RSNplusVuelta von Protesten gestoppt

Der Krieg und der Radsport

Von Tom Mustroph aus Bilbao

Foto zu dem Text "Der Krieg und der Radsport"
Polizeiaufgebot im Ziel der 11. Vuelta-Etappe | Foto: Cor Vos

03.09.2025  |  (rsn) - Das Baskenland hat eine lange Tradition als Protestregion. Deshalb verwunderte es nicht, dass die 11. Etappe der Vuelta a Espana in einem Meer aus Palästina-Fahnen förmlich unterging. Die letzten 500 Meter in der Etappenstadt Bilbao waren beflaggt, als stünde ein Staatsbesuch des von den Toten wieder auferstandenen Yassir Arafat an.

Es war aber der Zorn auf den Krieg in Gaza, der Tausende Menschen an die Straße gebracht hatte. Er ließ sie Slogans wie “Israel – Genozid“ skandieren. Und wer die üblichen Klatschpappen der Radsportsponsoren erwischt hatte, nutzte sie jetzt, um die Sprechchöre rhythmisch zu unterstützen. Mehrfach hatte es im Verlauf der 11. Etappe Unterbrechungen wegen Protesten gegen die Teilnahme von Israel - Premier Tech bei dieser Rundfahrt gegeben. Rennstall-Gründer Sylvan Adams sieht sich selbst und auch das Team seit Jahren als Botschafter Israels. Daher war die Mobilisierung nachvollziehbar. 

___STEADY_PAYWALL___Am dichtesten standen die Protestierer im Zielbereich. Bereits bei der ersten Durchfahrt wurde es aufgrund der Menschenmassen eng für die Fahrer. “Wir sahen da schon, dass die Demonstranten auf die Straße wollten. Die Polizei hat das aber verhindert“, erzählte später Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike). Der Däne wirkte verärgert, dass er seinen Sport nicht wie gewohnt betreiben konnte. Er hätte an dem Tag gern für seinen Sohn gewinnen wollen, teilte der Mann im Roten Trikot mit. Das wirkte angesichts der Anliegen der Kriegsgegner ein wenig abgehoben.

Hier herrschte noch baskische Radsportbegeisterung: Szene der 11. Vuelta-Etappe | Foto: Cor Vos

Aber es prallten eben auch sehr unterschiedliche Welten aufeinander. Auch Tom Pidcock (Q36.5) war frustriert. Im Gegensatz zu vielen Berufskollegen, die vor der 500-Meter-Marke abbogen und direkt zu den Bussen fuhren, versuchte der Brite, inmitten der Menschenmassen doch noch zum Zielstrich zu gelangen. Ein Mann auf dem Rad gegen einen Menschenstrom, auch das ein seltsames Bild. “Ich denke, es sollte immer eine Ziellinie geben. Wir fahren doch kein Jedermannrennen, oder?“, grummelte er. 

Und er knabberte schwer an seiner Enttäuschung. “Ich hatte das Gefühl, das heute wäre mein Tag. Ich sage nicht, dass ich gewonnen hätte, aber ich hatte gute Chancen zu gewinnen. Es ist enttäuschend, aber ich verschwende keine Energie darauf“, fügte Pidcock an. Für die Veranstalter war der Tag besonders herausfordernd. “Wir mussten eine Balance finden, aber es war sehr schwierig. Wir waren vollkommen auf uns allein gestellt. Wir haben dann versucht, die beste Entscheidung zu treffen und die Teams so früh und so klar wie möglich zu informieren“, sagte der Technische Direktor der Vuelta, Kiko Garcia.

Fahrer loben das Krisenmagement

Das Krisenmanagment der Organisatoren wurde von Fahrern wie Betreuern auch gelobt. Trauer herrschte aber auch. “Es hätte ein wunderbarer Tag für den Radsport werden können bei all der Begeisterung, die es hier gibt“, meinte der gebürtige Baske Matxin Fernandez, Sportdirektor bei UAE – Emirates – XRG, im Gespräch mit RSN. Aber die Leidenschaft seiner Landsleute fand an diesem Tag ein ganz anderes Ventil, eben den Krieg in Gaza.

Im Ziel in Bilbao hatten palästinensische Flaggen das traditionelle baskische Orange verdrängt. | Foto: Tom Mustroph

Israel - Premier Tech, das eigentliche Ziel der Proteste, steht derweil wie schon bei der Tour de France unter Polizeischutz. Diskussionen um einen Abzug des Rennstalls werden bestenfalls hinter vorgehaltener Hand geführt. “Bei uns ist noch kein solches Ansinnen angekommen, weder von der Fahrergewerkschaft CPA noch von der Teamvereinigiung AIGCP noch von anderer Seite“, sagte Vuelta-Direktor Garcia zu RSN.

Eine Sprecherin von Israel - Premier Tech gab immerhin zu, dass auf den Kanälen der CPA solche Diskussionen geführt werden. Die Mehrzahl der Meinungsäußerungen seien aber solidarisch mit dem Team, sagte sie RSN. Und sie argumentierte auch, dass der Sport den Protesten nicht nachgeben sollte. “Heute trifft es Israel, morgen vielleicht UAE oder jemanden anderes“, meinte sie.

Die Gefahr besteht sicherlich. Aber die Welt gerät momentan auch derart aus den Fugen, dass es fast schon absurd wirkt, da noch um ein Rotes Trikot zu fahren. Absurd natürlich auch, vor Ort zu sein, um darüber zu berichten. Andererseits kann man Radsport auch als Errungenschaft friedlicher Gesellschaften sehen. Die Kunst besteht jetzt darin, politische Meinungsausübung und Profisport in einen guten Einklang zu bringen. Am Mittwoch in Bilbao scheiterte das noch.

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