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26.05.2024 | (rsn) – Einen Moment lang sah es gar nicht gut aus für das Geburtstagskind. Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) konnte gut 37 Kilometer vor dem Ziel der 20. Etappe beim Giro d'Italia und sieben Kilometer vor dem Gipfel des Monte Grappa nicht mehr folgen, als Rafal Majka (UAE Team Emirates) seine Beschleunigung in der Vorbereitung der letzten großen Attacke von Tadej Pogacar fuhr. Mit dem Polen und dem Slowenen fuhr Daniel Felipe Martinez (Bora – hansgrohe) dem Waliser davon – und damit jede Hoffnung, noch den zweiten Gesamtrang bei der 107. Italien-Rundfahrt zu erringen.
Antonio Tiberi (Bahrain Victorious) und Einer Rubio (Movistar) zogen an Thomas vorbei und schlossen zum Trio auf, während der Vorjahreszweite und Tour-de-France-Sieger von 2018 schwächelte. Nun musste er an seinem 38. Jahrestag auf all seine Erfahrung setzen.
Kurz bäumte sich Thomas nochmal auf, versuchte den Anschluss wieder herzustellen, doch dann traf er die weise Entscheidung: Anstatt zu tief in den roten Bereich einzutauchen und anschließend zu platzen, drehte sich Thomas um und arbeitete mit den weiteren Abgehängten um den Gesamtvierten Ben O'Connor und dessen Decathlon-AG2R-Teamkollegen Valentin Paret-Peintre sowie Michael Storer (Tudor) zusammenzuarbeiten.
"Ich habe mich den ganzen Tag eher durchschnittlich gefühlt, besonders vor dem Anstieg. Ich dachte: Oh, das könnte ein schrecklicher Geburtstag werden. Aber es war eigentlich okay. Ich musste die Jungs fahren lassen, als UAE anzog und Pogacar losgefahren ist", sagte Thomas am Eurosport-Mikrofon im Ziel, das er schließlich als Gesamtdritter dieses Giros erreichte – und zwar sogar doch noch gemeinsam mit den ihm vorher enteilten Martinez, Tiberi und Rubio.
"Glücklicherweise war ich noch bei Ben O'Connor und seinem Teamkollegen. Wir sind gut nach oben gefahren und ich wusste, dass ich zweieinhalb Minuten Vorsprung in der Gesamtwertung auf Tiberi hatte. Da wollte ich in der Abfahrt nichts Verrücktes machen, nur den AG2R-Jungs folgen. Es war alles ziemlich kontrolliert, denke ich."
In der kurzen Gegensteigung nach rund einem Drittel der langen Abfahrt hinunter nach Bassano del Grappa konnten Paret-Peintre und O'Connor die Lücke nach vorne mit Thomas und Storer im Schlepptau fast schließen. Dann attackierte vor ihnen zwar Martinez noch einmal und riss das Loch wieder weiter auf. Doch im weiteren Verlauf der Abfahrt schlossen sich beide Gruppen dann doch zusammen.
"Es war natürlich gut, die Lücke zu schließen. So konnten wir dann nochmal etwas entspannen", sagte Thomas, der letztlich nichts zu Bereuen hatte: "Mein Team und ich haben das ganze Rennen lang unser Bestes gegeben und sind gut gefahren. Es gab nur einfach nichts, was ich noch mehr hätte tun können, um Dani noch zu überholen. Er ist stark gefahren."
Eine Kleinigkeit aber bereute Thomas dann doch: sein Alter. "Ich spüre jetzt jedes meiner 38 Jahre", sagte er in Bassano del Grappa. "Ich bin wirklich müde. Es reden alle schon eine Weile über mein Alter und ich habe die Aufregung nie richtig verstanden. Aber jetzt, boah, 38 ist ziemlich alt für einen Radprofi, hm?"
Dabei klang seine Stimme ein wenig so, als dürfte man nicht überrascht sein, wenn der Waliser im nächsten Satz sein Karriereende nach der Saison 2024 ankündigen würde – trotz noch bis Ende 2025 laufenden Vertrags. Diesen Satz aber brachte er dann doch nicht über die Lippen. Und wieso auch, wenn man selbst mit 38 Jahren noch immer das Podium einer Grand Tour besteigen kann?
Zum Sieg aber, da ist Thomas Realist genug, dürfte es gegen Fahrer wie Pogacar oder Tour-Sieger Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) nicht mehr reichen. "Natürlich gibt es immer eine Chance: Es ist ein Radrennen. Aber rein vom physischen Talent her ist er einzigartig", zog Thomas vor dem 13 Jahre jüngeren, frisch gebackenen Giro-Sieger seinen Hut. "Jonas ist der Einzige, der wirklich auf demselben Level ist. Aber für die Tour bleibt abzuwarten, wie es ihm geht."
Das Verhältnis zwischen Thomas und Pogacar ist ein gutes. Das wurde beim Giro von Beginn an klar, als die Beiden sich immer wieder auf ihren Instagram-Kanälen neckten. "Für mich ist er der Beste, mit dem ich je Rennen gefahren bin. Ich bin mit vielen guten Fahrern gefahren, aber er ist einfach so vielseitig das ganze Jahr über. Er ist nicht, wie ich, nur in ein paar Monaten im Jahr stark. Es ist verrückt, wie gut er ist", lobte Thomas nun nach der letzten Giro-Bergetappe. "Das einzig Blöde ist, dass er uns alle ziemlich langsam aussehen lässt. Aber das geht dem ganzen Peloton so, nicht nur mir."
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