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30.03.2014 | (rsn) – Gegensätzlicher hätten die Bilder nicht sein können. Als John Degenkolb (Giant-Shimano) bei der 76. Auflage von 76. Gent-Wevelgem (1.UWT) am Sonntagnachmittag als Erster vor dem Franzosen Arnaud Démare (FDJ.fr) und Titelverteidiger Peter Sagan (Cannondale) aus der Slowakei über den Zielstrich jagte und den „nächsten Schritt“ in seiner Karriere vollziehen konnte, kannte der Jubel im Begleitfahrzeug seines Teams keine Grenzen.
Die live aufgenommenen TV-Bilder zeigten einen jubelnden Sportlichen Leiter Aike Visbeek, der außer sich war vor Freude. Dagegen saß im Lotto Belisol-Wagen ein sichtlich mitgenommener André Greipel (Lotto Belisol), der das Finale mit einem Fluch kommentierte – sicher nicht, weil er Degenkolb den Sieg nicht gönnen würde, sondern weil er acht Kilometer vor dem Ziel in einem Massensturz zu Boden gegangen war und sich dabei „wahrscheinlich einen Schlüsselbeinbruch“ zugezogen hatte, wie Lotto Belisol auf Twitter meldete.
„Die Beine waren gut, das Team war gut – aber dann war da dieses Rennrad – keine Chance einem freien Flug zu entgegen. Glückwünsche an John Degenkolb“, meldete sich Greipel am frühen Abend auf Twitter.
Die Glückwünsche an Degenkolb waren berechtigt, denn der Frankfurter zeigte sich nach der Enttäuschung von Mailand-San Remo und dem eher mittelprächtigen 15. Platz beim E3 Prijs am Freitag heute bei der 233 Kilometer langen Jagd durch Flandern in herausragender Verfassung und warf Kusshände in die Menge, als er seinen nächsten Sieg bei einem großen Eintagesrennen feierte.
„Das ist einer der wirklich großen Klassiker und ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Sieg geholt habe”, sagte der 25-Jährige, der als erster Deutscher seit Marcus Burghardt 2007 in Wevelgem die Nase vorn hatte und die Bedeutung dieses Erfolgs ganz hoch einordnete. „Ich habe in Hamburg gewonnen und das ist ein WorldTour-Rennen, aber bei allem Respekt, das hier ist ein wirklich großes, großes Rennen. Toll, dass ich es gewinnen konnte.“
Ganz ähnlich äußerte sich Degenkolbs Sportlicher Leiter Aike Visbeek. „Wir haben uns lange Zeit auf die Klassiker vorbereitet und viel harte Arbeit investiert. Das hier ist ein wirklich großes Rennen und der Sieg ist die großartige Belohnung für all unsere Anstrengungen”, meinte der Niederländer.
Dabei sah es im Finale zunächst so aus, als würden sich die Sprinterteams verspekulieren. Denn gut 20 Kilometer vor dem Ziel – als die neun Hellinge längst hinter den Fahrern lagen – gingen der Belgische Meister Stijn Devolder (Trek), der Costa Ricaner Andrey Amador (Movistar) und der Schweizer Silvan Dillier (BMC) in die Offensive. Das Trio löste sich aus der zu diesem Zeitpunkt noch rund 80 Fahrer starken Spitzengruppe und fuhr sich einen Vorsprung von mehr als einer halben Minute heraus.
Doch just in dem Moment, als acht Kilometer vor dem Ziel ein weiterer in einer ganzen Reihe von Stürzen das Feld endgültig aus dem Tritt zu bringen schien, zeigte die Jagd Erfolg – auf die letzten drei Kilometer nahmen die Ausreißer nur noch zehn Sekunden Vorsprung mit und als es auf den letzten Kilometer ging, waren Devolder, Amador und Dillier gestellt.
In dem nun folgenden wilden Sprint gingen unter anderem auch zwei NetApp-Endura-Fahrer zu Boden, doch die ersten Fahrer bekamen davon nichts mit. Sagan trat als erster an, doch der 24-Jährige hatte seine Rechnung ohne Degenkolb gemacht, der sich an das Hinterrad des Favoriten geklemmt hatte und von dort aus zum Sieg sprintete. Sagan, der zu früh im Wind stand, musste nicht nur den Deutschen, sondern auch noch Démare passieren lassen.
Eine Sprintankunft verhindern wollten bei frühlingshaften Bedingungen nicht nur Devolder, Amador und Dillier, sondern zuvor bereits Manuele Boaro (Tinkoff-Saxo), Sebastian Lander (BMC) Marcel Aregger (IAM), Jacobus Venter (MTN-Qhubeka) und Frederik Veuchelen (Wanty-Groupe Gobert). Die Fünf rissen kurz nach dem Start aus und erarbeiteten sich einen maximalen Vorsprung von zehn Minuten.
Angeführt von FDJ.fr, Katusha, Garmin-Sharp und Omega Pharma-Quick-Step reduzierte das Feld vor allem in der mittleren Rennphase, in der auch die neun Anstiege bewältigt werden musste, den Rückstand deutlich. Bei der ersten von zwei Überquerungen des Kemmelberg hatte Fabian Cancellara (Trek) die Initiative ergriffen, doch in der Abfahrt konnten viele Fahrer die Lücke zu Schweizer und den anderen Favoriten wie Tom Boonen (Omega Pharma-Quick Step) schließen. Der Belgier, selber dreifacher Gent-Wevelgem-Gewinner, wurde am Ende Fünfter hinter seinem Landsmann Sep Vanmarcke (Belkin).
Auch die Spitzengruppe fiel im berühmtesten Anstieg von Gent-Wevelgem zwischenzeitlich auseinander, nachdem Boaro attackiert hatte. Kurz vor dem Baneberg drückte der Italiener wieder aufs Tempo an und kam diesmal weg. Zu diesem Zeitpunkt war mit dem Dänen Lander der erste der Ausreißer bereits zurück gefallen und im Feld übernahmen nun auch Mannschaften wie Cannondale, IAM oder Cofidis die Tempoarbeit.
Bei der zweiten Kemmelberg-Passage machten die Favoriten erneut ernst, wodurch sich die Gruppe auf rund 40 Fahrer halbiert – doch eine entscheidende Selektion gelangen Cancellara & Co. auch diesmal nicht, zu den Sprintern, die mit über den Kemmelberg kamen, zählten nicht nur Degenkolb und Greipel, sondern auch Tyler Farrar (Garmin-Sharp), der allerdings ebenfalls bei dem Sturz auf den letzten acht Kilometern alle Chancen einbüßte.
Und auch am Monteberg, dem nur 1000 Meter langen, aber 13 Prozent steilen letzten Helling des Tages, konnte sich kein Fahrer entscheidend absetzen. Boaro war eingeholt und Omega Pharma-Quick-Step übernahm die Führungsarbeit – bis Devolder die Initiative ergriff und mit Amador und Dillier das dramatische Finale einläutete.
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