Müllers Ronda-Filippinas-Tagebuch

Akklimatisierung mit der Holzhammermethode

Von Robert Müller

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Robert Müller | Foto: Robert Müller

07.02.2019  |  (rsn) - Hallo aus Iloilo, Panay, Philippinen! In diesem Tagebuch werde ich euch in den nächsten Tagen von meinen Erlebnissen bei der Ronda Filipinas, der ersten von drei 2.2.-UCI-Rundfahrten auf den Philippinen und zugleich der wichtigsten, berichten. Das Rennen findet bereits zum neunten Mal statt, jedoch erstmals als Teil des UCI-Asia-Kalenders.

Es führt über fünf Etappen und 770 Kilometer auf den Inseln Panay, Guimaras und Boracay. Am Start sind 15 Teams zu je sechs Fahrern, darunter zwei - 7-Eleven und Go for Gold - einheimische Mannschaften. Das stärkste einheimische Team ist jedoch das aus Berufssoldaten bestehende Navy-Team, die auch die Topfavoriten auf den Gesamtsieg sind. Daneben gibt es nocheine Mannschaft der philippinischen Army und das Navyteam aus Sri Lanka.

Ich fahre hier für das NEX Cycling Team aus Singapur und meine Kollegen sind ein Holländer, der in Spanien lebt, ein Spanier, der auf den Philippinen lebt, ein Russe, der in Thailand lebt, ein Indonesier und tatsächlich ein Fahrer aus Singapur. Wir sind also eine bunt gemischte internationale Truppe und die Hälfte meiner Teamkollegen kenne ich noch nicht wirklich. Aber wenn man Bock auf so eine Rundfahrt hat, was uns ja alle verbindet, versteht man sich eigentlich gleich auf Anhieb. Mittlerweile kenne ich auch viele Fahrer anderer Teams, denn die Radsportszene in Südostasien ist überschaubar. Als einer von nur einer Handvoll Europäern am Start falle ich allerdings auch etwas mehr auf.

30 Grad und Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent

Ab morgen geht dann auch mein aktuelles Experiment in die finale Phase. Die Fragestellung dabei lautet: Ist Skilanglauftraining im Skating-Stil eine gute Vorbereitung für eine UCI-Rundfahrt in den Tropen? In diesem Jahr habe ich bisher mehr Zeit auf Skiern als auf dem Rad verbracht, knapp 50 Stunden und etwas mehr als 700 Kilometer war ich in den heimischen verschneiten Wäldern unterwegs. Oft bei schwierigen Bedingungen und mit nicht oder schlecht gewachsten Skiern und immer bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts. Die Sonne habe ich dabei nur zweimal kurz gesehen, sonst war es grau und oft auch neblig. Nun erwarten mich Temperaturen von über 30 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent.

Im Prinzip gibt es zwei Methoden, um mit so einem krassen Klimaumschwung und der Zeitverschiebung, die bei + sieben Stunden liegt, fertig zu werden. Bei der vernünftigen Methode reist man einige Tage vorher an und versucht sich dann schrittweise an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Ich habe mich diesmal jedoch für die Holzhammermethode entschieden. Das bedeutet, dass ich erst heute, einen Tag vor Beginn der Rundfahrt, nach einer zweitägigen Reise vor Ort angekommen bin und keine Zeit habe, um mich zu akklimatisieren. Stattdessen stelle ich meinen Körper einfach vor vollendete Tatsachen und brate ihm damit richtig eins über. Dabei ist es leider nicht gerade hilfreich, dass morgen mit 210 Kilometern gleich die längste Etappe ansteht.

Nachdem ich heute morgen um 5 Uhr endlich im Teamhotel angekommen war, holte ich etwas Schlaf nach, frühstückte und baute dann mein Rad zusammen, was bei mir immer etwas länger dauert. Um mir die Extrakosten für das Radgepäck zu sparen, packe ich es nämlich stets in einen kleinen Karton, den ich mir so zurecht gebastelt habe, dass er genau das maximal erlaubte Gurtmaß praktisch aller Airlines erfüllt. Dadurch kann ich das Rad als normales Gepäckstück einchecken, muss es allerdings auch komplett zerlegen. Der Mehraufwand ist mir das gesparte Geld bei meinen häufigen Reisen aber wert und ohne eine große Radtasche oder gar einen Radkoffer bin ich außerdem viel mobiler unterwegs.

Kein Anti-Doping-, sondern ein Drogentest

Nach einer kleinen Ausfahrt mit meinen Teamkollegen und dem Mittagessen wollte ich eigentlich einen Mittagsschlaf halten, doch es kam unerwartet etwas dazwischen. Jeder Fahrer musste nämlich zu einem medizinischen Checkup, der aus Blutdruck und Puls messen sowie Herz und Lunge abhören bestand, erscheinen. Doch damit war es noch nicht getan, denn es stand auch noch für jeden ein Drogentest an. Kein Anti-Dopingtest, sondern wirklich ein Drogentest! Dafür musste man unter Aufsicht in einen kleinen Plastikbecher pinkeln und dann wurde sofort etwas Urin auf einen Teststreifen geträufelt und nach fünf Minuten war das Ergebnis da. Ich möchte lieber nicht wissen, was bei einem positiven Ergebnis passiert wäre, denn die philippinische Regierung fährt einen sehr harten Anti-Drogen-Kurs, den "Philippine Drug War“. Der philippinische Präsident Duterte hat sogar die Bevölkerung dazu aufgerufen, mutmaßliche Drogendealer und -Junkies sofort umzubringen.

Das ganze Prozedere zog sich wie erwartet in die Länge und dann war es auch schon an der Zeit, mit den Teamautos zur großen Eröffnungsfeier aufzubrechen. Diese begann mit einem Gebet, ungefähr dem Vater-Unser, allerdings auf das Rennen adaptiert, und der Nationalhymne. Im Anschluss wurden pathetische Trailer zur Rundfahrt abgespielt und von jedem Team ein in den letzten Tagen geschnittener Videoclip gezeigt und dann alle Fahrer auf der Bühne vorgestellt. Als letztes wurden noch die vier "Ronda-Girls“ vorgestellt, die bei einem Casting ausgewählt wurden und das Rennen bereichern sollen.Mein spanischer Teamkollege Edgar war von ihnen allerdings nicht so angetan und meinte, das Niveau hätte gelitten und in der Vergangenheit seien es Topmodels gewesen.

Nun wurde also endlich das große Buffet eröffnet und der ganze Rundfahrttross stürzte sich wie ausgehungerte Geier darauf, aber zum Glück war genug für alle da. Die Stimmung war ausgelassen und das Ambiente glich einer noblen Gartenparty mit den bunten Lichterketten überall an einem sehr warmen Abend. Insgesamt war es eine sehr schöne Eröffnungsfeier und das einzige, was ich vermisst habe, war der Rundfahrtsong, den es bei den Rennen in Südostasien normalerweise gibt. Dafür gab es allerdings gleich zwei schöne Rundfahrtshirts.

Für die einheimischen Fahrer das Highlight des Jahres

Für die einheimischen Fahrer ist diese Rundfahrt das Highlight des Jahres, es geht auch um die Qualifikation für die Asienspiele und Olympia. Sie sind in Topform und fahren schon seit Tagen die Etappen ab, einige Teams sind sogar schon länger als eine Woche hier vor Ort. Dementsprechend wird es morgen von Beginn an ein Feuerwerk von Attacken geben, das über die gesamte Etappe anhalten dürfte.

Die Filipinos fahren sehr aggressiv, oft auch ohne Sinn und Verstand, und ihre Taktik, sofern sie überhaupt eine haben abgesehen von attackieren auf Teufel komm raus, ist meist nur schwer zu durchschauen. Dazu kommt noch, dass die Teamwertung hier fast wichtiger als der Gesamteinzelsieg ist, was jedoch kurioserweise Teamkollegen, die sich nicht ganz grün sind, nicht davon abhält, sich manchmal auch gegenseitig hinterher zu fahren.

Unsere Mannschaft hat beschlossen, erstmal Ruhe zu bewahre, die Anderen sich zunächst ihre Hörner abstoßen zu lassen und darauf zu hoffen, dass die 210 Kilometern bei Hitze und zu erwartendem Wind dann am Ende ihre Spuren hinterlassen. Das könnte bei mir natürlich auch geschehen, denn ich bin dieses Jahr noch nicht einmal annähernd so viel gefahren.

Ich freue mich jedenfalls drauf und bin sehr gespannt, wie ich mit all dem zurecht komme und würde sagen, von einem totalen Fiasko bis hin zum Etappensieg ist alles möglich. Der worst case ist bei einer Karrenzzeit von 25 Prozent, also deutlich über eine Stunde, allerdings sehr unwahrscheinlich.

Morgen gleiche Stelle, gleiche Welle

Gez. Sportfreund Radbert

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