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15.07.2023 | (rsn) – 'Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte', muss sich Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) auf der 14. Etappe der 110. Tour de France gedacht haben, als er in der letzten Abfahrt in den Zielort Morzine an die taktierenden Spitzenreiter heranfuhr und diese direkt hinter sich ließ. Nach 152 Kilometern war er fünf Sekunden schneller im Ziel als Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), der aufgrund von gesammelten Bonussekunden seine Führung im Klassement um eine Sekunde ausbauen konnte.
Adam Yates (UAE Team Emirates) wurde Vierter, Sepp Kuss (Jumbo – Visma) Fünfter. Jai Hindley (Bora – hansgrohe) war früh im Rennen gestürzt und verlor als Tagessechster seinen dritten Gesamtrang an Rodriguez. Dessen Teamkollege Tom Pidcock, der in den gleichen Massensturz verwickelt war, fiel aus den Top Ten. Auch Louis Meintjes (Intermarché – Circus – Wanty) lag an jener Stelle am Boden, er musste das Rennen wie Romain Bardet (DSM - firmenich) , der wenig später in einer Abfahrt crashte, sogar aufgeben. Der Österreicher Felix Gall (AG2R – Citroën) kam als Siebter ins Ziel und schob sich im Gesamtklassement auf Position neun vor.
Der spanische Tagessieger überzeugte in der Saison 2022 schon bei der Vuelta, wo er lange auf Podiumskurs war, bevor er in der Schlusswoche durch Sturzverletzungen auf Platz sieben zurückfiel. Ein Etappensieg blieb ihm bei seiner ersten Grand Tour verwehrt, den holte er in Morzine bei seiner zweiten dreiwöchigen Rundfahrt nun nach. "Das ist unglaublich, mir fehlen die Worte. Es wurde alleine schon durch meine Teilnahme ein Traum wahr", jubelte der 22-Jährige im Ziel-Interview. Er profitierte dabei von der Rivalität der beiden Topstars, die am Col de Joux Plane bereits eine Minute Vorsprung auf den Spanier hatten, sich dann aber belauerten.
Das nutzte Rodriguez perfekt aus. Mit Adam Yates am Hinterrad fuhr er an das Spitzenduo heran, das er im Gegensatz zum Engländer in der Abfahrt hinter sich ließ. “Als ich am Joux Plane abgehängt wurde, hatte ich auf der Abfahrt nicht gedacht, dass ein Sieg möglich sein würde. Ich bin den Anstieg bestmöglich hochgefahren, aber in meinem eigenen Tempo und die Abfahrt bin ich dann einfach so schnell runtergefahren wie möglich“, blickte der neue Gesamtdritte zurück. “Ich bin ein relativ guter Abfahrer, das wollte ich mir zunutze machen. Ich wollte natürlich nicht stürzen, aber ich bin schon einige Risiken eingegangen, sodass teilweise nicht viel zu einem Sturz fehlte“, gab er zu.
Jumbo – Visma hatte vom Start bis tief in den letzten Anstieg hinein für ein hohes Tempo gesorgt. Der Plan war Pogacar zu zermürben, doch der schlug fehl, als der Slowene den Dänen im Col de Joux Plane mit einem Angriff abschüttelte. “Es hat nur gefehlt, dass Jonas Pogacar abhängt. Ansonsten hat das Team einen tollen Job gemacht, um das Rennen hart zu machen“, befand Jumbos Sportlicher Leiter Grischa Niermann gegenüber radsport-news.com. Sein Kapitän lieferte sich mit dem UAE-Profi über mehrere Minuten ein packendes Duell, bei dem beide Fahrer nie weiter als fünf Sekunden auseinanderlagen. Letztendlich konnte der Titelverteidiger Pogacar wieder stellen.
Für Diskussion sorgte der folgende Bonussprint. Als Pogacar 500 Meter vor dem Wertungsstrich antrat, wurde ihm der Weg von Begleitmotorrädern versperrt. Er brach seinen Versuch ab und fuhr mit Vingegaard am Hinterrad zur Bergwertung. Den Antritt seines einzigen Begleiters verschlief der zweifache Toursieger danach scheinbar, wodurch er nur Zweiter wurde und drei Sekunden auf seinen Kontrahenten einbüßte.
Die Motorräder spielten auch in einer Gegensteigung in der folgenden Abfahrt eine Rolle, als sie es Rodriguez und Adam Yates gemeinsam mit Zuschauern unmöglich machten, an das Spitzenduo heranzufahren. Der Spanier und der Brite mussten sich im Slalom durch mehrere Zweiräder hindurchkämpfen.
Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) musste die Favoritengruppe am Col de la Ramaz zeitgleich mit Pidcock ziehen lassen. Er erreichte das Ziel als 13., auf den gleichen Rang schob er sich auch im Klassement vor. Sein Teamkollege Nils Politt und Simon Geschke (Cofidis) waren Teil der Gruppe des Tages, die von Jumbo – Visma aber recht schnell eingeholt wurde.
Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) verteidigte das Punktetrikot, Pogacar bleibt bester Nachwuchsfahrer. Vingegaard übernimmt die Führung im Bergtrikot vor dem punktgleichen Neilson Powless (EF Education – EasyPost).
Bevor das Rennen richtig begonnen hatte, wurde es auch schon wieder stillgelegt. Bei einem Massensturz lag rund ein Drittel des Feldes am Boden. Es folgte eine 25-minütige Pause, nach der Louis Meintjes (Intermarché – Circus – Wanty) und Antonio Pedrero (Movistar) nicht mehr aufs Rad stiegen. Wenig später gab auch Esteban Chaves (EF Education – EasyPost) auf.
Im Anstieg zum ersten Berg des Tages, dem Col de Saxel (3.Kat.) löste sich ein Quintett, das von Geschke verfolgt und in der Abfahrt eingeholt wurde. Die Sechsergruppe wurde anschließend von 17 weiteren Fahrern verstärkt. Den Bergsprint entschied Giulio Ciccone (Lidl – Trek) für sich, seine Gruppe und er wurden von Jumbo – Visma aber nie weiter als 1:10 Minuten weggelassen.
Das Streckenprofil der 14. Etappe
Lange bevor dieser Maximalvorsprung erreicht wurde, stürzten Romain Bardet (DSM – firmenich) und James Shaw (EF Education – EasyPost) in der Abfahrt des Saxel. Beide konnten das Rennen nicht fortsetzen. In den Anstiegen zum Col de Cou (1.Kat.) und dem Col du Feu (1.Kat.) verkleinerte sich die Spitze nach verschiedenen Angriffen auf elf Fahrer, wobei neben Geschke auch Politt zu den Zurückgefallenen gehörte. Ciccone sicherte sich bei beiden Bergpreisen die maximalen zehn Punkte und da auch Neilson Powless (EF Education EasyPost) nicht mehr zu den Ausreißern gehörte, war der Lidl-Profi zu diesem Zeitpunkt erster Anwärter auf das Bergtrikot. Da das Feld allerdings seit geraumer Zeit nur 20 Sekunden hinter den Spitzenreitern lag, konnte er sich seiner Sache alles andere als sicher sein, obwohl er vorn der Beste war.
Eingangs des Col de Ramaz (1.Kat.) hatten die Ausreißer 45 Sekunden Vorsprung auf die Gruppe um das Gelbe Trikot. Ciccone und Michael Woods (Israel – Premier Tech), die am Feu schon die Besten waren, setzten sich schnell ab, konnten sich dem Willen Jumbos aber auch nicht widersetzen. Die Männer von Vingegaard erhöhten die Schlagzahl, holten die letzten Ausreißer 58 Kilometer vor dem Ziel ein und verkleinerten das Feld auf letztendlich 18 Fahrer. Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) ging es fünf Kilometer vor dem Bergpreis zu schnell, er kam nochmal wieder heran, doch 1,5 Kilometer vor der Kuppe ging er mit Pidcock erneut über Bord.
Van Aert fuhr mit seinen 17 Begleitern so schnell bergab, dass Pidcock eine halbe Minute einbüßte. Außerdem fielen Guillaume Martin (Cofidis), Gall, Simon Yates und Chris Harper (beide Jayco – AlUla) zurück. Während der Rückstand der Gruppe Pidcock immer größer wurde, kam das Quartett mit viel Kraftaufwand wieder heran. Im Col de Joux Plane (HC) zerfiel die Spitzengruppe schnell. Von den Klassementfahrern verloren Simon Yates, Gaudu und Pello Bilbao (Bahrain Victorious) den Anschluss.
5,5 Kilometer vor der Bergwertung ging es zu schnell für Gall, 200 Meter danach musste auch Hindley die anderen Fünf fahren lassen. Als Adam Yates fünf Kilometer vor der Kuppe das Tempo erhöhte, mussten Rodriguez und Kuss passen. Der Brite war mit seinem Kapitän und Vingegaard allein. Das dauerte 1,3 Kilometer, dann lancierte Pogacar seinen Angriff, mit dem er Vingegaard abschüttelte.
Mehr als zwei Kilometer betrug der Abstand der beiden immer zwischen drei und fünf Sekunden, erst 1,6 Kilometer vor der Bergwertung kam der Däne zurück ans Rad des Slowenen. Der setzte sich hinter den Mann in Gelb und trat 500 Meter vor dem Wertungsstrich an. Der Angriff wurde allerdings von einem Motorrad rüde ausgebremst. Kurz vor der Bergwertung setzte Vingegaard zum Sprint an, damit überraschte er scheinbar Pogacar, der den Sprint um die Bergpunkte und Bonussekunden verlor.
In der Abfahrt kamen Rodriguez und Adam Yates ans sich belauernde Spitzenduo heran. Der Spanier fuhr direkt weiter und setzte sich ab. Pogacar blies zur Verfolgung, konnte die Lücke aber nicht schließen. Vingegaard war zufrieden mit der Situation und beschränkte sich aufs Folgen seines Widersachers. Den Sprint gegen diesen verlor er dieses Mal aber deutlich, nachdem Rodriguez fünf Sekunden zuvor den Zielstrich überquert hatte.
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