Interview mit Erik Zabel

"Entwicklung bei T-Mobile war nicht vorhersehbar"

02.11.2006  |  (Ra) - Erik Zabels Saison dauert auch diesmal wieder von Januar bis Dezember. Müdigkeit scheint der erfolgreichste deutsche Radprofi nicht zu kennen. Am Rande des Dortmunder Sechstagerennens stand Zabel Radsport aktiv Rede und Antwort.

Ihr erstes Rennen sind Sie Ende Januar beim GP Doha in Katar gefahren. Jetzt, Anfang November, haben Sie das Dortmunder Sechstagerennen gewonnen. Dazwischen lagen unter anderem Tour de France, Vuelta und die WM. Sind Sie ein Radsport-Workaholic?

Nein, ich hoffe nicht. Außerdem bin ich das erste Rennen in Bremen gefahren beim Sechstagerennen. Aber es macht mir einfach Spaß, und dann ist das nicht wirklich schwere Arbeit.

Sie haben in Ihrem ersten Jahr bei Milram drei Saisonsiege eingefahren, genauso viele wie in ihrem letzten Jahr bei T-Mobile. Sind Sie mit dieser Bilanz zufrieden?

Ja, sehr zufrieden.

Wir haben neben den drei Siegen 25 Podiumsplätze gezählt. Was überwiegt dabei: Die Genugtuung darüber, auch mit 36 Jahren noch zu den Besten zu gehören – oder der Ärger über verpasste Siege?

Über Freude oder Ärger mache ich mir ehrlich gesagt gar keine Gedanken. Nach all den Jahren kann ich mich nicht mehr wirklich dazu aufraffen mich zu ärgern.

Jan Ullrich ist weg und Ihr Freund Rolf Aldag ist jetzt Sportdirektor bei T-Mobile. Wären Sie auch zu Milram gewechselt, wenn Sie diese Entwicklung geahnt hätten?

Das weiß ich nicht. Ich fühle mich wohl bei Milram und habe letztes Jahr die Entscheidung getroffen, als die Situation für mich noch ganz anders aussah. Und dass sich alles innerhalb von sechs, sieben Monaten so verändert, konnte man nicht vorher ahnen. Weder Aldag, Schaffrath noch Zabel konnten das wissen.

Ihr Freund Jan Schaffrath wechselte von Milram zu T-Mobile. Fühlen Sie sich im Stich gelassen?

Nein. Ich denke, gerade in einer Freundschaft sind solche Werte wie Vertrauen und Verlässlichkeit sehr wichtig. Da muss man auch loslassen können und dem anderen die Chance auf ein eigenes Glück geben.

Wäre eine Rückkehr zu T-Mobile auch für Sie denkbar?

Eigentlich nicht. Ich habe einen guten Vertrag bei Milram, nicht nur finanziell. Es ist auch so, dass die Verantwortlichen – ob es jetzt die Sportgruppe ist mit Gianluigi Stanga oder der Hauptsponsor Nordmilch – mir im letzten Jahr die Chance gegeben haben, das Team zu wechseln und eine neue Mannschaft aufzubauen. Sie haben sehr viel in mich investiert, vor allem Vertrauen, und das möchte ich jetzt auch rechtfertigen.

Möglicherweise, wenn Ihr Vertrag mit Milram ausläuft?

Dann gibt es die Möglichkeit, im Radsport zu bleiben oder etwas anderes zu machen.

Sie sagten, wenn Sie die WM in diesem Jahr gewonnen hätten, wäre Schluss gewesen. Bedeutet das für 2007: Rücktritt nach einem möglichen WM-Sieg?

Ich stelle mich den Problemen, wenn sie auf mich zukommen. Ich möchte jetzt gar nicht weiter darüber nachdenken, was 2007 ist.

Im ersten Halbjahr sind Sie viele Rennen gemeinsam mit Alessandro Petacchi gefahren. Wie hat das Teamwork mit ihm geklappt?

Vielleicht hatten wir bei dem ein oder anderen Rennen zu Anfang der Saison – ich denke da an Tirreno Adriatico – noch kleine Abstimmungsschwierigkeiten. Aber es ist natürlich auch so, dass der Zug von Fassa Bortolo nicht zu 100 Prozent übernommen werden konnte bei Milram und dass insbesondere Velo und Zabel als die letzten Leute vor Petacchi sich auch erst einmal aneinander gewöhnen mussten. Und ich denke, dafür dass wir auch Fehler gemacht haben, war es eben auch ganz gut. Insgesamt bin ich aber sehr zufrieden.

Hat er als Sprinter eine Fähigkeit, um die Sie ihn beneiden?

Ich denke eher, dass es so gut funktioniert mit uns, weil wir relativ ähnlich sind und einige Eigenschaften haben, die vergleichbar sind. Mittlerweile ist es vielleicht die Ruhe und Abgeklärtheit im Finale, die uns verbindet. Darüber hinaus ist Alessandro sehr engagiert im Rennen, für sich und sein Team. Aber außerhalb des Rennens ist er eben nicht wirklich dieser Superstar, den man vielleicht in ihm erwartet. Ich denke natürlich, dass Alessandro immer noch der schnellste Fahrer im Peloton ist, und wenn er 100 Prozent fit und gesund ist, finden Fahrer wie McEwen oder Boonen oder auch vielleicht junge Fahrer wie Ciolek noch ihren Meister in ihm.

Sind Sie mit dem Auftreten und den Erfolgen ihres Teams Milram zufrieden?

Ja. Vielleicht ist das Verhältnis zwischen der Arbeit, die wir gemacht haben, und insbesondere den Siegen noch nicht ganz so ausgewogen. Ich denke, wir haben bei sehr vielen Rennen die Arbeit ganz allein gemacht und sehr oft die Verfolgung im Feld organisiert. Es hat uns natürlich geholfen, das Trikot sozusagen nicht nur im Peloton, sondern auch in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dass dann vielleicht in dem ein oder anderen Finale noch ein oder zwei Mann gefehlt haben, war eigentlich nur allzu logisch. Vielleicht gibt es auch eine Möglichkeit, in der Saison 2007 darüber nachzudenken, ob man vielleicht hier und da etwas abgeklärter agieren könnte.

Die sogenannte „Operation Puerto“ scheint für die verdächtigten Fahrer ohne Konsequenzen zu bleiben. Sollen Jan Ullrich, Ivan Basso, Jörg Jaksche und all die anderen Ihrer Meinung nach wieder ProTour fahren dürfen?

Ich denke, meine persönliche Meinung hilft da gar nicht viel weiter. Fakt ist, wenn die Entscheidung kommt, dass alle Fahrer eine Lizenz beantragen dürfen und sie diese auch bekommen, werden sie mit uns fahren. Dann ist natürlich die Rechtslage dementsprechend, und so muss man es akzeptieren.

Mehrere Profis (etwa Paolo Bettini) haben sich bereits ablehnend zu den verschärften Antidopingmaßnahmen (wie etwa einem DNA-Test) der Teams geäußert. Wie stehen Sie dazu?

Ich denke, die nächsten zwei Jahre sind sicherlich sehr wichtig für den Radsport, insbesondere nach dieser Katastrophe „Operation Puerto“, wo es der Radsport knüppeldick abbekommen hat. Das war natürlich ein Desaster für die Glaubwürdigkeit unseres Sports. Wahrscheinlich ist es dann so, wie auch nach Einführung der Bluttests und anderen Neuerungen, dass der Radsport wieder der Vorreiter ist und auch wieder die ein oder andere negative Schlagzeile abbekommen wird.

Welche großen Ziele haben Sie im nächsten Jahr neben der WM?

Dazu möchte ich mich noch nicht äußern.

Könnten Sie sich vorstellen nach dem Ende Ihrer aktiven Laufbahn selbst Sportlicher Leiter zu werden?

Das kommt auf das Angebot an.

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