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16.07.2018 | (rsn) - Nach seinem ersten Etappensieg bei der Tour de France war John Degenkolb (Trek-Segafredo) völlig fertig! Körperlich nach 156,5 Kilometern über 15 Plastersteinpassagen der Hölle des Nordens sowieso. Aber auch mental! Während des Interviews mit der ARD in der Mixed Zone standen dem Oberurseler die Tränen in den Augen und die Lippen zuckten, weil er das Weinen unbedingt unterdrücken wollte. Zu bewegend waren die Gedanken an seine letzten beiden Jahre:
- An seinen "Ziehvater“, wie er ihn zuerst im Interview nannte, den besten Freund seines Vaters, der im Oktober nach einem schrecklichen Arbeitsunfall verstarb und dem er diesen Sieg widmete. "Er war praktisch bei jedem Rennen, seit ich 12, 13 Jahre alt war, in ganz Europa mit dabei. Den ganzen Winter in der Vorbereitung hatte ich im Hinterkopf, dass ich, als die Leute begannen, nicht mehr an mich zu glauben, es meine Pflicht sei, für ihn noch einen großen Sieg zu holen. Deshalb war es sehr emotional für mich, die Ziellinie zu passieren und an ihn zu denken“, sagte der sonst so redegewandte Klassikerspezialist mit fast versagender Stimme.
- An die Leute, die begannen an ihm zu zweifeln. Der unermessliche Druck, der seit dem schweren Unfall in Calpe vor zwei Jahren auf ihm lastete, wo eine Britin mit dem Auto in seine Trainingsgruppe gerast war und weitere fünf Teamkollegen zum Teil schwer verletzte. Mit jedem Rennen, dass er danach, ein Jahr nach seinen Siegen bei den Monumenten Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix, nicht gewann, wurde der Druck größer und größer."
„Jedes Jahr wurde ich gefragt, klappt es diesmal mit dem Etappensieg bei der Tour? Die Leute dachten, für die anderen Rennen reicht es, aber bei der Tour hat er noch nie etwas gerissen“, schilderte Degenkolb seine Gedanken, die ihn so belasteten. Dabei offenbarte er einen Teil seiner verletzten Seele, die mit einem Schlag in Roubaix geheilt wurde. Degenkolb: "Dementsprechend spüre ich eine unfassbare Genugtuung darüber, diesem Sieg in der Tasche zu haben.“
In der Siegerpressekonferenz wurde er noch genauer: "Es war wirklich hart, weil viele Leute nicht mehr an mich geglaubt haben“, erklärt er, von Emotionen immer noch überwältigt und mit fast stockender Stimme. "Sie glaubten nicht, dass ich noch mal auf den gleichen Level wie zuvor kommen kann. Dann trifft einen ein weiterer Rückschlag, der einen ein paar Monate zurückwarf“, beschrieb Degenkolb seine Gefühlslage, als er – bei Paris-Roubaix - auf sein Knie stürzte. "Ich konnte einen Monat lang nicht trainieren und die Zweifel begannen, ob ich es schaffen kann. Das war der schlimmste Teil. Ich bin so glücklich, dass meine Frau und die ganze Familie mir die Kraft gaben, hundert Prozent zu geben und hart zu arbeiten", sagte der 29-Jährige.
Mit dem großen Erfolg, dem so ersehnten Etappensieg bei der Tour de France, ist Degenkolb nun endgültig in die Weltspitze zurückgekehrt. Welcher seiner Siege, auch unter Berücksichtigung der vergangenen zwei Jahre, er als den wertvolleren ansieht, konnte er nicht sofort beantworten. "Natürlich, ich habe keine einfache Zeit hinter mir. In der Art und Weise, wie ich diesen Sieg geholt habe, und wo ich ihn geholt habe, ist das für mich ein Märchen, das wahr geworden ist. Dass ich diesen Pflasterstein (für seinen Sieg bei Paris-Roubaix 2015, d. Red.) zuhause habe, bedeutet noch mehr für mich. Natürlich ist viel so viel Druck von meinen Schultern gefallen, deshalb fühlt es sich so ähnlich an, wie damals!“
Und dann war er auch wieder richtig locker: "Nach all dem, was in den letzten zwei Jahren passierte, ist das eine richtige Wiedergutmachung. Wie man so schön sagt: Totgesagte leben länger", sagte Degenkolb.
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