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02.10.2020 | (rsn) - Von 3. bis 25. Oktober hüllt sich ganz Italien wieder in rosa. Aufgrund der Verschiebung durch die Corona-Krise hat der Giro d’Italia einen neuen Termin erhalten und findet 2020 im Herbst statt. Inwieweit die kühleren Temperaturen eine entscheidende Rolle spielen können, wird sich wohl erst in der dritten Woche zeigen. Definitiv wartet die Italien-Rundfahrt aber mit einem starken Fahrerfeld und einer schweren Route auf. Am Samstag beginnt sie in Sizilien mit einem Auftaktzeitfahren.
Nachdem Vorjahressieger Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) zuletzt bei der Tour de France im Einsatz war und später noch die Vuelta bestreitet, beginnt der Giro am Samstag ohne den Titelverteidiger. Einer der Top-Favoriten ist mit Geraint Thomas nicht nur ein Teamkollege des Ecuadorianers, sondern auch ein Fahrer, der noch nie besser als auf Rang 80 die Italien-Rundfahrt beendete.
Doch der Waliser präsentierte sich zuletzt bei Tirreno-Adriatico und den Weltmeisterschaften in guter Form: "Ich bin aufgeregt, weiß aber auch, dass ich Ruhe bewahren muss. Wir haben sicherlich eines der stärksten Teams hier und ich freue mich auf drei harte Rennwochen", sagte er vor dem Grande Partenza.
Der Favorit der Italiener ist wieder einmal Vincenzo Nibali. 2013 und 2016 hat der Sizilianer den Giro gewonnen, und der Auftakt erfolgt 2020 ausgerechnet in seiner Heimat. Seit seinem Etappensieg bei der Tour de France 2019 ist Nibali sieglos. Der Kapitän von Trek-Segafredo kann sich aber der vollen Unterstützung seiner Mannschaft und jener der italienischen Tifosi sicher sein.
"Ich bin bereit für den Giro, will aber keine Prognosen abgeben. Es gibt viele starke Fahrer, welche versuchen werden, in Mailand auf dem Podium zu stehen. Thomas ist stark im Zeitfahren, aber mit (Jakob) Fuglsang, (Simon) Yates und (Steven) Kruiswijk gibt es noch weitere Favoriten auf den Gesamtsieg", blickte der Italiener auf die Konkurrenz.
Der Däne Jakob Fuglsang wird das Team Astana in die zweite dreiwöchige Landesrundfahrt des Jahres führen. In den letzten Jahren gehörte er zu den absoluten Topfahrern des Pelotons, hatte aber oft Pech bei den Grand Tours. "Ich bin hier um zu gewinnen. Meine Form ist gut, aber ich fürchte mich ein wenig vor der ersten Woche, die hier extrem wichtig sein wird", erklärte der 35-Jährige, der vom Russen Alexander Vlasov und Toursechsten Miguel Angel Lopez starke Unterstützung erhält.
Auch Simon Yates (Mitchelton – Scott) kennt wie Thomas und Nibali das Gefühl, eine Grand Tour zu gewinnen. 2018 war er Sieger der Vuelta a Espana, und er hat bei allen drei großen Landesrundfahrten schon Etappen gewonnen. Als Gewinner von Tirreno-Adriatico kann er mit breiter Brust nach Sizilien anreisen. "Es bedeutet nicht, dass ich der Favorit bin. Aber ich werde mein Bestes geben. Ich habe gelernt, dass man ruhig sein muss in diesem Rennen, aber es wird hart von Beginn an und es warten schon schwere Etappen auf Sizilien", so der Brite.
Vier Österreicher, Fünf Deutsche und drei Schweizer im Starterfeld
Eigentlich hätte Steven Kruijswijk (Jumbo – Visma) zu den Edelhelfern von Primoz Roglic bei der Tour de France zählen sollen. Doch ein Sturz beim Criterium du Dauphiné kostete ihn seinen Platz im niederländischen Team. "Ich habe gute und schlechte Erinnerungen an den Giro, speziell 2016", erzählte der Niederländer, der damals das Rosa Trikot trug, es aber nach einem Sturz in der Abfahrt vom Colle dell‘Agnello abgeben musste.
Weitere Aspiranten auf eine Top Ten-Platzierung am Ende der Rundfahrt sind der Norweger Carl Fredrik Hagen (Lotto Soudal), der Russe Ilnur Zakarin (CCC), der Südafrikaner Louis Meintjens sowie dessen australischer Teamkollege Ben O’Connor, der Niederländer und kommende Bora-Neuzugang Wilco Keldermann (Sunweb), der Italiener Diego Ulissi (UAE Team Emirates) sowie das Duo Rafal Majka und Patrick Konrad von Bora – hansgrohe.
Der Österreicher führt ein rot-weiß-rotes Quartett an, welches die Italien-Rundfahrt bestreitet. Neben dem dreifachen Giro-Teilnehmer Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation) geben der Kletterer Hermann Pernsteiner (Bahrain – McLaren) und Neo-Profi Patrick Gamper (Bora – hansgrohe) ihr Debüt. Mit Marco Mathis (Cofidis), Rick Zabel (Israel Start-Up Nation), Nico Denz (Sunweb), Christoph Pfingsten und Tony Martin (beide Jumbo – Visma) stehen fünf Deutsche in der Startliste. Die Schweiz wird durch Simon Pellaud (Androni Giocattoli – Sidermec), Kilian Frankiny (Groupama – FDJ) sowie Danilo Wyss (NTT) vertreten und die Farben von Luxemburg vertritt Ben Gastauer (AG2R – La Mondiale).
Gelingt Sagan beim Debüt der noch fehlende Grand-Tour-Etappensieg?
Das Feld der Sprinter wird angeführt von Peter Sagan (Bora – hansgrohe), der im zarten Alter von 30 Jahren sein Giro-Debüt gibt, weil er im Mai bisher immer für seine Rad-Sponsoren Cannondale und Specialized bei der Kalifornien-Rundfahrt fuhr. Er wird sich im Kampf um das Maglia Ciclamino unter anderem mit Elia Viviani (Cofidis), Arnaud Demare (Groupama – FDJ), Fernando Gaviria (UAE Team Emirates) und Michael Matthews (Sunweb) auseinandersetzen müssen.
"Der Giro war mein großes Ziel in diesem Jahr und hoffentlich kann ich ein paar Etappen gewinnen. Das wäre großartig", erklärte der dreifache Straßenweltmeister, der mit einem Tagessieg in die illustre Gruppe jener Fahrer Aufnahme fände, die bei allen drei Grand Tours Etappenerfolge landen konnten.
Eigentlich hätte die 103. Austragung des Giro in Ungarn beginnen sollen. Doch nach der Verschiebung in den Herbst und der Absage durch die ungarischen Ausrichter des Grande Partenza geht die neue Route des Giro von Süden in den Norden, den gesamten Stiefel entlang. Der Auftakt findet nun auf Sizilien statt, das Zeitfahren von Monreale, wo es zuerst zur Kathedrale hochgeht, ehe eine längere Abfahrt nach Palermo folgt, ist eine von drei neuen Etappen im Programm. Nach 15,1 Kilometern wird dann der schnellste Fahrer das erste Mal das Maglia Rosa in der sizilianischen Hauptstadt überstreifen.
Ob er dieses auch behalten wird, zeigt sich dann schon am zweiten Tag, wo in Agrigento, dem ehemaligen Austragungsort der Straßenweltmeisterschaften, eine erste kleine Bergaufankunft wartet. Denn das Finale ist oben beim berühmten Concordia-Tempel angesiedelt, und die letzten 3,7 Kilometer sind ansteigend. Am dritten Tag wartet dann die erste große Herausforderung auf die Gesamtwertungs-Favoriten mit der Bergankunft am Vulkanriesen Ätna.
An der Adria entlang in Richtung Norden
Auch die vierte Etappe ist noch auf Sizilien angesiedelt, es geht langsam in Richtung des Festlandes und der Apennin-Halbinsel. Eigentlich wartet hier die erste reine Sprintankunft der Rundfahrt, allerdings sollten sich die schnellen Männer vor dem 1.124 Meter hohen Portella Mandrazzi in Acht nehmen, der zur Mitte der mit 140 Kilometern recht kurzen Etappe erklommen wird. Ab dem fünfen Tag geht es dann immer weiter nordwärts. Von Kalabrien geht es über Basilikata nach Apulien ans Meer, bis in der alten Hafenstadt Brindisi die Adriaküste erstmals erreicht wird. Die zweite Rennwoche steht nämlich im Zeichen des Meeres, denn bis in den Norden rauf führt der Giro 2020 immer am Meer entlang.
Eine Ausnahme bildet die dritte neue Etappe, wo es durch die Abruzzen und den Nationalpark Majella geht. Für die schönen Landschaftseindrücke in dieser atemberaubenden Region werden die Fahrer wenig Zeit haben, denn im Skigebiet Roccaraso wartet die nächste Bergankunft, ehe es wieder zurück ans Mittelmeer geht. Ein weiterer wichtiger Tag im Hinblick auf das Gesamtklassement könnte jener werden, der rund um die Heimat von Marco Pantani führt. Ein wenig südlicher vom WM-Ort Imola gelegen, ist Cesenatico ein beliebtes Frühjahresziel für begeisterte Radsportler. Am Meer eingebettet ist aber nur der Start- und Zielort, im Hinterland warten steile und schwierige Hügel, und die 12. Etappe ist gespickt mit diesen.
Genussvolle Startorte und beinharte Kletterpartien im Finale
Nach einem flacheren Abschnitt beginnt das Ende der zweiten Woche mit einem Einzelzeitfahren durch die Weinregion von Valdobbiadene. Von dort aus geht es ins Friaul weiter, mit einer Bergankunft in Piancavallo. Die Übersetzung des Namens des Skiortes bedeutet übrigens Lahmer Gaul. Ein solcher sollte man an diesem Tag nicht sein, will man auch in der dritten Woche noch um das Gesamtklassement mitreden. Denn nach einem noch gemütlicheren Einrollen von Udine nach San Daniele, in die Heimat des berühmten Rohschinkens, warten die schweren Alpenetappen, die die Vorentscheidung im Kampf um das Maglia Rosa bringen werden.
Die 17. Etappe führt von Bassano del Grappa nach Madonna di Campiglio über das Forcella Valbona und den Monte Bondone. Auch der Schlussanstieg in den mondänen Skiort wird es in sich haben. Die nächsten beiden Bergetappen werden vor allem witterungsbedingt interessant. Denn im späten Oktober wird es über 2.000 Meter zum einen sehr kalt werden, und zum anderen sehr schneegefährdet.
Die 18. Etappe führt über das Stilfserjoch. Als wäre diese Herausforderung noch nicht genug, zweigt man vor Livigno noch rechts ab und lässt den Abschnitt bei den Laghi di Cancano enden. Dort hinauf führt eine kleine, mit etlichen kurz aufeinander folgenden Kehren gespickte, Straße und das Finale führt dann noch über eine Schotterpassage. Am Tag darauf wartet eine Verbindungsetappe von Morbegno nach Asti, der letzte Tag für die Sprinter im Feld.
Es folgt dann die Königsetappe von Alba nach Sestriere, wo der Giro über den Colle dell‘ Agnello seinen einzigen Auslandsabstecher nach Frankreich macht. Über den Izoard und den Montgenèvre geht es zurück nach Italien und von der ehemaligen Olympiabobbahn in Cesana Torinese beginnt dann der Schlussanstieg nach Sestrieres. Inwieweit diese Etappe bei möglichem Schlechtwetter durchführbar ist, ist äußerst fraglich. Fakt ist, dass auch danach die Entscheidung in der Gesamtwertung noch nicht gefallen sein muss, denn klassischerweise endet der Giro mit einem abschließenden Zeitfahren. So ist das auch 2020 der Fall und das Grande Finale steigt nach 16 Kilometern wieder vor dem Mailänder Dom.
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