Mein Radsport-Ereignis 2016: 15. Vuelta-Etappe

Die große Contador/Quintana-Show

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Die große Contador/Quintana-Show "
Alberto Contador (li.) und Nairo Quintan auf der denkwürdigen 15. Vuelta-Etappe | Foto: Cor Vos

23.12.2016  |  (rsn) - Der aufregendste Tag der Vuelta 2016 war der 4. September. Auf der 15. Etappe, dem 119 Kilometer langen Teilstück mit Bergankunft am Arámon Formigal, entschlossen sich zwei der besten Bergfahrer dazu, nicht wieder bis zum Finale zu warten und um Sekunden zu kämpfen, sondern im großen Stil Zeit rauszuholen: Nairo Quintana und Alberto Contador griffen kurz nach dem Startschuss an und distanzierten in der Folge nahezu das gesamte Feld.

Das taten sie nicht allein, sie hatten jeweils zwei Mann an der Seite: Ivan Rovny und Yuri Trofimov waren für Contadors Tinkoff-Team mitgesprungen, Jonathan Castroviejo und Ruben Fernandez waren die Helfer von Movistar-Kapitän Quintana. Außerdem gehörten sieben weitere Profis der 13er-Gruppe an, aus der Gianluca Brambilla (Etixx-Quick-Step) als Tagessieger hervorging. In der Rückblende bleibt Brambilla aber nur Edel-Statist der größten Show dieser Spanien-Rundfahrt.

Denn was vor allem Contador an diesem Tag zeigte, war Radsport vom Feinsten. Obwohl klar war, dass Leader Quintana der große Profiteur sein würde, hängte sich der Spanier von Beginn an mit rein und ließ seine Wasserträger schuften wie die Maultiere. Quintana und seine Movistars blieben zwar auch nichts schuldig, doch der Mann im Roten Trikot wollte an diesem Tag ja auch aus einer Minute Vorsprung ein Polster machen, das ihn im letzten Zeitfahren gegen Chris Froome (Sky) würde bestehen lassen können. Und da der Kolumbianer auch die bessere Form am Berg hatte, war Contadors Bereitschaft, mit aller Konsequenz mitzuarbeiten, umso famoser.

Maximal aufs Podest würde er mit dieser Taktik kommen, im Idealfall knapp an Froome vorbeiziehen, aber auf Quintana, den Gesamtführenden, konnte der Madrilene in dieser Konstellation nichts gutmachen. Dabei kann einer, der schon so viele Grand Tours gewonnen hat wie Contador, eigentlich nur auf Sieg aus sein. Viele andere Protagonisten des modernen und oft vorhersehbaren Radsports hätten gestikuliert, lamentiert, taktiert. Contador nahm den Kopf zwischen die Schultern und fuhr einfach Rad – wie es zu Zeiten eines Bernard Hinault oder Eddy Merckx noch völlig normal war.

Dabei hätte gerade Contador Grund genug gehabt, das sein zu lassen, denn er hatte einen ähnlichen Parforce-Ritt schon während der 19. Etappe der Tour 2011 – beinahe exakt so lang wie die 15. Etappe der Vuelta 2016 und ebenfalls eine Bergankunft – hingelegt und war am Ende von Cadel Evans geradezu abgestraft worden. Diesmal aber hatte Contador die besagten beiden Helfer aus dem eigenen Team dabei. Und weil er die nicht schonte, setzte auch Quintana seine Leute ohne Bedenken ein. Das Unterfangen glückte.

Am Ende des Tages hatte Quintana damit Froome satte 2:37 Minuten abgenommen, führte mit komfortablen 3:37 vor dem Briten und gewann dann auch die Rundfahrt. Contador machte auf Froome 2:06 Minuten gut und rückte auf Position vier vor. Diesen Platz verteidigte er bis zum Schluss - und er konnte sich zwar nicht erneut Vuelta-Sieger nennen, doch dafür hatte der Madrilene sich einen anderen Titel erarbeitet: den des Froome-Bezwingers. Denn ohne Contador hätte Quintana diese Vuelta trotz seines großartigen Kampfs und seiner fortwährenden Attacken gegen den Sky-Kapitän wohl kaum gewonnen. Umso mehr triumphierte an jenem 4. September der Kampfgeist über den Rechenschieber.

Die 15. Etappe der Ausgabe von 2016 reiht sich ein in eine Sammlung denkwürdiger Vuelta-Etappen, die vom Parcours her gar nicht so dramatisch wirkten, aber entscheidenden Einfluss auf den Kampf um den Gesamtsieg hatten.

Da wäre das sechste Teilstück der Spanien-Rundfahrt 1997, als Alex Zülle, Laurent Jalabert, Laurent Dufaux und Fernando Escartin den Rest der Favoriten auf dem Weg nach Granada abhängten, trotz eines langen Flachstücks ihre zwei Minuten Vorsprung verteidigten und fortan die einzigen verbliebenen Anwärter auf den Gesamtsieg waren. Oder der fünfte Abschnitt des Jahres 1999, den Jan Ullrich gewann und so zurück in die Weltspitze fuhr. An dem Tag wurden Alex Zülle, Laurent Jalabert, Jose Luis Rubiera, Bobby Julich, Tyler Hamilton und Wladimir Belli aus dem Klassement gekegelt, obwohl der letzte Berg weit, weit vorm Ziel war.

Mehr Informationen zu diesem Thema

29.12.2016Ein Berg. Ein Radprofi. Kein Rad!

(rsn) - Wann kann man sich sicher sein, dass ein Radsport-Ereignis wirklich ein Ereignis und nicht "nur" ein packendes Rennen, eine kuriose Szene oder ein bewegender Augenblick war? Ganz einfa

28.12.2016Champs-Élysées-Triumph mit viel Kraft und Willen

(rsn) – Die Vorzeichen standen gut für André Greipel, auch von seiner sechsten Tour de France en suite mit einem Etappensieg im Gepäck ins heimische Hürth zurückzukehren. Der Kapitän des Lotto

28.12.2016Peter Sagan: Back to the Roots

(Ra) - Peter Sagan in Rio auf dem Moutainbike - da hat sich so mancher doch gewundert... Aber Sagans Wurzeln im Radsport sind auf dem Bergrad gewachsen: Als Siebenjähriger startete er bei einem slowa

26.12.2016Drama am Colle dell´Agnello

(rsn) - Vor den letzten beiden Bergetappen des Giro d´Italia 2016 schienen die Trauben bereits verteilt. Kaum jemand hätte noch damit gerechnet, dass die Gesamtwertung einen derartig dramatischen Um

25.12.2016Noch immer der König der Zielgeraden

(rsn) - Man hatte ihn schon abgeschrieben. Ihn, den ehemaligen Straßenweltmeister, einen der besten Sprinter der Radsportgeschichte. "Er wird nicht mehr jünger“, sagten die einen. "Das Siegen hat

24.12.2016"Rambazamba“ im Konvoi

(rsn) – Nach dem gestrigen Ruhetag ging es in die entscheidende Phase der Vuelta. Heute führte die Strecke wieder in höllischem Tempo über die Autobahn aus Alajuela raus. Die Attacken zogen das

24.12.2016Denkwürdiger Sieg für einen toten Teamkollegen

(rsn) – In Sachen Rennverlauf war die 51. keine besonders bemerkenswerte Austragung des Amstel Gold Race. Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde der erste der drei Ardennenklassiker erst auf de

22.12.2016Imposante Strecke, gespenstische Kulisse

(rsn) – Die Redaktionsmitglieder von radsport-news.com und radsport-aktiv.de sowie ihre freien Mitarbeiter und Helferlein haben 2016 rund um das Thema Radrennen viel erlebt. Sie alle blicken zum Ab

Weitere Radsportnachrichten

11.12.2024Wellens: “Du musst wissen, was du kannst und was nicht“

(rsn) – Vor seinem Wechsel zum UAE Team Emirates Ende 2022 waren die Ardennenklassiker fester Bestandteil von Tim Wellens‘ Frühjahrsprogramm. Die ganz großen Erfolge aber blieben aus: Der Belgie

11.12.2024Im letzen Jahr als Straßenprofi langwierige Probleme bezwungen

(rsn) – Seine neunte Saison als Straßenprofi war für Tom Bohli vorerst die letzte – und das, obwohl sie von den Ergebnissen her wohl sogar die beste seit 2019 gewesen ist. Der Schweizer, der in

11.12.2024Intermarché verlängert mit Ausreißspezialist van der Hoorn

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

11.12.2024UAE verzichtet künftig auf Einsatz von Kohlenmonoxid

(rsn) – Das UAE Team Emirates wird die umstrittene Kohlenmonoxid-Rückatmungsmethode nicht mehr anwenden. Das bestätigte Leistungskoordinator Jeroen Swart am Rande des Medientages im spanischen Ben

11.12.2024Was bedeuten Pogacars Klassiker-Ambitionen für Politt?

(rsn) – Nils Politt wird nach seiner starken ersten Saison beim UAE Team Emirates, in der er sich beispielsweise den Traum vom Podestplatz bei der Flandern-Rundfahrt erfüllte und anschließend als

11.12.2024Deutschland Tour bis 2050 gesichert

(rsn) – Die nach zehnjähriger Pause 2018 von der ASO in Kooperation mit dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wieder ins Leben gerufene Deutschland Tour (2.Pro) hat nun Planungssicherheit, von der and

11.12.2024UCI bestätigt Lizenzen für insgesamt 57 Profiteams

(rsn) – Der Radsport-Weltverband UCI hat die Lizenzen für 57 Profiteams für die Saison 2025 bestätigt. Nachdem es im Oktober zur Abgabefrist der nötigen Dokumente bei einigen Mannschaften noch V

11.12.2024Thema GC nach Teneriffa-Crash erstmal ad acta gelegt

(rsn) – Die Saison 2024 hätte für Lennard Kämna eine große werden sollen. Ein Jahr nach dem neunten Gesamtrang beim Giro d´Italia - seinem ersten Versuch, bei einer Grand Tour auf Gesamtwertung

11.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

10.12.2024Lefevere tritt bei Soudal - Quick-Step als CEO zurück

(rsn) – Patrick Lefevere wird ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr Geschäftsführer des zur Saison 2003 von ihm gegründeten Teams Soudal – Quick-Step sein. Das gaben der Belgier, der am 6. Januar 70

10.12.2024Merckx nach seinem schweren Sturz: “Ich hatte Angst, ja!“

(rsn) - Nur wenige Stunden nach seiner Hüft-OP konnte Eddy Merckx schon wieder scherzen. "Das nächste Mal fahre ich wohl mit zwei Stützrädern“, sagte er gegenüber Het Laatste Nieuws. Die belgis

10.12.2024Nach Nokere-Sturz wieder richtig gut in Fahrt gekommen

(rsn) – Als sich Kim Heiduk (Ineos Grenadiers) am 13. März beim belgischen Eintagesrennen Nokere Koerse das Schlüsselbein und den Ellenbogen brach, war die Klassikersaison für den mittlerweile in

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine