Tour du Maroc-Tagebuch von Embrace the World

Von einem Kletterer, gefangen im Körper eines Sprinters

Von Hermann Keller

Foto zu dem Text "Von einem Kletterer, gefangen im Körper eines Sprinters"
Das Team Embrace the World | Foto: Nils Laengner / ETW Cycling

11.04.2019  |  (rsn) - Die Rundfahrt neigt sich dem Ende zu, das merkt man den Fahrern an. Wir kamen heute zum Frühstück, doch leider war alles weg, da schon ordentlich gespachtelt wurde. Glücklicherweise wurde nochmals nachgefüllt, sodass wir alle satt wurden. Es macht übrigens den Eindruck, als gäbe es in Neuseeland kein Frühstück, die Bergziege Mat schaufelt nämlich Portionen in sein Körperchen, die eigentlich eher zu einem ausgewachsenen Elefanten passen würden.

Vor der Etappe heute hatten wir alle etwas Respekt, da es ordentlich in die Berge ging und Angriffe auf das Gelbe Trikot erwartet wurden. Die Bergwertung war zwar bei 1330 Meter über dem Meeresspiegel erreicht, es ging aber noch weiter den Berg hinauf bis zum Dach der Tour auf 1690 Meter über dem Meeresspiegel, wo noch eine Sprintwertung wartete. Wieso genau hier eine Sprintwertung abgenommen wurde, verstand ich nicht so ganz, konnte mir aber auch egal sein, da ich mich hier wohl eh nicht unter den ersten Fahrern befinden sollte. Der Plan war, so lange wie möglich dabei zu bleiben, um ein schönes Gruppetto zu finden und ohne Zeitdruck das Ziel zu erreichen. Auch Basti und Matthias verfolgten eine ähnliche Taktik, während wir unserem neuseeländischen Freund rieten, sich einfach immer in der Kopfgruppe aufzuhalten, dann würde das bestimmt etwas werden.

Der Startschuss fiel und ich fragte mich, ob die anderen wirklich auch schon 6 Etappen gefahren sind. Bevor es nach 20km in den Berg ging, tat ich mir schon schwer noch geradeaus zu sehen. Ich konnte mich noch erstaunlich lange in der ersten Gruppe halten, musste aber ca. zwei Kilometer vor der Bergwertung die Spitze ziehen lassen. Fun-fact: Ein türkischer Sportfreund konnte sich noch etwas länger in der Spitzengruppe behaupten. Erstaunlich deswegen, da er noch ein paar Kilo mehr als ich auf seinen Rippen trägt, bei weniger Körpergröße. Vielleicht ist er aber ein Kletterer gefangen im Körper eines Sprinters.

Jedenfalls kam nach kurzer Zeit Basti von hinten und unsere Gruppe lief gar nicht mal so schlecht, da wohl noch einige weitere Fahrer großes Interesse daran hatten, wieder den Anschluss zur Spitze herzustellen. Die Lücke wurde auch gar nicht allzu groß, sodass ich mich dazu entschloss, es nach der Sprint-/Bergwertung so richtig laufen zu lassen in der Abfahrt. Ich verabschiedete mich also von meiner Gruppe und war kurze Zeit später tatsächlich in der ersten Verfolgergruppe mit allen Bergfahrern und dem türkischen Sprinter/Kletterer.

Für die Zahlenfreunde unter euch: Nach 2h Fahrzeit hatte ich knapp 290 Watt im Durchschnitt, wohlgemerkt nach 6 Tagen Rundfahrt. Auf jeden Fall war Mat ebenfalls hier und Basti konnte kurze Zeit später mit meiner alten Gruppe aufschließen. Nur der Schweizer hielt sich an das Neutralitätsprinzip seiner Nation, weshalb wir ihn erst wieder nach der Etappe trafen. Vielleicht lag es auch daran, dass er noch geschwächt von einer Krankheit kurz vor der Rundfahrt, nicht seine gewohnte Leistung bringen kann. Ich denke aber, er wollte einfach Flagge bekennen…

Wir befanden uns nur knapp eine Minute hinter der Spitze, weshalb wir beschlossen nach dem letzten Anstieg, von welchem aus es noch knapp 50km ins Ziel waren, Basti in die Verfolgung zu schicken. Wir quälten uns über den Anstieg und nach kurzer Erholung ging Basti wie besprochen an die Spitze der Gruppe und zog das Tempo bei abfallender Strecke auf bis zu 69km/h hoch. Wir kamen wirklich näher, allerdings bekamen wir wenig Hilfe von den anderen Teams, da diese entweder einen Fahrer vorne, kein Interesse an der Verfolgung oder einfach keine Lust hatten. Auch Mat schickte ich noch nach vorn, da wir mit aller Gewalt einen Sprint erzwingen wollten.

Jedoch wurde unsere Tempoarbeit immer wieder von Attacken gestört und auch die Marokkaner, die sich irgendwann doch dazu überreden ließen mitzuhelfen, kamen zu spät. Wieder einmal kam die Gruppe mit wenig Vorsprung durch, wieder einmal gewann ich den Sprint der Verfolger und wieder mal ist es zwar kein schlechtes Ergebnis, aber auch nicht wirklich zufriedenstellend. Dennoch haben wir alles versucht und sind ein starkes Rennen gefahren. Ehrlich gesagt hatte ich zur Abwechslung nicht einmal davon geträumt, vorne anzukommen. Also gebe ich mich fürs Erste mit dem 7. Platz (wir sind uns nicht zu 100% sicher wie viele Fahrer sich vorne befanden, es sollen aber 6 gewesen sein und es ist noch kein Ergebnis veröffentlicht) zufrieden.

Es bleiben noch 3 Etappen und wir sind noch sehr motiviert. Auch Mat liegt noch gut, und durch den zusätzlichen Betreuer (Heiko wechselte nach seinem Ausscheiden in den Betreuerstab), werden wir wirklich bestens umsorgt.

Derzeit befinde ich mich im Bus zurück zum Hotel und freue mich sehr auf das Abendessen. Was für eine Überraschung ;)

Nur die besten Grüße aus dem Bus zurück nach Fès,

Hermann

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