Zehn Minuten näher an WM-Gold als in Yorkshire

Die wundersame Geschichte des ältesten Zeitfahrteilnehmers

Von Peter Maurer aus Brügge

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Christopher Symonds | Foto: Freddy Guérin/DirectVelo

20.09.2021  |  (rsn) - Jedes Rennen muss einen Sieger haben und auch einen, der auf dem letzten Platz ins Ziel kommt. Am Sonntag beim Einzelzeitfahren der Straßenweltmeisterschaften in Flandern hieß der Sieger Filippo Ganna. Während der Titelverteidiger mit dem schnellsten jemals gefahrenen WM-Zeitfahren für einen Rekord sorgte, konnte sich auch der 55. in die Geschichtsbücher eintragen - und nein, es war nicht der Fakt, dass Christopher Symonds aus Ghana einen Rekordrückstand auf Ganna aufwies.

Mit zarten 47 Jahren ist der gebürtige Londoner nämlich der älteste Starter in einem WM-Zeitfahren. "Es war aber sicher nicht mein bestes Rennen in dieser Saison. Ich kann das schon noch besser", grinste der Brite mit ghanaischem Pass im Gespräch mit radsport-news.com. Als Mittelstreckenläufer begann er seine sportliche Karriere, nach Knieproblemen wechselte er zum Triathlon, nahm als erster Ghanaer in diesem Sport dann bei den Commonwealth Games teil, mit 40 Jahren. Bei den Spielen in Glasgow startete er dann auch in den Radbewerben.

Als 46. damals ließ er sogar zehn Athleten hinter sich. Dieses Kunststück gelang ihm diesmal nicht, denn wie auch schon 2019 in Yorkshire wurde Symonds Letzter des WM-Einzelzeitfahrens. Doch waren es bei den Weltmeisterschaften vor zwei Jahren noch über 28 Minuten, so konnte er seinen Rückstand auf dem sogar längeren Kurs von Knokke-Heist nach Brügge sogar auf 18 Minuten herunterschrauben. "Vielleicht sollte ich mich jetzt auf Zeitfahren spezialisieren", flachste der 47-Jährige weiter.

Als klassischer Exot nimmt er sich nicht zu ernst, auch wenn der Schnitt von fast 40 Kilometern pro Stunde ambitionierten Hobbyfahrern den Schweiß auf die Stirn brennt. Der 47-Jährige ist Sportler durch und durch und wuchs in den Straßen von London auf. Mit seinen Auftritten versucht er, Ghana in der Radsportwelt zu etablieren. Gerade im Hinblick auf die sehr wahrscheinlich in Afrika stattfindenden Straßenweltmeisterschaften 2025 ist das wichtige Pionierarbeit.

Bislang hat er für seine internationalen Auftritte die britische Insel zumindest für den Radsport nicht verlassen. "Es war eine wunderbare Erfahrung auf einem tollen Kurs und dazu noch vor dieser fantastischen Fankulisse", erklärte Symonds. Denn normalerweise bestreitet er nur kleine lokale Rennen in England. Dort fährt er für den North Road Cycling Club, einen der ältesten und bekanntesten Radclubs der Insel. Seit 1885 gibt es diesen und schon bei der Gründung standen dort zwei Dinge im Vordergrund: Radrennen und Rekorde.

Ein WM-Teilnehmer, den sogar der Premierminister kennt

Diese Tradition setzte Symonds nun in Flandern fort. Aber der Ghanaer ist nicht nur ein möglicher Vorreiter für den Radsport in Afrika, sondern auch für Spitzensport im reiferen Sportleralter. Denn von vielen Fahrern im Feld könnte er sogar der Vater sein. Verheiratet ist der 47-Jährige mit einer Slowakin und die beiden Söhne haben auch schon mit dem Radsport begonnen.

"Sie kommen mir nach. Ihr solltet auf sie aufpassen, denn sie werden schneller sein als ich", blickte Symonds auf seine Nachfolger Lukas und Jakob. Wie der Vater sollen auch sie die Farben Ghanas vertreten, auch wenn sie sich im Nachwuchs auf der Insel noch die Hörner abstoßen. In einem Jahr in Australien bei den Weltmeisterschaften wird man Symonds wohl nicht sehen, aber er plant schon für 2023: "Da ist die WM in Glasgow, also wieder vor der Haustüre."

Bis dorthin wird er sich neben den vielen Amateurrennen auf der Insel auch wieder seinem Brot- und Wasserberuf zuwenden: Als Doorkeeper im House of Commons ist er als Sicherheitskraft im britischen Parlament tätig, eine ehrenvolle und traditionelle Aufgabe. "Für das Rennen habe ich jetzt Urlaub bekommen, aber ab Dienstag muss ich wieder arbeiten", erklärte Symonds abschließend und sorgte noch für einen Lacher: "Die vergangenen Premierminister wie David Cameron, Theresa May oder Boris Johnson kennen mich. Das trifft nur auf wenige Radsportler in Großbritannien zu."

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