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14.04.2015 | Was ich heute kann besorgen – das schaffe ich auch übermorgen. Radtraining, Steuererklärung, Zahnarzt-Termin: Wir schieben vieles vor uns her, entweder weil wir keine Lust haben, Angst verspüren, oder etwas wirklich ungern tun.
Hier die gute Nachricht: Das macht jeder einmal, und es ist überhaupt kein Problem. Die von Psychologen empfohlene Faustregel: Wenn etwas innerhalb von rund drei Tagen erledigt wird, ist das völlig im Rahmen. Was dann immer noch liegenbleibt, kann zum Problem werden.
Auch das haben die meisten von uns schon einmal erlebt: Eine unerledigte Sache kommt zur nächsten – und irgendwann ist der „unerledigte“ Berg so unüberwindbar wie der Himalaya. Wir wissen nicht mehr, wo wir anfangen sollen, vertüdeln uns in Alibi-Tätigkeiten wie ein hin- und herschieben von Papieren.
Alles getreu dem Motto: „Seht her, ich tu doch was!“. Genau – aber was genau? Warum aber schieben wir überhaupt auf? Psychologen unterscheiden zwei generelle Aufschieber-Typen:
Der Vermeider:
Dieser Typ kann mit Druck nicht gut umgehen, denn er hat immer Angst, zu versagen. Dabei ist er auch oft ein Opfer seines eigenen Perfektionismus: Je mehr Aufgaben an ihn herangetragen werden, oder je mehr er liegen lässt, umso hektischer und unsorgfältiger wird er.
Nichts genügt mehr seinen Ansprüchen, was ihn noch mehr unter Druck bringt. Dabei versucht er nach außen immer ein gutes Bild abzugeben und biegt dabei für sich und andere die Wahrheit gern zurecht.
Der Adrenalin-Junkie:
Alles auf den letzten Drücker, alles mit einer ordentlichen Bugwelle – dieser Vermeider-Typ ist eine kleine Drama-Queen! Es ist, als ob er mit sich selbst im Rennen liegt: Schaffe ich dies oder das noch in letzter Minute?
Das gibt ihm den Kick, den er braucht, um keine Routine oder Zeit mit sich selbst zu spüren. Denn hätte er mehr Ruhe und Zeit für sich im Leben, müsste er sich mit seinen eigenen Gedanken und Problemen auseinandersetzen – und das macht ihm Angst. Da ist es doch leichter, das fehlende Zeit-Management kurzerhand als kreatives Chaos zu sehen.
Jeder, der einen leichten Anfall von "Aufschieberitis" hat, hat irgendeine schwache Form einer der beiden Typen in sich. Dazu kommt, dass viele vermutlich schon als Kind ganz nebenbei gelernt haben, dass das Aufschieben von unangenehmen Aufgaben ein – zugegeben kurzfristiges – Gefühl von Erleichterung und Entspannung beschert hat.
Klar, dass sich das Gehirn dies gemerkt hat! Und mit jeder Aufschieberei und dem damit verbundenen angenehmen Gefühl bekam der "innere Schweinehund" wiederholt Futter, wurde zunehmend tiefer im Gehirn positiv verankert.
Waren es früher die unangenehmen Hausaufgaben, die vor sich her geschoben wurden, um anstatt dessen lieber draußen zu spielen, sind es heute vielleicht die lästigen Steuererklärungen, die zu Gunsten eines angenehmen Abends mit dem Lieblingsbuch weiter auf dem Schreibtisch schmoren.
Das hat nichts mit Logik oder Faulheit zutun, sondern mit dem evolutionären Überlebens-Prinzip unseres Gehirns: Was uns gut tut, wird verstärkt, was uns lästig ist, wird beiseite geschoben, wird verdrängt. Wie es damals Linus von den „Peanuts“ gesagt hat: „Es gibt kein Problem, das so groß ist, das man nicht davor weglaufen könnte!“.
Jedes Verhalten, das emotional positiv begleitet wird, ist leider sehr veränderungsresistent, eben weil es so oft im Leben wiederholt wurde. Das ist mit ein Grund dafür, warum wir uns von langfristig deutlich schlechten Angewohnheiten so schwer trennen können:
Das kurzfristige Glück ist jetzt und deshalb erstrebenswerter als das langfristige irgendwo in der Zukunft liegende Wohlbefinden, das wir uns erst einmal mit etwas Anstrengung erarbeiten müssen. Aber es gibt Wege, unser Gehirn umzuprogrammieren, und endlich die guten Vorsätze wirklich dauerhaft umzusetzen.
Doch es gibt im Alltag nicht nur einen Grund, warum wir etwas aufschieben. Jedes Mal, wenn wir etwas nicht sofort erledigen, gibt es einen Cocktail aus den verschiedensten Gründen – und Schritte, wie wir besser damit umgehen können.
Deshalb hier die acht besten Tips gegen "Aufschieberitis":
1. Ursache: Aus den Augen...
Erst mal wieder weglegen, den Brief vom Finanzamt wieder in den Umschlag stecken, erst einmal hinsetzen. Aus den Augen, aus dem Sinn – klar, dass man so in die Aufschiebe-Falle tappt!
Dagegen hilft: Die "Ohio"-Methode,
vom englischen „Only handle it once“ – alles nur einmal in die Hand nehmen, und sofort erledigen.
Aus der Neuropsychologie wissen wir, dass es ungefähr drei Monate dauert, bis sich ein neues Verhaltensmuster im Gehirn fest verankert hat, und dann fast automatisch abläuft. So lange heißt es: Jeden Tag aufs Neue trainieren!
2. Ursache: Fehlende Selbst-Reflexion
Haben Sie Angst zu versagen? Können Sie nicht Nein sagen? Meistens läuft das Aufschieben unbewusst ab. Machen Sie sich einmal bewusst, warum Sie so ungern Torten backen oder Auto fahren. Wenn man den Grund weiß, kann man manchmal schon an der Wurzel des Übels etwas ändern.
Dagegen hilft: Mehr zu sich selbst stehen
Meistens steckt hinter Versagens-Ängsten oder nicht Nein sagen können die Angst vor Ablehnung. Tatsache aber ist, dass wir Menschen mögen, die zu ihren Fehlern stehen, authentisch sind, und uns ihre Meinung sagen. Das ist nicht immer angenehm, aber wir wissen dann genau, woran wir sind.
3. Ursache: Fehlendes Zeit-Management
Ohne Plan überraschen uns die Alltags-Aufgaben, und alles, was unvorhergesehen dazukommt, bringt uns dann so richtig in Stress. Deshalb schieben wir manches einfach weg, oder unterschätzen den Zeitaufwand: „Ach, das schaffe ich doch mit links“.
Dagegen hilft: Ein „atmender“ Terminplan
Wenn man sich morgens beim ersten Kaffee einen Tagesplan zurechtlegt, so kann man erstens kleine „Inseln der Freude“ einbauen, also Momente, auf die man sich freuen kann, wie das Kaffeetrinken mit einer Freundin.
Zweitens: Lass zwischen den Aufgaben immer einen Puffer von mindestens einer Viertelstunde. Dann wird aus dem schnellen Laufen zum Supermarkt plötzlich ein Spaziergang, den Du in der Sonne sogar noch richtig genießen kannst.
4. Ursache: Niedrige Frustrations-Schwelle
Fast alle Dinge, die wir liegenlassen, machen schlichtweg keinen Spaß. Mal ehrlich: Wer hat schon Lust auf Vorsorge-Untersuchungen, Müll wegbringen oder Fenster putzen? Also haben wir keine Lust darauf, und gucken lieber fern oder naschen...
Dagegen hilft: Belohnen Sie sich!
Warten Sie nicht darauf, dass Sie vielleicht doch noch Lust aufs Aufräumen oder Abwaschen bekommst. Werden Sie aktiv - denn Sie wissen, dass hinterher eine Belohnung wartet: Nach dem Abwasch setze ich mich gemütlich auf den Balkon, bei einer Tasse Tee…
Manchmal ist die Sache an sich ein Gewinn: Hatten Sie absolut keinen Bock aufs Rasenmähen, so haben Sie dann doch die Sonne, oder den Geruch des frisch geschnittenen Grases genossen – und klasse sieht es hinterher auch noch aus.
5. Ursache: Unwissenheit
Oft schieben wir Dinge vor uns her, weil wir keine Ahnung haben, wie wir sie angehen sollen. Doch leider sagt uns Vogel Strauß nicht, wie wir den Antrag auf Beihilfe oder die Steuererklärung machen sollen.
Dagegen hilft: Gemeinschaftliches Lernen
Wer sagt denn, dass man alles allein machen muss? Vielleicht sind eine Freundin oder der Schwager ein Hecht beim Ausfüllen von Formularen, und gern bereit, alles zu erklären.
Oder man sieht mit dem Partner ins Internet, und besorgt sich Infos. Gehen Sie spielerisch damit um, lachen über Gelesenes – Sie sollen ja kein Steuerfachmann werden, sondern nur ein Formular ausfüllen.
Vergessen Sie Sätze wie „Ich habe keine Ahnung“, und sagen stattdessen immer: „Ich habe NOCH keine Ahnung“!
6. Ursache: Perfektionismus
Wenn man versucht, alles absolut perfekt hinzubekommen, dann setzt man sich selbst unglaublich unter Druck. Sicher, jeder hat schon mal einen perfekt aufgeräumten Haushalt oder ein pieksauberes Büro gesehen, in dem jeder Bleistift wie mit dem Lineal ausgerichtet auf dem Tisch liegt.
Aber bestimmt haben Sie sich darin auch eher unwohl gefühlt, weil man so wenig vom Menschen sieht, und nur eine Fassade vor sich hat.
Dagegen hilft: Loslassen
Haben Sie Mut zu Fehlern. Mal Fünfe gerade sein lassen hilft, den Tunnelblick abzubauen. Bügeln ist prima, aber müssen auch noch Unterhosen, Frottee-Handtücher und Socken gebügelt werden? Und ein kleiner Knick im Briefbogen ist doch nicht so schlimm, denn die Post macht beim Versand garantiert noch ein paar weitere Knicke dazu.
Also lernen Sie, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, und ab und zu auch Dinge zu delegieren. Und erdrücken Sie andere nicht mit Perfektions-Wahn: Jeder macht es so, wie er kann. Betonung auf JEDER. Das schafft mehr Zeit, und weniger Druck.
7. Ursache: Eigendruck
Schluss mit Sätzen wie „Ich muss…“ und „Ich soll…“. Die erhöhen nur den Druck und führen zu Duldungsstarre.
Dagegen hilft: Reframing
Dabei werden Denkblockaden umgangen, indem man Sätze anders zu sich sagt, und Denkmuster in einen anderen Rahmen packt, also „reframed“.
Ersetzen Sie z.B.: „Ich muss das unbedingt erledigen“ mit „Ich möchte gern fertig werden“. Oder „Ich habe keine Zeit dafür“ mit „Ich nehme mir hinterher Zeit“.
Sagen Sie nicht mehr „Ich muss…“, sondern „Ich will dies und das tun, weil ich dadurch das und das gewinne“.
8. Ursache: Der Himalaya-Effekt
Viele kleine Aufschiebereien verdichten sich zu einem riesigen, undurchdringlichen Problem-Nebel. Ein riesiges Gebirge – wie der Himalaya – entsteht, das Gefühl, ohnmächtig zu sein, hilflos und klein, wird übermächtig, und kratzt erheblich am Selbstwertgefühl.
Dagegen hilft: Die "Step-by-Step"-Methode
Immer nur kleine Schritte, nicht gleich das ganze Haus renovieren wollen, sondern erst einmal eine Tür streichen. Kleine Ziele setzen, nicht 20 Kilogramm abnehmen wollen, sondern in Zwei-Kilo-Schritten. Dazwischen Pause machen, und den Etappen-Erfolg genießen. Planen Sie den nächsten Schritt grundsätzlich mit dem Gedanken „Wie starte ich?“ anstatt „Wie ist das Ergebnis?“.
Doch es ist auch gut, Dinge einmal anders zu betrachten: Der innere Schweinehund hat ja manchmal auch seinen Sinn! Also Schluss mit dem schlechten Gewissen, wenn das nächste Mal die Sonne scheint, Sie sich Kind, Liebste(n) oder Freund/in schnappen, und mit dem Fahrrad durch die blühende Botanik kurven.
So holt man sich einen vernünftigen Muskelkater, sowie eine große Portion Energie und gute Laune, weil man den Kopf freistrampelt. Und dabei ist es der Bügelwäsche völlig egal, ob die Sonne scheint…
Die Autorin:
Annika Lohstroh ist Produzentin, Regisseurin, Buchautorin, Journalistin und Psychologin mit langjähriger Medien-Erfahrung in Film, Print, TV und Werbung. Sie arbeitet außerdem als Künstler- und Medien-Coach, sowie als Fotografin. Zusammen mit Michael Thiel hat sie bei Gräfe und Unzer „Die Kraft der Klarheit“ geschrieben.
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