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24.12.2024 | (rsn) – Sie war gemeinsam mit Teamkollegin Antonia Niedermaier der Shootingstar im deutschen Frauen-Radsport und nach ihrem Tour-de-France-Etappensieg in Albi am 27. Juli 2023 die gefeierte Heldin. Doch anstatt in ihrer zweiten WorldTour-Saison so richtig durchzustarten, erlebte Ricarda Bauernfeind (Canyon – SRAM) 2024 ein Horrorjahr.
Operationen an beiden Knien wurden im Sommer und Herbst nötig, ihre Saison dauerte nur bis Mitte Mai – und auch zum Saisonbeginn 2025 darf man noch keine Wundertaten von der 24-Jährigen erwarten. Der Weg zurück zu alter Stärke ist weit, wie sie radsport-news.com nun im Interview kurz vor Weihnachten verriet.
"Wann ich wieder in der Form sein kann, in der ich mal war, weiß ich nicht. Das steht ein bisschen in den Sternen", sagte die Eichstätterin mit dem Blick voraus. "Für mich ist erst mal wichtig, dass ich wieder richtig einsatzfähig bin und ohne Probleme alles machen kann. Bisher tue ich mich noch schwer, aus dem Sattel zu gehen und explosive Antritte zu fahren. Aber ich habe eben auch relativ viele Muskeln verloren und es fehlt gerade an dem Muskel, der am Knie die Belastungen abnimmt. Das sollte durchs Training jetzt hoffentlich immer besser werden." ___STEADY_PAYWALL___
Schon im Juni 2023 hatte Bauernfeind mit ihrem linken Knie zu kämpfen, nachdem sie sich im Trainingslager zur Streckenbesichtigung für die damalige Tour de France am Tisch gestoßen hatte. Doch das Problem verschwand, Bauernfeind gewann im Juli ihre Tour-Etappe und konnte auch danach noch weitere Top-Platzierungen bei der Tour of Scandinavia (2.WWT) und der Tour de Romandie (2.WWT) einfahren. Die neue Saison begann sie bei der UAE Tour (2.WWT) und wurde dort Gesamtzehnte.
"Da hätte ich mir etwas mehr erwartet – gerade am Berg, dann darauf hatte ich mich gefreut. Aber die Planung war, dass ich erst in Richtung Vuelta richtig gut drauf bin. Von daher war das okay. Bei Strade Bianche lief es auch noch nicht so richtig und ich musste mich im Gedränge erst mal wieder zurechtfinden. Aber danach ist es von Rennen zu Rennen besser geworden", erzählte sie nun im Rückblick auf ihre kurze Saison 2024.
Ricarda Bauernfeind im Anstieg zum Jebel Hafeet bei der UAE Tour. | Foto: Cor Vos
Bauernfeind wurde 16. der Trofeo Alfredo Binda (1.WWT), 18. beim Amstel Gold Race (1.WWT) und Neunte bei Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.WWT). Doch in der eisig kalten und nassen Ardennen-Woche erkältete sie sich und reiste anschließend krank zur Spanien-Rundfahrt. "Nach den Ardennen war kaum jemand verschont von Erkältungen. In jedem Team hat es ein paar Fahrerinnen erwischt", so Bauernfeind, die sich aber im Verlauf der Vuelta erholte und dort trotzdem Gesamtsechste wurde.
"Im Teamzeitfahren (1. Etappe, Anm. d. Red.) sind wir noch so gefahren, dass ich nur hinten draufsitze. Wir wollten schauen, ob es besser oder schlechter wird auf den ersten Etappen und noch nicht viel riskieren. Glücklicherweise waren die ersten Etappen ziemlich flach und ich konnte mich dort recht gut regenerieren, sodass nur noch leichter Husten am Ende übrig war", erzählte sie von einer den Umständen entsprechend guten Woche in Spanien.
"Insgesamt war die erste Saisonhälfte schon relativ positiv. Wir hatten das Jahr so aufgebaut, dass der Höhepunkt die Tour de France gewesen wäre. Die Vuelta war der erste Peak auf dem Weg dorthin und da war ich schon recht positiv gestimmt danach. Das Ergebnis hat, gerade weil ich krank gestartet bin, schon gezeigt, dass die Vorbereitung passt und es so weitergehen kann."
Ricarda Bauernfeind (links) bei der Vuelta neben der späteren Siegerin Demi Vollering. | Foto: Cor Vos
Doch leider tat es das nicht. Bauernfeind fuhr in der Woche nach der Vuelta die Baskenland-Rundfahrt (2.WWT), doch was sie da noch nicht wissen konnte: Es sollte ihr letztes Rennen im Jahr 2024 sein. Denn danach begann ihr linkes Knie immer mehr Probleme zu machen. Bauernfeind litt unter dem sogenannten Plica Syndrom. Dabei entzündet sich eine Falte der Schleimhaut im inneren Kniegelenk, meist durch Überbeanspruchung. Wie Bauernfeind erklärte, könnte bei ihr schwache Rückenmuskulatur zu einer Fehlhaltung geführt haben, die schließlich das Problem auslöste.
"Normalerweise bekommt man das durch Physiotherapie relativ gut weg", so die 24-Jährige, die zunächst von Hansi Friedl im Corox-Institut für Rehabilitation behandelt wurde. "Er hat versucht, es zurückzudrücken. Damit hat er normalerweise gute Erfahrungen gemacht. Aber bei mir hat sich das Problem anscheinend über die Jahre so aufgebaut, dass sich schon Vernarbungen gebildet haben – und die bekommt man ohne OP nicht mehr weg."
Bis es zu dieser Erkenntnis kam, vergingen aber viele Wochen. Bauernfeind wollte ihren Traum vom Start bei den Olympischen Spielen in Paris im Sommer nicht aufgeben. "Es war klar, dass ich die Deutschen Meisterschaften fahren muss, um meine Form zu bestätigen und mich für Olympia zu empfehlen. Deshalb habe ich erst mal versucht, weiter zu machen und nur nach und nach jedes Rennen abgesagt", blickte sie nun auf den Juni zurück.
Bauernfeind hätte auch 2024, wie hier 2023 bei der WM in Glasgow, sehr gerne das Nationaltrikot getragen. Dazu kam es aber nicht. | Foto: Cor Vos
Erst musste Bauernfeind auf ein Trainingslager zur Tour-Streckenbesichtigung verzichten, dann auf die Tour de Suisse (2.WWT) und schließlich auch auf die DM und die Lotto Thüringen Ladies Tour (2.Pro). "Ich habe trainiert, dann etwas pausiert und geschaut, wie es geht, und dann wieder trainiert und die Zähne zusammengebissen. Teilweise saß ich weinend auf dem Rad, weil ich solche Schmerzen hatte. Aber ich wollte es so unbedingt", so Bauernfeind.
"Irgendwann bin ich dann mit meinem Bruder gefahren und er hat gesagt: 'Hey Rica, das macht doch keinen Sinn!' Danach habe ich einen Tag gebraucht und dann habe ich eingesehen: Okay, die Saison ist vorbei. Kein Olympia. Keine Tour. Ich bin jetzt erst mal raus."
Am 8. August ließ sich Bauernfeind in München am linken Knie operieren und verfolgte wenige Tage danach zu Hause auf dem Sofa die Tour de France Femmes, an deren Ende ihre Teamkollegin Katarzyna Niewiadoma im Gelben Trikot ganz oben auf dem Podium stand. "Ich hätte gedacht, dass es schwieriger wird, zuzuschauen. Aber dann habe ich mich einfach riesig für das Team und für Kasia gefreut. Das war ein Erfolg, auf den sie und das ganze Team schon immer hingearbeitet haben", sagte sie und erklärte auch, warum sie während der Tour nicht im Selbstmitleid zerfiel:
Beim Tour-Sieg von Teamkollegin Katarzyna Niewiadoma konnte Bauernfeind nur vor dem TV zusehen. | Foto: Cor Vos
"Nachdem feststand, dass die Saison für mich vorbei ist und auch klar war, dass ich operiert werde, war das schon mehr eine Erleichterung. Denn die schlimmste Zeit war eigentlich im Juni und Juli, als alles ungewiss war. Aber mit dem OP-Tag war es dann okay. Klar gab es immer noch mal Tiefpunkte, aber insgesamt war es eher gut."
So richtig gut war es leider körperlich auch danach nicht. Denn als Bauernfeind wieder anfing, sich aufs Rad zu setzen – "es war mehr ein 'Bewegen' als ein richtiges Radtraining" – schmerzte das rechte Knie. "Das hatte auch vorher schon etwas wehgetan, aber da meinte man erst mal, dass es eine Überbelastung ist, weil ich das linke Knie ja nicht richtig nutzen konnte. Aber als es dann nach der OP am linken Knie nicht besser wurde, haben wir auch vom rechten Knie ein MRT machen lassen und es gab die gleiche Diagnose, wenn auch nicht so schlimm. Deshalb haben wir im Oktober auch das rechte Knie noch operiert."
So verlängerte sich Bauernfeinds Zwangspause bis Mitte November. Erst dann konnte sie wieder anfangen, nach Plan zu trainieren – zunächst eine Stunde und dann langsam mehr. Von einem normalen Einstieg in die Saisonvorbereitung konnte also keine Rede sein, zumal die 24-Jährige nicht auf der Basis einer vollen Saison aufbauen konnte, sondern viel tiefer neu ansetzen musste. Und auch weil ihr linkes Knie, das zuerst operierte, noch immer nicht ganz frei von Problemen ist. "Das liegt daran, dass das Gewebe dort so kaputt und entzündet war, dass es ewig braucht, sich zu erholen", meint sie.
Der bislang größte Erfolg: Bauernfeind nach ihrem Tour-Etappensieg 2023 in Albi. | Foto: Cor Vos
So machte Bauernfeind nun im Dezember im Trainingslager mit ihrem Team an der Algarve auch ganz neue Erfahrungen. "Es war ungewohnt, am Berg das Gruppetto zu bilden und mit den Sprinterinnen hochzufahren", erzählte sie. "Aber es ist einfach schön, überhaupt wieder mit dem Team unterwegs gewesen zu sein."
Der Weg zurück aus ihrer Verletzungspause ist also noch immer nicht ganz abgeschlossen und Bauernfeind muss vorsichtig sein, darf es im Training nicht übertreiben und muss ihr Knie genau beobachten. "Wir sind in engem Austausch mit den Ärzten und Physiotherapeuten auch am Olympiastützpunkt in München, wo ich operiert wurde", sagte sie. Wann Bauernfeind ihr erstes Rennen in der Saison 2025 bestreiten wird, ob schon im Februar oder erst im März, sei daher auch noch nicht klar. "Fakt ist, dass es erst mal kleinere Rennen sein werden."
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