Tour-Favoritin für Fahren hinter Teamfahrzeug bestraft

20 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt

Von Felix Mattis aus Albi

Foto zu dem Text "20 Sekunden Zeitstrafe: Vollering und SD Worx entsetzt"
Demi Vollering (SD Worx) im Ziel der 5. Etappe in Albi - noch bevor sie von ihrer Bestrafung erfahren hat. | Foto: Cor Vos

27.07.2023  |  (rsn) – Der Kampf um den Gesamtsieg bei der Tour de France Femmes, er war bislang einer um Sekunden. Lediglich deren acht hatte Demi Vollering (SD Worx) an den ersten vier Tagen mit großem Aufwand ihren ärgsten Kontrahentinnen um Titelverteidigerin Annemiek van Vleuten (Movistar) abnehmen können. Auf der 5. Etappe aber kassierte die Niederländerin nun auf einen Schlag 20 Sekunden – und zwar nicht aufgrund schlechter Beine, sondern durch eine Zeitstrafe der UCI-Jury wegen Windschattenfahrens hinter dem Teamfahrzeug.

Als sie das nach der Etappe im Interview mit dem belgischen Sender Sporza erfuhr, war die Niederländerin geschockt. "Oh, wow – okaaay…", sagte sie erst einmal und versuchte dann eine Erklärung zu finden: "Das muss gewesen sein, als ich den Reifenschaden hatte? Ich bin nur ein bisschen hinter dem Auto gefahren und dann sofort daran vorbei", meinte Vollering, um dann Teamchef Danny Stam verwundert zuzurufen: "Hey, Danny! Ich habe eine 20-Sekunden-Zeitstrafe für hinterm Auto – sehr seltsam!"

Die bis dato Bestplatzierte unter den Kandidatinnen auf den Gesamtsieg fiel durch die Zeitstrafe in Albi vom zweiten auf den siebten Gesamtplatz zurück und hat nun statt acht Sekunden Vorsprung nun zwölf Sekunden Rückstand auf Ashleigh Moolman-Pasio (AG Insurance – Soudal – Quick-Step), Kasia Niewiadoma (Canyon – SRAM), Elisa Longo Borghini (Lidl – Trek) und Annemiek van Vleuten (Movistar).

Vollering enttäuscht: "Habe schon das ganze Jahr das Gefühl…"

"Das ist sehr enttäuschend. Ich arbeite hart daran, meine Träume zu verwirklichen. Wenn so etwas passiert, macht das keinen Spaß", sagte Vollering noch und ließ sich dann noch zu einem Kommentar hinreißen, den sie aber abbrach: "Es ist komisch. Ich habe schon das ganze Jahr das Gefühl…"

Teamchef Stam wurde deutlicher: "Das ist natürlich lächerlich", kommentierte er die Bestrafung, die für das Windschattenfahren hinter einem Teamfahrzeug tatsächlich aber genauso im UCI-Reglement unter Punkt 4.7 des Strafenkatalogs steht: 50 bis 200 Schweizer Franken Strafe für die Fahrerin, Abzug von 20 Prozent der Punkte in der Punkte- sowie Bergwertung und 20 Sekunden Zeitstrafe in der Gesamtwertung. Außerdem 100 bis 500 Schweizer Franken Geldstrafe für den Fahrzeuglenker. Die Jury in Albi legte die Geldstrafen bei 100 Franken für Vollering und 200 für Stam fest.

Fahren hinter Fahrzeug grundsätzlich verboten

"Wenn man für so etwas 20 Sekunden verliert und die UCI diese Entscheidung unterstützt, dann frage ich mich, ob diese Leute in der Lage sind, ein solches Rennen zu leiten", meinte der SD-Worx-Teamchef. "Bei den Männern ist es ganz normal, dass man so zurückgebracht wird", meinte er und bemerkte: "Es gibt keine klaren Regularien."

Letzteres stimmt natürlich nicht. Das Windschattenfahren hinter den Teamfahrzeugen ist – egal ob nach Defekt oder Sturz – grundsätzlich verboten. Das Problem ist, dass Sportler und Sportdirektoren mit demselben Vergehen sehr oft unbestraft davonkommen. Wie so oft fehlt Stringenz in der Umsetzung des UCI-Reglements und so wirken Entscheidungen oft willkürlich.

Handhabung des Reglements nicht stringent

Stam kritisierte daher vor allem das im Einzelfall fehlende Fingerspitzengefühl, da die 20-Sekunden-Strafe für Vollering am Sonntag in Pau über den Tour-Sieg entscheiden könnte: "Als Chefkommissar der UCI muss man darüber nachdenken, ob sich das auf die Gesamtwertung auswirken kann. Ich hoffe, dass sie am Sonntag mit zufriedenem Gesicht in den Spiegel schauen können und dann nicht denken: Wir haben die Tour mit fünf Sekunden vermasselt."

SD Worx legte in Albi sofort Protest gegen die Bestrafung ein, der aber wurde abgewiesen. Sollte die Tour am Sonntag tatsächlich um weniger als 20 Sekunden für Vollering verloren gehen, wäre aber wohl denkbar, dass der niederländische Rennstall vor den internationalen Sportgerichtshof CAS zieht.

Wofür wurde Vollering genau bestraft?

Als die Gesamtzweite rund 65 Kilometer vor dem Etappenziel in Albi einen Hinterraddefekt hatte, fuhr sie anschließend hinter dem SD-Worx-Begleitfahrzeug, an dessen Steuer Teamchef Danny Stam saß, zurück in Richtung Peloton. Das an sich ist per UCI-Reglement verboten, wird bis zum Fahrzeugkonvoi allerdings meist von der Jury toleriert. Im Konvoi allerdings greift die Jury immer wieder mal durch – leider nicht immer konsequent, aber eben immer mal wieder.

In Vollerings Fall brachte Stam seine Fahrerin sogar bis weit vor im Konvoi und rauschte dabei übers Gras gefährlich eng am Teamwagen von Coop - Hitec Products vorbei, bevor ein Motorrad-Kommissär ihn zum Aufhören bewegte. Etwa auf Höhe des elften Teamwagens in der Fahrzeugkolonne, dem von EF Education – Tibco – SVB, tauchte der Kommissär im TV-Bild auf, bei Wagen Nr. 8, dem von DSM – firmenich, machte Stam Platz und ließ Vollering so vorbeifahren. Wie lange der Kommissär vorher schon für Stam im Rückspiegel zu sehen war, ist unklar.

Nun jedenfalls fuhr Stam hinter Vollering her, bis diese an allen anderen Teamfahrzeugen vorbei war. Dann nahm Stam seine ihm zugeordnete Position als erstes Auto im Konvoi hinter dem Jury-Präsidenten wieder ein, reichte Vollering eine Flasche aus dem Fenster und die 26-Jährige hielt sich drei Sekunden lang fest. Anschließend setzte sie sich nochmal kurz in den Windschatten des Teamfahrzeugs, was an dieser Stelle des Konvois dann aber auch wieder normal war, weil von hinten zurückkehrende Fahrer und Fahrerinnen im Konvoi immer auf der rechten Straßenseite von Auto zu Auto springen. Schlussendlich fuhr Vollering gemeinsam mit der nun wartenden Christine Majerus wieder ins Feld hinein.

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.06.2024Cofidis setzt auf erfahrenes Tour-Team inklusive Geschke

(rsn) – Die französische WorldTour-Mannschaft Cofidis präsentierte am Dienstag die ersten sechs Fahrer ihres Tour-de-France-Kaders in einer Presseaussendung und verkündete dabei auch, dass Simon

10.01.2024“Wir brauchen keine vier Soßen“: Wie Roglic Bora besser macht

(rsn) – Primoz Roglic macht Bora – hansgrohe besser. Das lässt sich schon sagen, bevor der Slowene überhaupt ein einziges Rennen gefahren ist. Während sich das erst Anfang März ändern und Rog

07.10.2023Thomas: “Ineos Grenadiers ist ein Team im Wandel“

(rsn) – Der letzte Tour-de-France-Sieg liegt schon vier Jahre zurück und vor allem daran lässt sich ablesen, dass Ineos Grenadiers längst nicht mehr das beste Grand-Tour-Team der Welt ist. Dennoc

30.07.2023Niewiadoma machte ihre Hausübungen für die Pyrenäen

(rsn) – Als am Col d‘Aspin auf der 7. Etappe der Tour de France Femmes die beiden Favoritinnen Demi Vollering (SD Worx) und Annemiek Van Vleuten (Movistar) erstmals in die Offensive gingen, konnte

27.07.2023Cofidis erfolgreich, aber Geschke “nicht so gut drauf“

(rsn) – Am Sonntag erwartete Simon Geschke (Cofidis) seine Teamkollegen in Paris zum großen Finale der 110. Tour de France, die er auf der 18. Etappe aufgrund heftiger Magenprobleme verlassen musst

26.07.2023Vingegaard euphorisch in Kopenhagen empfangen

(rsn) – Der Sieger der Tour de France, der Däne Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma), wurde am Mittwochnachmittag in Kopenhagen von mehreren 10000 Menschen empfangen. Eine große Menge versammelte si

25.07.2023Buchmann zweifelt an seinem Comeback als GC-Fahrer

(rsn) - Für einen Moment war die Hoffnung wieder da. Die Hoffnung darauf, einen Emanuel Buchmann zu sehen, wie er sich im Juli 2019 bei der Tour de France präsentiert und dabei einen sensationellen

24.07.2023Tour-Achter Gall derzeit kein Thema für Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch wenn ab August wieder Wechsel verkündet werden dürfen: Bora – hansgrohe und Felix Gall (AG2R - Citroën) werden nicht in einem Satz auftauchen. Nach der starken Vorstellung des Öst

24.07.2023Auch ohne Etappensiege imponieren Bauhaus und Zimmermann

(rsn) – Wie im Vorjahr kein Etappensieg und kein Fahrer in den vordersten Regionen des Klassements: Die Bilanz der nur sieben deutschen Starter bei der 110. Tour de France liest sich auf den ersten

24.07.2023Rückblick: Die 110. Tour de France in Zahlen

(rsn) – Drei hart umkämpfte Wochen, 21 Etappen und insgesamt 3405 Kilometer liegen hinter den Teilnehmern der diesjährigen Tour de France. Radsport-news.com blickt auf die 110. Frankreich-Rundfah

24.07.2023Pogacar vs. Vingegaard: Wer ist der beste Rundfahrer?

(rsn) – Wer ist der beste Rundfahrer der Welt? Für diesen inoffiziellen Titel kommen derzeit nur zwei Profis in Betracht: Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) und Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). D

24.07.2023Jumbo - Visma führt auch die Preisgeldliste der Tour an

(rsn) – Jumbo – Visma stellt mit Jonas Vingegaard nicht nur wie im vergangenen Jahr den Toursieger, sondern hat auch beim Preisgeld der 110. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt wieder abgeräumt. In

Weitere Radsportnachrichten

14.07.2025Highlight-Video der 10. Etappe der Tour de France 2025

(rsn) - Die erste Bergetappe der Tour de France 2025 war eine für die Ausreißer. Simon Yates (Visma - Lease a Bike) sicherte sich den Etappensieg vor Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) und Ben Healy

14.07.2025“Scheißtag“ kostet Buchmann alle Klassement-Hoffnungen bei der Tour

(rsn) – Er hatte sich die Berge so sehr gewünscht. Nun sind sie da. Aber Emanuel Buchmann ist auf der Suche nach seinen Beinen. Für den Cofidis-Kapitän war die 10. Etappe der Tour de France im Ze

14.07.2025“Healy hat die Tür zu Gelb mit beiden Füßen aufgetreten“

(rsn) – Das 43-Kilometer-Solo zum Etappensieg auf der 6. Etappe der Tour de France war eine extrem beeindruckende Leistung von Ben Healy (EF Education – EasyPost). Auf der 10. Etappe hat er sich

14.07.2025Halber Planerfolg für Visma vorm ersten Ruhetag bei der Tour

(rsn) - Kurz vor dem ersten Ruhetag setzte der niederländische Rennstall Visma - Lease a Bike ein echtes Achtungszeichen. Im Peloton der schwer Ermüdeten erwies sich Simon Yates als der noch halbweg

14.07.2025Aldag hält Podium nach erster Bergetappe weiter für realistisch

(rsn) – Betrachtet man nur die Klassement-Fahrer auf der ersten wirklich bergigen Etappe der Tour de France, dem zehnten Teilstück durch das Zentralmassiv, dann ergab sich im Ziel folgendes Ergebn

14.07.2025Schachmann: “Ich bin wie ein Schweizer Taschenmesser“

(rsn) – Die 10. Etappe der Tour de France 2025 wurde eine Beute der Ausreißer. Ben Healy (EF Education – EasyPost) bereitete seinen Begleitern den Weg, den Simon Yates (Visma – Lease a Bike) le

14.07.2025Simon Yates feiert Etappensieg im Zentralmassiv – Healy holt Gelb

(rsn) – Simon Yates (Visma – Lease a Bike) hat die 10. Etappe der Tour de France als Ausreißer über knapp 4500 Höhenmeter durch das Zentralmassiv gewonnen. Im Kampf um die Gesamtwertung erreic

14.07.2025Peter glänzt bei Tour of Austria

(rsn) - In der vergangenen Woche traten fünf deutsche KT-Teams bei zwei Rundfahrten an, die unterschiedlicher kaum hätten sein können. Während Benotti - Berthold und Run&Race – Wibatech bei der

14.07.2025Zimmermann gibt Tour auf: “Alles zusammen war zu viel“

(rsn) – Georg Zimmermann (Intermarché – Wanty) muss die Tour de France verlassen. Die Entscheidung sei am Vormittag auf dem Weg zum Start der 10. Etappe im Bus gefallen, erklärte der Deutsche Me

14.07.2025Nach Almeidas Aus fordert Gianetti 115 Prozent von seinem Team

(rsn) - Bis jetzt konnte Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) seinen Kampf ums Gelbe Trikot weitgehend im Alleingang regeln. Doch ausgerechnet vor der ersten Bergetappe von Ennezat zur Bergankunft

14.07.2025Karl Herzog hinter Teamkollege Andersen Zweiter der Valromey Tour

(rsn) – Das Juniorenteam von Red Bull, grenke - Auto Eder, hat auch die Valromey Tour, eine der wichtigsten Rundfahrten der Altersklasse, dominiert. Der Däne Noah Lindholm Möller Andersen gewann d

14.07.2025Buchmann: “Heute kommt keine Ausreißergruppe durch“

(rsn) – Emanuel Buchmann (Cofidis) hat auf der 10. Etappe im Zentralmassiv nicht unbedingt vor, einen Ausreißversuch zu starten. Das erklärte der 32-Jährige am Start der ersten Bergetappe dieser

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)