Slowene trotz Niederlage weiter brandgefährlich

Ãœberlegener Vingegaard macht Pogacars Bonussekunden vergessen

Von Felix Mattis

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Jonas Vingegaard (Jumbo - Visma) | Foto: Cor Vos

06.07.2023  |  (rsn) – Zwei Tage lang konnte man am Auftakt-Wochenende der Tour de France den Eindruck bekommen, Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) habe alles im Griff. Der Slowene ging im Baskenland in die Offensive und auch wenn Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) ihm schon dort jeweils am Hinterrad klebte, holte Pogacar 16 Sekunden Zeitgutschrift heraus und lag damit bereits elf Sekunden vor dem Titelverteidiger. Er hatte die Oberhand, bevor es am Mittwoch zum ersten Mal in die Pyrenäen und zu langen, schweren Anstiegen der Ehren- und 1. Kategorie am Col de Soudet und Col de Marie Blanque ging.

Doch auf den steilen letzten vier Kilometern vor der Kuppe des letzten Berges auf dieser 5. Etappe nach Laruns wendete sich schlagartig das Blatt. Jumbo – Visma setzte Pogacar und sein den ganzen Tag allein im Hauptfeld arbeitendes Team unter Druck, schlug ein Höllentempo an und brachte das Feld zum Explodieren. Bis dahin galt Adam Yates als der stärkste unter den Berghelfern der beiden Top-Favoriten auf den Tour-Sieg.

Plötzlich aber sorgte Sepp Kuss dafür, dass auch der Brite nicht mehr folgen konnte und nur noch Vingegaard und Pogacar an seinem Hinterrad auf die letzten zwei Kilometer des Col de Marie Blanque kamen – und dann setzte Vingegaard den ersten schweren Schlag in die Magengrube seines slowenischen Herausforderers. Der Däne attackierte und Pogacar versuchte noch nicht einmal, dem explosiven Antritt zu folgen.

"Es war nicht so schwer, Jonas war so schnell", brachte der Tour-Sieger von 2020 und 2021 auf den Punkt, was passiert war. Der 26-jährige Däne fuhr am Col de Marie Blanque schlicht in einer eigenen Liga. Das wurde nach der Etappe auch beim Blick auf die Aufstiegszeiten deutlich. Denn Pogacar fuhr die über zehn Prozent steilen letzten vier Kilometer des Col de Marie Blanque immer noch sehr gut hinauf, obwohl er zugeben musste: "Ich habe meine guten Beine vor dem Gipfel verloren."

Vingegaard am Col de Marie Blanque eine Klasse für sich, aber…

Bis auf Vingegaard nämlich war niemand in der entscheidenden Phase schneller unterwegs. Die letzten vier Kilometer zur Passhöhe absolvierte Pogacar zwar 36 Sekunden langsamer als der Däne, aber gemeinsam mit Kuss, der an seinem Hinterrad klebte, immer noch 50 Sekunden schneller als beispielsweise Etappensieger Jai Hindley (Bora – hansgrohe) oder 24 Sekunden als David Gaudu (Groupama – FDJ), Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) und Simon Yates (Jayco – AlUla) sowie Adam Yates (UAE Team Emirates), das nächstschnellste Quartett.

Auch wenn Pogacar also ausgerechnet auf derselben Etappe, auf der er vor drei Jahren seine erste Tour-Etappe gewonnen hatte, als großer Verlierer aus dem ersten Pyrenäen-Tag hervorging - gemessen an den Erwartungen - so war er auf dieser 5. Etappe trotzdem noch immer die Nummer zwei unter den Favoriten. Wichtig für ihn wird nun der Donnerstag über den Col du Tourmalet und hinauf nach Cauterets-Cambasque. Kann er die Schwäche Marie Blanque dort überwinden, ist weiterhin alles möglich für den Slowenen – auch bei nun 1:40 Minuten Rückstand aufs Gelbe Trikot und 53 Sekunden auf Vingegaard.

Ob Pogacar auf der zweiten und bereits letzten Pyrenäen-Etappe aber tatsächlich stärker ist, als 24 Stunden zuvor, das wird vor allem Vingegaard mit Sicherheit rausfinden wollen. Der Titelverteidiger dürfte die Chance wittern, das Duell mit seinem großen Herausforderer schon früh in der Tour vorzuentscheiden und daher am Donnerstag darauf brennen, noch einmal zu attackieren und das Momentum zu nutzen – auch wenn er am Mittwoch in Laruns betonte, dass er nicht auf die Anderen schaue, sondern nur auf sein eigenes Körpergefühl, wenn er darüber nachdenkt, ob er Vollgas gibt.

Pogacar ist unberechenbar: Seine Attacken drohen überall

"Ich fühlte mich heute stark und sagte zu Sepp, er solle nach vorne fahren und pushen. Das hat er gemacht, dann habe ich attackiert. Ich schaue auf mich und wenn es mir gut geht, dann attackiere ich", meinte er und warnte: "Tadej gibt nie auf. Es wird ein Kampf bis Paris."

Diese Erfahrung nämlich hat das Team Jumbo – Visma mit Pogacar schließlich bereits mehrfach gemacht – 2020 besonders schmerzhaft, als der UAE-Profi seinem Landsmann Primoz Roglic das Gelbe Trikot am vorletzten Tag noch an den Planche des Belles Filles abnahm. Doch auch 2022 ritt Pogacar nach dem Verlust des Gelben Trikots noch einige sehr unkonventionelle Attacken, selbst außerhalb des Gebirges.

Hindley eine ernsthafte Gefahr und nun nicht mehr nur Podiumskandidat

Darauf muss Vingegaard daher auch in den kommenden zweieinhalb Wochen immer gefasst sein. Auch wenn sich am Donnerstag nochmal bestätigen sollte, dass Vingegaard im Gebirge klar der Stärkste ist, so müssen er und sein Team jeden Tag damit rechnen, dass Pogacar irgendetwas probiert.

Und dabei kommt auch der neue Mann im Gelben Trikot ins Spiel. Denn wie Wout van Aert bereits warnte: "Mit Hindley in Gelb können wir nicht mehr nur auf Pogacar achten." Der Australier ist, auch wenn er wahrscheinlich weiterhin einen Tick schwächer ist als Vingegaard und Pogacar, nun eine ernsthafte Gefahr und macht das Rennen für die Gelbschwarzen noch weniger kontrollierbar – auch wenn er auf seiner Sieger-Pressekonferenz in Laruns betonte, dass sich in seinen Augen nichts an der Rollenverteilung mit Vingegaard und Pogacar als den zwei großen Top-Favoriten geändert hat.

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