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18.07.2021 | (rsn) - Auch Toursieger sind keine Asketen. Nach dem Zeitfahren in Libourne sah man den Bus von Tadej Pogacars Team UAE Emiratesvor der Filiale einer Fastfoodkette aus den USA halten. Die Jungs wurden freigelassen zum Sturm auf Burger, Nuggets und Fritten. Den teuer eingekauften Ernährungsberatern dürfte es das Innere nach außen gedreht haben. Aber das war mal eine neue Form von Orgie im Radsport. Und irgendwie passt sie auch zum Sieger, zu Tadej Pogacar. Denn der 22jährige wirkt bei all seiner Dominanz auf dem Rad zuallererst wie ein Junge, der einfach Freude hat an seinem Tun.
“Radsport macht mir Spaß“, sagte er auf der Pressekonferenz am Samstag in Libourne. “Ich liebe es einfach, mich mit den anderen zu messen. Das war früher so mit meinem Bruder und den Kumpels, und es ist auch jetzt hier so, bei der Tour de France“, erzählte er. Und seine Augen lachten über dem gelben Mund-Nasen-Schutz hinweg.
Die Freude nahm man ihm ab. Er strahlte sie ja auch im Rennen aus, selbst auf den steilsten Anstiegen in den Alpen und den Pyrenäen. Allerdings war das Lachen da eher Maske. “Wenn ich mich extrem anstrenge, extrem fordere, kommt einfach dieses Lächeln“, erklärte er. Die Art aber, wie er attackierte, wie er sich umblickte, bevor er attackierte, wie er fröhlich, aber auch bestimmt, Mitarbeit von Rivalen mit in diesem Moment ähnlichen Teilzielen einforderte – all das zeigte, auf dem Rad, mitten im Wettkampf, fühlt dieser Bursche sich einfach wohl.
Mit ihm könnte in diesem Tretsport eine neue Ära anbrechen. Vorbei die Zeit der sturen Arbeitstiere, des so höflichen wie blassen Chris Froome, des Hungerkünstlers Bradley Wiggins, des verbissenen Alphatiers Lance Armstrong. Mit Pogacar halten Leichtigkeit und Freude Einzug.
Pogacar wurde es bei der Titelverteidigung leicht gemacht
Gut, bei dieser 108. Tour de France wurde es dem Titelverteidiger auch leicht gemacht mit der Leichtigkeit. Seine wichtigsten Konkurrenten fielen früh durch Stürze aus. Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) ist immer ein Kandidat dafür, Primoz Roglic (Jumbo - Visma) bezahlte bei seinem Crash vielleicht, dass er zwei Monate gar kein Rennen gefahren war, die Spannung, die fürs Fahren im Peloton eben auch nötig war, vielleicht nicht bis ins letzte Quäntchen hatte. Pogacar jedenfalls ist nicht für Stürze bekannt. Sein oft kritisiertes Team hielt ihn auch gut aus Gefahren heraus. Und mitten im Peloton, sei es in einem nervösen oder auch in einem erschöpften, scheint er sich wie ein Fisch im Schwarm zu fühlen.
Umso schöner war es dann am Samstag zu hören, dass dieser junge Radgott auch einmal wie ein Normalsterblicher begann. “Als ich mein erstes Straßenrad bekam, fiel ich gleich hin. Ich schaffte es nicht, aus den Pedalen auszuclippen“, erzählte er, und hatte wieder mal die Lacher auf seiner Seite.
Entgegen kam Pogacar bei dieser Tour auch, dass kein Team richtig dominant war. Das führte zu mehr Freiheiten, mehr langen Attacken. Sowohl in den Fluchtgruppen war dies zu beobachten, siehe Nils Politt und Patrick Konrad (beide Bora - hansgrohe) bei ihren Etappensiegen, siehe auch der doppelte Matej Mohoric (Bahrain Victorious). Aber auch beim Kampf um Gelb war Explosivität Trumpf. Alle drei Mann, die bei dieser Tour gelb trugen, attackierten lange vor dem Ziel: Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step), Mathieu van der Poel (Alpecin) und eben Pogacar.
Es brauchte eine Zeit, bis sich die Konkurrenz darauf einstellte. In den Alpen kam Pogacar einmal früh weg, legte bei der Attacke am Col de Romme auch den Grundstein für seinen Sieg. Tags darauf attackierte er erst am Schlussanstieg. Und in den Pyrenäen gewann er zwar zwei Etappen. “Ich wäre da aber gern früher weggekommen. Ich habe es aber einfach nicht geschafft“, gestand er selbst am Samstag ein.
Nun auch mit Leichtigkeit zum Olympiasieg?
Das zeigt, man kann ihm Grenzen setzen, auf die alte, gewohnt langweilige Art des Bergzugs. Pogacar sprengte dieses Muster. Damit er nicht andauernd gewinnt, muss man auf die Wiederkehr des alten Musters hoffen – Radsport paradox.
Der zweite Toursieg fiel ihm nach Augenschein von außen leichter als der erste. “Man kann beide Rundfahrten nicht vergleichen. Sie sind unterschiedlich verlaufen. Sie waren aber beide gleich hart“, sagte er. Als Härte in der zweiten stellte er noch die vielen Verpflichtungen nach Zieleinlauf heraus. Das lässt den Schluss zu, sportlich war sie nicht so fordernd. Pogacar war auch mehr Herrscher, mehr Tribun. Mit früheren Radsportherrschern – Marke Eddy Merckx, Froome, Armstrong – will er sich nicht vergleichen lassen. “Jeder hat seine eigene Persönlichkeit, seinen eigenen Stil“, sagte er.
Seiner scheint die Leichtigkeit zu sein.
Unmittelbar nach der Tour fliegt er nach Japan. “Ich will um Gold im Straßenrennen mitfahren“, kündigte er fröhlich an. Die Konkurrenz kann jetzt nur hoffen, dass Pogacar danach kräftig feiert. Denn dass er so überlegen seine zweite Tour holte, lag auch daran, dass nach dem Sieg 2020 wegen Corona wenig Gelegenheit für Partys war. “Ich konnte mich schnell wieder aufs Training konzentrieren“, erzählte Pogacar. Holt er jetzt die ganze Feierei nach, lässt auf die eine Burger-Orgie in Libourne noch manch andere folgen, könnte es – zur Freude der Konkurrenz – etwas länger dauern mit dem dritten Toursieg.
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