Taktisch clever zum Sieg auf 8. Giro-Etappe

Mit Brändles Hilfe erwischt Dowsett den perfekten Moment

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Alex Dowsett (Israel Start-Up Nation) bejubelt seinen Sieg auf der 8. Giro-Etappe. | Foto: Cor Vos

10.10.2020  |  (rsn) - Mit einem ebenso eindrucksvollen wie cleveren Auftritt hat Alex Dowsett (Israel Start-Up Nation) auf der 8. Giro-Etappe bewiesen, dass er nicht nur in Zeitfahren erfolgreich sein kann. Der 32-jährige Brite setzte sich über 200 Kilometer von Giovinazzo als Solist durch und bescherte seinem Team nicht nur den ersten GrandTour-Sieg seiner Geschichte, sondern gewann erstmals seit neun Jahren wieder ein Straßenrennen.

Damals feierte er im August 2011 zum Abschluss der Tour International du Poitou Charentes (2.1) seinen ersten Profisieg. Danach jubelte Dowsett - mit Ausnahme der Gesamtwertung der Bayern-Rundfahrt 2015 - nur noch in seiner Spezialdisziplin, und zwar insgesamt zwölf Mal, zuletzt 2019, als er Britischer Zeitfahrmeister wurde.

“Ich hatte so ein schwieriges Jahr mit so vielen Unsicherheiten. Ich weiß noch nicht, was ich nächstes Jahr machen werde, ob ich Rennen fahren und das tun kann, was ich liebe, und wie ich Essen auf den Tisch kriege“, sprudelte es aus Dowsett nach seinem ersten Saisonerfolg heraus. “Der Sieg wird mir hoffentlich dabei helfen, das zu schaffen. So zu gewinnen ist toll. Wenn man älter wird, fragt man sich, ob das der letzte Sieg gewesen sein könnte, und man kann ihn dann wirklich genießen.“

Am achten Tag der Italien-Rundfahrt nutzte der ehemalige Stundenweltrekordler die Chance, die sich den sechs Ausreißern des Tages bot, weil die Favoriten mit Blick auf die morgige schwere Bergetappe still hielten und auch die Sprintermannschaften kein Interesse zeigten, und löste sich rund 17 Kilometer vor dem Ziel mit einer entschlossenen Attacke aus der Spitzengruppe ab, um danach seine Qualitäten als Zeitfahrspezialist auszuspielen.

Mit 1:15 Minuten Vorsprung erreichte Dowsett das Ziel vor den ersten Verfolgern, denen nur noch der Sprint um Platz zwei blieb. Den sicherte sich der Italiener Salvatore Puccio (Ineos Grenadiers) vor dem Briten Matthew Holmes (Lotto Soudal) und dem US-Amerikaner Joey Rosskopf (CCC). Dowsetts österreichischer Teamkollege Matthias Brändle, der sich zuvor in den Dienst des Etappengewinners gestellt hatte, wurde Fünfter vor dem Italiener Simone Ravanelli (Androni Giocattoli).

Erfolgsduo Dowsett/Brändle

“Wenn ich mit Matthias in der Gruppe bin, passiert immer was Gutes. Letztes Mal bei der Tour of Britain (2014) gewann er die (6.) Etappe und ich fuhr danach in Gelb“, lobte Dowsett den Vorarlberger, der sich mit seinem Teamkollegen freuen konnte. “Es war ein hoch verdienter Sieg für Alex. Er hat noch keinen Vertrag für nächstes Jahr, der Sieg wird ihm sicher helfen“, sagte Brändle und gab zu, dass der Erfolg nur durch gemeinsame Stärke zustande gekommen war, nachdem bei der ersten Überquerung einer Rampe zu Beginn der Zielrunde zunächst Puccio und Holmes gemeinsam mit Rosskopf davon gezogen waren.

“Wir waren im Anstieg die beiden Schwächsten in der Gruppe. Als wir danach zurückkamen, haben wir dann der Reihe nach attackiert. Ich habe es zuerst versucht und wurde gestellt. Dann ging Alex und er hatte den perfekten Moment erwischt. Als er solo über die Spitze des Anstieges kam, wusste ich, dass er es schaffen würde“, fügte der 31-Jährige an.

Auf den ersten Positionen der Gesamtwertung gab es keine Veränderungen. Der Portugiese Joao Almeida (Deceuninck - Quick-Step) verteidigte mühelos sein Rosa Trikot und liegt weiterhin 43 Sekunden vor dem Spanier Pello Bilbao (Bahrain - McLaren) und 48 Sekunden vor dem Niederländer Wilco Kelderman (Sunweb).

Zeitfahrweltmeister Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) bleibt im Bergtrikot, Almeida führt zudem die Nachwuchswertung an, Arnaud Démare (Groupama - FDJ) verteidigte das Maglia Ciclamino. Ineos Grenadiers löste Deceuninck - Quick-Step an der Spitze der Teamwertung ab.

So lief das Rennen:

Brändle, Dowsett, Puccio, Ravanelli, Rosskopf und Holmes bildeten bei besten äußeren Bedingungen die Gruppe des Tages, die sich nach harten Kampf auf den ersten gut 20 Kilometern bei hohem Tempo schließlich lösen konnten. Da keiner aus dem Sextett Almeidas Rosa Trikot gefährlich werden konnte, hielt das von Deceuninck - Quick-Step kontrollierte Feld die Ausreißer an der langen Leine. Die konnten sich so bis zum ersten Zwischensprint des Tages nach 90 flachen Kilometern einen Vorsprung von rund 9:30 Minuten erarbeiten. Aus dem Feld heraus sicherte sich Démare als Siebter noch zwei Punkte vor Sagan, ehe es kurz darauf in das Haupthindernis des Tages hineinging.

Auch im knapp zehn Kilometer langen und sechs Prozent steilen Anstieg zum Monte Sant' Angelo änderte sich an dieser Konstellation nichts. Holmes sicherte sich den Bergpreis der 2. Kategorie, rund neun Minuten später überquerte das Feld den Gipfel und stürzte sich in die rund 20 Kilometer lange Abfahrt, in der mit Jakob Fuglsang (Astana) einer der Favoriten durch einen Defekt plötzlich ins Hintertreffen geriet.

Trek - Segafredo übernahm die Führung im Feld und erhöhte das Tempo so stark, dass es in mehrere Teile auseinander riss und der von Fabio Felline begleitete Fuglsang bei einem Maximalrückstand von einer Minute zu kämpfen hatte, ehe er am Ende der Abfahrt gemeinsam in einer Gruppe mit Démare und Peter Sagan (Bora - hansgrohe) wieder den Anschluss fand - auch weil Vincenzo Nibalis Teamkollegen die Beine hochnahmen. Die Tempoverschärfung hatte nicht nur zu einigen Stürzen geführt - in deren Folge etwa Ben Gastauer (AG2R La Mondiale) das Rennen aufgeben musste - , sondern auch dazu, dass der Vorsprung der Ausreißer auf unter sieben Minuten sank.

Nachdem aber wieder Deceuninck - Quick-Step die Spitze des Feldes übernommen hatte, wuchs der Abstand zwischen beiden Gruppen sogar auf rund zehn Minuten an. Die zweite und letzte Bergwertung des Tages (4. Kat.) holte sich 43 Kilometer vor dem Ziel Dowsett vor Holmes, wobei der Vorsprung der Ausreißer weiter anstieg - auf fast 14 Minuten schließlich. 30 Kilometer vor dem Ziel testete Dowsett seine Konkurrenten, die sich aber nicht überraschen ließen.

Puccio, Holmes und Rosskopf verpassen die Vorentscheidung

Fünf Kilometer später setzte Puccio, der kurz zuvor den Antritt des Briten noch neutralisiert hatte, in einer Rampe zu Beginn des Rundkurses den Konter, dem nur Holmes und mit einiger Verzögerung Rosskopf folgen konnten. Knapp 20 Kilometer vor dem Ziel hatte Brändle auf einer Flachpassage seinen Teamkollegen und Ravanelli wieder an das uneinige Trio herangeführt, woraufhin wiederum Dowsett attackierte. Bei der ersten Zieldurchfahrt betrug der Vorsprung des ehemaligen Stundenweltrekordlers auf die uneinige Verfolgergruppe bereits mehr als eine halbe Minute.

Die fiel bei der zweiten Überquerung der Rampe nach erneuten Angriffen von Puccio und Holmes, denen wieder nur Rosskopf folgen konnte, zwar auseinander, doch der Rückstand auf Dowsett nahm nur unwesentlich ab. Auf den letzten zehn Kilometern konnte der Zeitfahrspezialist auf dem abschließenden Flachstück seine Stärke ausspielen und seinen Vorsprung sogar noch ausbauen. Dowsett ließ sich schließlich auch von einem über die Zielgerade streunenden Hund nicht aus dem Konzept bringen und konnte sich schon früh über den zweiten Giro-Tagessieg seiner Karriere freuen.

Rund eine Minute hinter ihm kämpften Puccio, Holmes und Rosskopf um Rang zwei, den Gannas Teamkollege schließlich knapp für sich entschied. Im Feld kam es auf dem Rundkurs zu keinen weiteren Angriffen mehr, mit genau 13:56 Minuten Rückstand auf Dowsett holte sich der Australier Michael Matthews (Sunweb) in einem nicht mit letzter Entschlossenheit gefahrenen Sprint den siebten Platz, sein Teamkollege Nico Denz wurde als bester deutscher Profi Vierzehnter.

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