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08.11.2006 | Im spanischen Blutdopingskandal haben jetzt Anwälte und Richter das Wort. Sie werden letztlich entscheiden, welche Urteile in Folge der sogenannten Operation Puerto gefällt werden. Der Rechtsanwalt Siegfried Fröhlich aus Partenheim bei Mainz beschäftigt sich beruflich mit der Beratung von Berufssportlern. Darunter befinden sich auch zahlreiche Radprofis. Im Gespräch mit Radsport aktiv erklärt Fröhlich, weshalb die UCI die Lizenz von Manolo Saiz nicht eingezogen hat, warum er ein deutsches Antidopinggesetz für überflüssig hält und was der Radsport tun könnte, um Doping erfolgreicher zu bekämpfen als bisher.
In Frankreich findet gerade ein Strafprozess gegen sechs ehemalige oder derzeitige Fahrer des französischen Cofidis Teams statt. Glauben Sie, dass es im spanischen Blutdopingskandal zu einem vergleichbaren Prozess kommen wird?
Fröhlich: Ich denke schon, dass es auch in Spanien zu einem Prozess kommen wird. Es scheint mir fraglich, ob es sich die spanischen Strafverfolgungsbehörden überhaupt leisten könnten, das Ganze im Sande verlaufen zu lassen. Es gibt schließlich schwer wiegende Indizien, die gegen die Beschuldigten sprechen. Sollte es nicht zu einem Prozess kommen, wäre das in meinen Augen ein Skandal im Skandal. Aber man muss auch den Unterschied in beiden Fällen sehen. In Frankreich sind Fahrer wegen Verstößen gegen das Anti-Dopinggesetz angeklagt. Dort ist dopen strafbar. Insofern ist der Cofidis-Fall mit dem Festina-Skandal von 1998 vergleichbar. In Spanien gibt es zwar auch seit kurzem ein Anti-Dopinggesetz, aber das ist inhaltlich dem deutschen Betäubungsmittelgesetz vergleichbar. Dopen selbst ist in Spanien nach wie vor nicht strafbar, nur der Handel mit Dopingmitteln. Die Fahrer wären in einem solchen Prozess nur Zeugen. Angeklagt wären nur die Hintermänner um den Arzt Eufemiano Fuentes.
Die Dopingaffäre treibt mittlerweile auch merkwürdige Blüten. Der unter Verdacht stehende Manolo Saiz darf vorerst seine ProTour-Lizenz behalten. Können Sie erklären weshalb?
Fröhlich: Das verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht ganz. Es gibt ja immerhin den Code conduit, nach dem sich die Teams verpflichtet haben, unter Dopingverdacht stehende Fahrer nicht weiter zu beschäftigen. Nun könnte man sagen, dasselbe muss dann aber auch für einen unter Verdacht stehenden Teammanager gelten. Im Juristendeutsch nennt man das eine ergänzende Vertragsauslegung. Dabei geht man über den Wortlaut der Bestimmung hinaus und fragt sozusagen nach deren Sinn und Zweck. Allerdings ist eine solche Auslegung unter Juristen umstritten. Es gibt Kollegen, die nur nach dem Wortlaut eines Textes argumentieren. Deshalb fürchtet die UCI wohl auch eventuelle Schadenersatzansprüche, wenn sie jetzt Manolo Saiz die Lizenz verweigern würde. Sie muss sich aber die Frage gefallen lassen: Sollte ein Teammanager, der mit Blutbeutel und einem Koffer voller Bargeld bei Doktor Fuentes erwischt wird, nicht genauso behandelt werden wie ein dopender Fahrer?
Spielt die UCI nicht wieder einmal eine sehr unglückliche Rolle in einem Dopingverfahren?
Fröhlich: Der UCI sind in der sogenannten Operation Purerto die Hände gebunden. Staatliche Instanzen ermitteln in diesem Fall hier hoheitsrechtlich und es geht um Straftatbestände. Die UCI befindet sich also momentan in der Rolle eines Zuschauers und kann erst aktiv werden, wenn die Verfahren in Spanien abgeschlossen sind.
Ist das Verhalten des spanischen Untersuchungsrichters korrekt, der mittlerweile eine Sperre über die Untersuchungsakten verhängt hat, wodurch auch keine weiteren Informationen an die nationalen Radsportverbände weitergegeben werden können ?
Fröhlich: Das denke ich schon. Es kann ja nicht sein, dass in der Öffentlichkeit Akten kursieren und dass die Öffentlichkeit mehr weiß als die Beschuldigten selber. Es gibt beispielsweise eine deutsche Übersetzung der Untersuchungsakte im Internet. Damit muss Schluss gemacht werden, denn letztlich sind das Gründe, die gegen die Objektivität und Unvoreingenommenheit in diesem Verfahren sprechen. In Spanien muss jetzt festgestellt werden, was Fuentes gemacht hat oder nicht gemacht hat. Die Verbände müssen weiteres Material abwarten, können aber die vorhandenen Akten durchaus verwenden. Ich denke, der Schweizer Verband geht im Fall Ullrich den richtigen Weg. Die Italiener waren bei Basso vielleicht etwas zu voreilig. Allerdings muss man auch hier bedenken, dass es um viel Geld geht, den Ruf eines Sportlers zu ruinieren kann sehr teuer werden.
Wäre ein deutsches Antidopinggesetz sinnvoll?
Fröhlich: Betäubungsmittel- und Arzneimittelgesetz sind da völlig ausreichend. Man kann argumentieren, dass ein Sportler mit Doping ja letztlich sich selbst schon genug schädigt und es ausreicht, wenn er nicht mehr seinen Beruf ausüben darf. Wozu ihn dann noch mit strafrechtlichen Mitteln verfolgen? Und wo zieht man dann die Grenzen? Betrügt ein Top-Manager, der Aufputschmittel nimmt um seine Leistungsfähigkeit zu steigern, nicht auch? Und wenn Sportbetrug strafbar sein sollte: Was machen wir mit Fußballern wie Hölzenbein oder Völler, die in den WM-Finals 1974 und 1990 mit ihren Schwalben im Strafraum die Spiele beeinflusst oder sogar entschieden haben? Im Übrigen wäre mir viel wichtiger, wenn man die Hintermänner –Ärzte, Teamchefs, Apotheker – zur Rechenschaft ziehen würde. Einem Arzt, der verbotene Substanzen verschreibt, gehört die Approbation entzogen.
Verstößt der von den Teams eingeführte DNA-Test gegen die Persönlichkeitsrechte der Fahrer?
Fröhlich: Wenn die Teams einen DNA-Test von neu verpflichteten Fahrern verlangen, wird der Fahrer letztlich nichts dagegen unternehmen können. Ein solcher Test ist durchaus legitim und genauso legitim ist es, wenn ein Team einen Fahrer nur unter der Bedingung verpflichtet, dass der sich einem Test unterzieht. Anders könnte es bei laufenden Verträgen aussehen. Da erscheint es mir fraglich, ob der Vertrag so einfach um eine DNA-Klausel ergänzt werden kann. Aber auch das muss gesagt werden: Die Teams handeln nicht aus einer Lust und Laune heraus, sondern weil sie sich gegen Betrüger wappnen wollen. Auch im Fall des DNA-Tests ist es so, dass die große Gruppe der „Anständigen“ unter der kleineren Gruppe der „Unanständigen“ gewissermaßen leidet. Das ist nun mal das Wesen der Rechtspolitik.
Angesichts der Dopingfälle in diesem Jahr – ist eine erfolgreiche Antidopingpolitik nicht die Quadratur des Kreises?
Fröhlich: Zunächst einmal könnte man sagen, dass eine erfolgreiche Dopingbekämpfung am fehlenden Geld scheitert. Die Nationale Antidoping-Agentur NADA etwa hat einfach nicht genug finanzielle Mittel für eine wirkungsvolle und erfolgreiche Arbeit. Aber allein am Geld liegt es nicht, auch nicht daran, dass der Sieger viel Geld verdienen kann. Seit Sport betrieben wird, wird auch gedopt. Und zwar nicht nur im Profiradspor, sondern etwa auch bei Jedermann-Rennen oder den Paralympics. Da kommt der Ehrgeiz des Sportlers ins Spiel, der Ehrgeiz, unbedingt gewinnen zu wollen. Ich vergleiche Doping gerne mit Steuerbetrug. Der Betrüger weiß, dass es nicht in Ordnung ist, hofft aber, dass er damit durchkommt.
Wenn Doping immer wieder vorkommen wird - warum es dann nicht einfach freigeben, unter „ärztlicher Aufsicht“, wie manche fordern?
Fröhlich: Das ist in etwa so, als ob man die Steuergesetzgebung abschaffen würde. Dann gäbe es in juristischer Hinsicht keine Betrüger mehr – aber der Staat hätte auch kein Geld mehr. Nur weil betrogen wird, heißt es nicht, dass man auch vor den Betrügern kapitulieren muss. Und „ärztliche Kontrolle“ würde, um im Bild zu bleiben, dann bedeuten, dass der Betrug vom Finanzamt noch bestätigt wird.
Wie könnte eine erfolgversprechende Antidopingpolitik dann aussehen?
Fröhlich: Am wirkungsvollsten wäre es, das Umfeld zu verändern, um Doping überflüssig zu machen oder zumindest zu erschweren. Wenn ich richtig informiert bin, wird auch gedopt um besser regenerieren zu können. Daraus könnte man etwa schlussfolgern, die Bergetappen bei den großen Rundfahrten zu entschärfen. Große Abstände können auch an einem einzigen schweren Anstieg entstehen. Da muss man das Feld nicht vorher über vier oder fünf schwere Berge jagen. Man könnte die Anzahle der Renntage begrenzen, indem man sagt: Jeder Fahrer darf eine gewisse Obergrenze nicht überschreiten. Außerdem würde ich dafür plädieren, die „personelle Durchlässigkeit“ in der Branche zu erhöhen. Der Rasport ist größtenteils immer noch eine Art geschlossene Gesellschaft. Soweit ich weiß, waren alle Sportlichen Leiter früher selber Radprofis, viele haben selber eine Dopingvergangenheit. Wie können solche Leute glaubwürdig gegen Doping auftreten?
Bis auf den Fall Ullrich sind alle Verfahren gegen die in die Operation Puerto verwickelten Fahrer vorläufig eingestellt worden. Glauben Sie, dass Jan Ullrich bestraft werden wird, eventuell sogar als einziger?
Fröhlich: Ich halte es für wahrscheinlich, dass Jan Ullrich bestraft werden wird – und zwar nicht als einziger. Ich gehe davon aus, dass auch die Fahrer, deren Verfahren vorläufig eingestellt worden sind, ebenfalls noch bestraft werden. Sollte Fuentes wegen der Verabreichung von Dopingmitteln verurteilt werden – und das ist anzunehmen – dann werden die Untersuchungsakten auch wieder für die nationalen Sportverbände zugänglich. Dann können die Verfahren gegen die Sportler wieder aufgenommen werden.
Mit Siegfried Fröhlich sprach Matthias Seng.
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