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08.03.2018 | (rsn) - Manchmal ist Radsport ungerecht. Nils Politt (Katusha-Alpecin) hätte auf der 5. Etappe von Paris-Nizza beinahe den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert, doch am Ende des 163,5 Kilometer langen Teilstücks durch die Provence wurde der Hürther zum Opfer der schon vor zwei Tagen erfolgreichen Taktik des Teams Direct Energie: erst am Hinterrad des Ausreißer-Kollegen kleben, dann auf der Zielgeraden eiskalt vorbeisprinten.
Wie Jonathan Hivert in Chatel-Guyon am Dienstag, so machte es sein Teamkollege Jerome Cousin nun in Sisteron. Und Politt blieb mit enttäuschtem Kopfschütteln nur der zweite Rang, nachdem er auf den letzten acht Kilometern beinahe die gesamte Arbeit an der Spitze allein gemacht hatte.
"Der zweite Platz, damit kann ich glücklich sein", versuchte sich Politt in der Pressemitteilung seines Teams in Diplomatie und legte seinen Fokus auf die positiven Dinge: "Hier sind wirklich starke Fahrer unterwegs und ich denke meine Form für die Klassiker kommt." Trotzdem war dem 24-Jährigen sein Frust während des Rennens und auch bei der Zieldurchfahrt deutlich anzusehen. "Ich habe mich während der gesamten Etappe wirklich gut gefühlt und dann vor dem letzten Anstieg angegriffen. Dann kam der Kerl von Direct Energie zu mir vor, aber er wollte nicht arbeiten. Er blieb ständig an meinem Hinterrad", schilderte er das Etappenfinale.
Und Cousin? Der jubelte beim Überqueren der Ziellinie ausgiebig über seinen ersten WorldTour-Sieg. "Ich arbeite über das Jahr viel und wurde in ähnlichen Umständen schon oft geschlagen, so dass ich diesmal entschied, es einmal anders zu machen, um zu sehen, ob es klappt. Ich habe diesen Sieg nicht gestohlen", sagte der 28-Jährige im Siegerinterview und sprach auch von Krämpfen, unter denen er im Etappenfinale gelitten habe. Einen letzten Antritt Politts 1,6 Kilometer vor dem Ziel konnte Cousin dennoch parieren. "Als ich sah, dass der Sieg möglich war, habe ich alles gegeben, um dem Katusha-Fahrer hinterherzufahren und habe dann etwas mit seinen Eiern gespielt. So habe ich gewonnen."
Politt und Cousin hatten sich auf der 19 Kilometer langen Schlussrunde um Sisteron und über die Cote de la Marquise (3. Kat.) in dieser Reihenfolge aus einer ursprünglich vierköpfigen Ausreißergruppe abgesetzt. Zunächst attackierte Politt vor dem Anstieg und fuhr allein davon, dann schloss Cousin kurz vor dem Bergpreis zu ihm auf, holte sich die Punkte und somit das Bergtrikot. Die letzten 13 Kilometer des Tages absolvierten sie gemeinsam.
Dabei stellte Cousin die Mitarbeit rund acht Kilometer vor dem Ziel praktisch ein, ging nur noch vereinzelt und kurzzeitig mit durch die Führung, während sich die Verfolger gefährlich näherten - acht Kilometer vor dem Ziel war das Peloton noch 40 Sekunden zurück, drei Kilometer vor dem Ziel 35 und den Zielstrich erreichte André Greipel (Lotto Soudal) als Tagesdritter und Sieger des Sprints im Hauptfeld ganze vier Sekunden nach Cousin.
"Im letzten Jahr habe ich nur 30 Renntage absolviert. Das ist ein tolles Comeback", sagte der Tagessieger und erinnerte auch dabei an seinen Teamkollegen Hivert, der in Chatel-Guyon siegte, nachdem er in den vergangenen Jahren Knieprobleme hatte und operiert werden musste. Eigentlich waren Cousin und Hivert zu Paris-Nizza gereist, um Lilian Calmejane dabei zu unterstützen, in die Top-10-Ergebnis der Gesamtwertung zu fahren. Nun haben die beiden Franzosen ihr Team mit zwei Tageserfolgen ins Rampenlicht gebracht und Cousin wird am Freitag im Bergtrikot an den Start gehen.
Cousin, Politt, Nicolas Edet (Cofidis) und Julien El Fares (Delko Marseille Provence KTM) hatten die Gruppe des Tages gebildet und zwischenzeitlich bis zu viereinhalb Minuten Vorsprung herausgefahren. Dabei gewann Cousin alle Bergwertungen und Politt verlor im längsten Anstieg des Tages zum Col de Lagarde d'Apt (1. Kat.) nach rund 85 Kilometern gemeinsam mit El Fares den Kontakt zu den beiden Franzosen. Sie kamen einige Kilometer nach der Bergwertung wieder zu ihren beiden Begleitern nach vorn.
Bis 16 Kilometer vor dem Ziel, als das Hauptfeld noch rund zwei Minuten zurück lag, blieb das Quartett beisammen. Dann attackierte Politt kurz vor dem Anstieg zur Cote de la Marquise im Wissen, dass er es aufgrund seines Gewichts gegen die leichteren Franzosen dort schwer haben würde. Die Taktik ging auf, und er wurde erst wenige Meter vor dem letzten Bergpreis des Tages von Cousin eingeholt. Doch im Finale zog Politt mit seinem Kampfgeist gegen die Arbeitsverweigerungs-Taktik seines französischen Begleiters den Kürzeren.
Mehrfach beschwerte sich der Deutsche lautstark, dass Cousin ihm nicht bei der Führungsarbeit half, und nahm zwei Kilometer vor dem Ziel sogar kurz die Beine hoch, um den Franzosen zur Mitarbeit zu zwingen. Doch es half alles nichts. 1,6 Kilometer vor dem Ziel versuchte Politt daher, den Franzosen noch mit einer letzten Attacke abzuschütteln, doch der blieb dran. Auch danach musste Politt alles von vorne fahren, um nicht vom heranjagenden Feld eingeholt zu werden. Doch als der Deutsche 250 Meter vor dem Ziel den Sprint anzog, beschleunigte auch Cousin aus dem Windschatten heraus, fuhr vorbei und jubelte schließlich ausgelassen über den Sieg.
"Am Ende entschied ich, dass es besser war, den zweiten Platz mitzunehmen, als mit nichts heim zu gehen. Deshalb habe ich nochmal attackiert. Ich wusste auch, dass er schnell sein würde und wollte daher einen Sprint vermeiden", so Politt zu den letzten beiden Kilometern.
Während Cousin das Bergtrikot von seinem Landsmann Pierre-Luc Perichon (Fortuneo-Samsic) übernahm, verteidigte Arnaud Démare (Groupama-FDJ) als Etappen-20. seine Führung in der Punktewertung und Marc Soler (Movistar) das Weiße Trikot des besten Jungprofis. Auch in der Gesamtwertung gab es in den Top 20 keine Veränderungen. Luis Leon Sanchez (Astana) führt vor den kommenden drei Bergetappen weiterhin mit 15 Sekunden vor Wout Poels (Sky) und 26 Sekunden vor Julian Alaphilippe (Quick-Step Floors).
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