kann da immer wieder zusätzliche Energien freisetzen.

In diesem Jahr wurde dein Team durch die Dopingfälle Kessler, Winokurow und Kashechkin schwer belastet. Wie waren die Folgen für Dich?

Frei: Es ist klar, dass Astana keinen guten Stand bei den Medien hatte. Ich konnte mich dem nicht einfach entziehen. Für die Öffentlichkeit ist man dann nur noch einer von „denen“. Ich denke, es war für jeden Astana-Fahrer eine schwere Zeit, wobei die Stimmung im Team immer gut war. Am schlimmsten empfand ich es im Team-Trainingslager im August in der Schweiz, da wurden wir von vielen Autofahrern angepöbelt. Der Respekt war weg, da gab es unschöne Sachen, bei denen man dann denkt, verdammt, wo sind wir hier gelandet?

Wie bereitest Du Dich auf die neue Saison vor?

Frei: Ich habe Mitte November das Training wieder aufgenommen. Eine Zeit habe ich im Tessin bei guten Verhältnissen mit Kollegen trainiert. Letzte Woche war ich im Teamtrainingslager in Spanien, wo wir auch gut gearbeitet haben. Ich denke, ich liege im Fahrplan.

Kannst du schon etwas über die neue sportliche Leitung sagen, gibt es irgendwelche Veränderungen im Vergleich zum Vorgängerteam?

Frei: Ja ich habe letzte Woche die Teamkollegen, den „Staff“ und die Sportliche Leitung etwas besser kennen gelernt. Wir hatten eine gute Stimmung im Trainingslager und viel Spaß, dennoch haben wir sehr gut trainiert und konzentriert gearbeitet. Die Sportliche Leitung und der „Staff“ sind praktisch alles neue Leute. Ich habe auch mit den Sportlichen Leitern mein Rennprogramm besprochen. Mein erster Ansprechpartner im Team ist Sean Yates.

Trainierst du lieber alleine oder in der Gruppe? Hast du feste Partner mit denen du trainierst?

Frei: Bei langem Grundlagentraining trainiere ich gerne in einer Gruppe. Wenn ich meine Programme fahre, mit Intervallen zum Beispiel, trainiere ich aber auch viel alleine, womit ich auch keine Probleme habe. Im Winter trainiere ich oft mit Steffen Wesemann, auch mit meinem Teamkollegen Michi Schär. Wir kennen uns schon seit Schulzeiten und sind junge Fahrer in derselben Situation, so können wir uns gegenseitig gut unterstützen.

Mit Thomas Frei sprach Simon Schüppler

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