Tour-Start der Usbekinnen von Beginn an in der Kritik

Tashkent-Team verliert vier von sieben Fahrerinnen auf Etappe 1

Von Felix Mattis aus Den Haag

Foto zu dem Text "Tashkent-Team verliert vier von sieben Fahrerinnen auf Etappe 1"
Die Usbekische Meisterin Yanina Kuskova ist die klar Stärkste im Tashkent City Women Team. | Foto: Cor Vos

12.08.2024  |  (rsn) – Es war schon am Jahresende 2023 ein kontrovers diskutiertes Thema: Durch die Regelung der automatischen Wildcard für die beiden besten Zweitliga-Rennställe der UCI-Weltrangliste zu den WorldTour-Rundfahrten war früh klar, dass das Tashkent City Women Team aus Usbekistan an der 3. Tour de France Femmes avec Zwift würde teilnehmen dürfen.

Die Mannschaft, die ausschließlich aus Fahrerinnen aus Usbekistan besteht und international wenig Erfolge vorzuweisen hat, bekam per Reglement den Vorzug vor anderen Continental-Teams mit mehr Qualität und Kadertiefe, wie etwa Lifeplus – Wahoo oder VolkerWessels und Coop – Hitec Products. Mangels Konkurrenz bei den nationalen Meisterschaften sammelte der Rennstall dort genug Punkte, um sich zu qualifizieren.

Nun steht der Rennstall aus Tashkent bei der Tour tatsächlich am Start und gleich die 1. Etappe goss Wasser auf die Mühlen der Kritiker: Vier der sieben Starterinnen aus Usbekistan wurden zwischen Rotterdam und Den Haag vom Besenwagen eingesammelt und mussten das Rennen bereits verlassen.

"Wir haben das bei unseren ganz jungen Fahrerinnen schon auch erwartet. Sie sind 18 und 19 Jahre alt und fahren direkt ihre erste Tour de France. Das ist zu viel, denke ich. Wir hatten gehofft, dass sie es schaffen. Aber wir sind das nicht mit verschlossenen Augen angegangen", gestand der zweite Sportliche Leiter der Mannschaft, Volodymyr Starchyk, radsport-news.com in Den Haag.

"Aber: Wir haben 14 lizenzierte Elite-Fahrerinnen in Usbekistan. Damit zur Tour zu kommen, das ist enorm." Starchyk sagt betont 'wir'. Er ist zwar Ukrainer und arbeitet erst seit dem vergangenen Jahr für das Männer-Team aus Tashkent – bei der Frauen-Tour ist er nur als Aushilfe dabei – aber er ist stolz, diesem Projekt anzugehören. Ein Projekt, von dem er sagt, dass es in einem muslimischen Land dabei helfe, Frauen neue Möglichkeiten zu eröffnen.

"Ihr solltet gar nicht hier sein"

"Es gab Leute, die gesagt haben: Ihr solltet gar nicht hier sein. Aber ich denke, es ist auch ein Erfolg für die Tour de France, ein Team hier zu haben, das von außerhalb des europäischen Radsports kommt und komplett aus einer Nation besteht. Das zeigt, dass der Radsport offen für die ganze Welt ist", so Starchyk.

"Wir haben aber auch viele Glückwünsche bekommen, denn es gibt Teams mit Millionenbudget, die hinter uns stehen. Sie können uns ja mal zeigen, welches andere Land ein Team so aufstellt und die Wildcard holt." Letztlich seien die UCI-Regeln eben so und das könne jeder nutzen.

Ganz so einfach ist es aber natürlich nicht. Denn in wenigen Ländern mit einem UCI-Team ist jenes UCI-Team derart konkurrenzlos, dass es bei nationalen Meisterschaften alle Punkte abräumt. Gerade auf Talentförderung ausgerichtete Teams in Europa müssen froh sein, wenn sie bei ihren Meisterschaften eine Frau in die Top 5 oder 10 bringen. Chancengleichheit unter den internationalen Continental-Mannschaften besteht deshalb nur bedingt – zumindest solange nationale Meisterschaften so fürstlich mit UCI-Punkten bewertet werden, wie derzeit.

Das UCI-Punktesystem ist Teil des Problems

Eine neue Dimension bekam das Thema Anfang August, als der britische Rennstall Lifeplus – Wahoo, einst bekannt geworden als Team Drops, eine Talentschmiede aus England, Anfang August bekanntgab, mit sofortiger Wirkung die Tore schließen zu müssen. Es fehle das Geld, hieß es da. Und dazu trage auch bei, dass Bonuszahlungen der Sponsoren aufgrund der verpassten Tour de France Femmes wegfielen.

2025, das scheint schon jetzt recht klar, da im kommenden Jahr auch bei den Frauen ProTeams eingeführt werden, die Mindestgehälter zahlen müssen und auch sonst höhere Kosten als Continental-Teams haben, wird das Tashkent City Team nicht bei der Tour dabei sein. Die Mannschaft, die bei der Tour mit einem gemieteten Camper, zwei Teamautos und einem Crafter fürs Material unterwegs ist, wird sich diese Lizenz nicht leisten. "Trotzdem ist das hier etwas Großes für Usbekistan. Für jeden ist es etwas Besonderes, bei der Tour de France dabei zu sein. Für Usbekistan ist es das erste Mal und das ist schon ein kleiner Sieg für das Land", so Starchyk.

"Wissen nicht, wie weit wir mit den anderen drei kommen"

Der Ukrainer fährt im Rennen den zweiten Begleitwagen im hinteren Teil des Konvois und war dabei, als Asal Rizaeva (19 Jahre), Mohinabou Elmurodova (18), Madina Kakhorova (22) und Ekaterina Knebeleva (27) aufgeben mussten. "Ich habe angefeuert, Verpflegung angereicht und sie angetrieben. Aber dann kam der Besenwagen und hat gesagt, dass sie stoppen müssen", erzählte er und hofft nun, dass die drei verbliebenen Usbekinnen den Rest der Woche durchhalten.

Margarita Misyurina (21) kam in Den Haag mit 1:47 Minuten Rückstand auf Siegerin Charlotte Kool (dsm-firmenich – PostNL) als 142. an, Nafosat Kozieva (26) verlor nur 17 Sekunden und Yanina Kuskova (22) blieb im ersten Feld, kam als 52. ins Ziel. "Wir wissen nicht, wie weit wir kommen mit den drei. Aber wir schauen von Tag zu Tag und hoffen natürlich, dass wir sie bis ins Ziel bringen", meinte Starchyk.

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