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05.01.2022 | Der Col du Galibier - mit 2645 Metern das „Dach der Tour de France“, und seit 1911 einer der am häufigsten befahrenen Pässe der Frankreich-Rundfahrt. Nach 19 Kilometern Anstieg auf der Nordrampe, mit bis zu zehn Prozent Steigung, ist wohl jeder Radler auf der Passhöhe nassgeschwitzt. Nun folgt eine über 40 km lange Abfahrt ins Tal der Romanche, auf der, wer mag, mit bis zu 90 km/h hinunterbrettern kann. Mit feuchtem Trikot, aus über zweieinhalbtausend Metern Höhe, wo auch im Sommer die Temperatur mal deutlich unter zehn Grad sinken kann?
Lange mussten sich Rennradler/innen dann mit einer
dicken Zeitung
behelfen, die unters Trikot gesteckt wurde, und so den Wind abhielt. Da haben Radfahrende heute bessere
Möglichkeiten: Windweste aus der Trikot-Tasche holen, anziehen - und ab geht's...
Aber warum empfinden wir Temperaturen als niedriger als tatsächlich gemessen, wenn Wind weht, oder wenn wir den Wind auf einer flotten Abfahrt selbst erzeugen? Die Antwort: Windchill. Dieses Wort kennt wohl jede/r Outdoor-Sportler/ in - aber was genau bedeutet es eigentlich?
Lassen wir doch mal die Fachleute
vom
Deutschen Wetterdienst DWD zu Wort
kommen: „Durch eine erhöhte Windgeschwindigkeit tritt in den Fällen eine Abkühlung im Hautbereich auf, in denen die
Haut-Temperatur über der Luft-Temperatur liegt, der sogenannte Wind-Chill-Effekt. Dieser Abkühlungs-Effekt verstärkt
sich mit zunehmender Windgeschwindigkeit. Auch bei konstanter Windgeschwindigkeit, aber gleichzeitig zunehmender
Differenz zwischen Haut- und Luft-Temperatur ist dies der Fall.“
Alles klar? Je stärker der Wind also weht, bzw je schneller wir fahren, umso kälter empfinden wir die Temperatur. Das gleiche passiert, wenn die Haut aufgeheizt ist, durch Sonne oder Anstrengung, und der Unterschied zur Luft-Temperatur größer wird. Sind die Klamotten feucht, kommt ein weiterer Effekt dazu: Verdunstung erzeugt Kälte - wenn der (Fahrt-) Wind also das Trikot trocknet, verdunstet der Schweiß, und es entsteht zusätzliche Kälte.
Die windbedingte Abkühlungswirkung
auf die Haut lässt sich sogar messen: mit der „Windchill-Äquivalent-Temperatur“
(WcT). Nochmal der DWD: „Dabei handelt es sich um diejenige Luft-Temperatur,
bei der sich in einer Standard-Umgebung
der gleiche Abkühlungs-Effekt einstellen
würde wie unter den aktuellen meteorologischen Bedingungen.“ Der Standard:
Schatten und leichte Luftbewegung; die
Formel (wer auf der nächsten Passhöhe
mal selbst ausrechnen mag, wie kalt's ihm
auf der Abfahrt dann wird;-)
WcT = 13,12 + 0,6215 x Ta – 11,37 x v 0,16
+ 0,3965 x Ta x v 0,16
Ta ist die Lufttemperatur in Grad Celsius,
v die Windgeschwindigkeit in km/h.
Allerdings: Die Windchill-Äquvalent-Temperatur berücksichtigt nicht Luftfeuchtigkeit und Sonnenstrahlung - da muss die „gefühlte Temperatur“ zum Einsatz kommen. Weil: In der Sonne und bei hohem Wasserdampfgehalt der Luft empfindet der Mensch die Temperatur als höher, bei Wind - besonders im Winter - als geringer.
Der DWD berechnet die
„gefühlte Temperatur“
nach dem von ihm
entwickelten „Klima-Michel-Modell“, das
den Wärmehaushalt eines Modell-Menschen, genannt Klima-Michel bewertet.
Die „gefühlte Temperatur“ steigt unter
sommerlichen Bedingungen viel schneller
als die Lufttemperatur an. Ist es kühl, kann
sie je nach Wind unter die Lufttemperatur
absinken.
Warum ist die „gefühlte Temperatur“ wichtig? Damit der Körper weder zu stark auskühlt noch aufheizt, müssen sich Wärmegewinn und Wärmeabgabe die Waage halten - bei Aktivitäten, und unter wechselnden Umweltbedingungen. Dazu besitzt der Mensch eine Reihe von Regulations-Mechanismen, die unbewußt ablaufen; am wichtigsten sind Thermo- und Kreislauf-Regulation, die eng vernetzt sind. Behaglich fühlt sich der Mensch am ehesten dann, wenn alle Regulations-Systeme minimal aktiv sind. Je stärker sie gefordert werden, umso eher werden die Bedingungen als belastend empfunden.
Behaglichkeit stellt sich laut
„Klima-Michel-Modell“
des DWD ein bei
„gefühlten Temperaturen“ zwischen 0 und
20 °C; weniger er als 0 °C erzeugen ein
Kälte-, und mehr als 20 °C ein Wärme-Gefühl. Bei zunehmender Abweichung
vom Behaglichkeitsbereich kann es zu
einer Belastung für das Herz-Kreislauf-System kommen, insbesondere für ältere
oder kranke Personen. Letzlich hat jedoch
jeder Mensch ein unterschiedliches Wärmeempfinden, das durch Größe, Gewicht,
Aktivität, Bekleidung, Sonneneinstrahlung
bestimmt wird, aber auch durch Herkunft,
und damit etwa Hauteigenschaften oder
Gewöhnung an Wärme oder Kälte.
Genug der Theorie - was bedeutet der Windchill-Effekt nun in der Praxis, unter besonderer Berücksichtigung des Radfahrens? Punkt eins: Wer - auch im Sommer! - eine Runde plant mit einem längeren Anstieg, auf dem er/ sie vermutlich ins Schwitzen kommt, und einer anschließenden Abfahrt, der sollte auf jeden Fall eine Windweste mitnehmen, um sich auf der Downhill-Passage gegen Auskühlung zu schützen.
Punkt zwei: Es sollte auf jeden
Fall eine Weste/
Jacke aus winddichtem
Material sein; ein „normales“ darübergezogenes langärmeliges Trikot lässt in der
Regel Luft eindringen, und verhindert das
Auskühlen nicht. Damit sind wir bei der geeigneten Kleidung: Welcher Stoff hält eindringende
Luft weitgehend ab, bleibt aber trotzdem
ausreichend atmungsaktiv, damit kein „Sauna-Klima“ unter
der Jacke ensteht?
Pionier der dazu nötigen Membran-Technologie war Bill Gore aus Delaware/ USA. Er zog 1969 Fäden aus dem von seinem Vater Bob für Elektrokabel entwickelten Kunststoff Polytetrafluorethylen (PTFE) so lange auseinander, bis sie so fein waren, dass er ein Stoff-Gitter daraus weben konnte, das wind- und wasserdicht, aber trotzdem dampfdurchlässig war. Diese Kombination aus Windschutz und Atmungsaktivität minimiert den Windchill-Effekt und reduziert gleichzeitig das Überhitzungs-Risiko bei körperlicher Anstrengung.
Im Jahr 1985 kam die „Giro“ auf den
Markt,
die erste atmungsaktive Wind- und
Regenjacke von Gore-Tex, wie die Marke
damals hieß. Lange war die Firma W.L.
Gore mit dieser Technologie alleine, bis
Alternativen wie Sympatex, Powertex,
eVent oder Texapor auf den Markt kamen.
Heute gibt es eine große Bandbreite an
Outdoor-Kleidung mit Windschutz-Funktion - vom Trikot mit Windstopper-Einsatz auf der Vorderseite über allseits wind-
geschützte Jerseys, Windstopper-Westen
und -Jacken bis zu wärmeisolierten Jacken
mit Windschutz und Windstopper-Regenjacken. Selbst Hosen mit Windschutz an
Vorder- und Oberseite sind zu haben.
Dabei legen die Hersteller unterschiedliche Schwerpunkte in den Funktionen: Optimaler Windschutz bei gleichzeitig voller Wasserdichte ist schwer machbar. Also gibt es entweder relativ dünne, leicht zu verstauende Westen oder Jacken, die vor allem vor Wind schützen, aber Regen eher wenig und nur kurz abhalten - dafür aber sehr atmungsaktiv sind.
Am anderen
Ende dieser Produkt-Palette
stehen meist
mehrlagige, relativ schwere und nicht
sehr klein verstaubare Regenjacken, die
auch stärkeren und längeren Schauern
standhalten, dabei durchaus winddicht
sind - bei denen man dafür aber in Sachen
Atmungsaktivität Abstriche machen muss:
In so einer Jacke läuft der Schweiß dann
auf einem längeren Anstieg, bei höherer
Anstrengung doch stärker.
Wie immer sollte man sich vor der Entscheidung für ein bestimmtes Produkt
fragen, wofür man es in erster Linie einsetzen will. Wer eher sportlich unterwegs
ist, und auch mal am Feierabend noch
eine schnelle Runde dreht, der ist mit einer
dünnen, leichten Windstopper-Weste, die
sich kompakt in der Trikot-Tasche verstauen lässt, am besten bedient.
Wer oft länger
fährt, auch im Gebirge
und nicht nur im
Sommer, der sollte über eine langärmelige
Jacke nachdenken, vielleicht sogar über
eine „Softshell“-Version, die meist besseren Nässeschutz und mehr Isolation gegen
Kälte bietet. Eine größere Variabilität haben Jacken mit abnehmbaren Ärmeln, bei
diversen Radbekleidungs-Herstellern im
Programm. Wird es wärmer, können die
Ärmel schnell abgezippt werden, was auch
eine bessere Belüftung des Oberkörpers
zur Folge hat.
Wer bei jedem Wetter auf dem Rad sitzt, stets einen Rucksack dabei hat, aber nicht ganz so flott pedaliert, der kann zu einer vollwertigen Windstopper-Regenjacke greifen, die in vielen Situationen die richtige Wahl ist: Regen, (nicht zu große) Kälte, Wind - in einer leicht isolierten Version vermutlich die beste Wahl für Alltags-Radler/innen. Das meist größere Stau-Volumen fällt beim Transport im Rucksack kaum ins Gewicht.
Nochmal zum Windstopper: Wie funktioniert der
eigentlich? Fragen wir
„Windstopper“-Erfinder Gore: „Ein leichtes textiles Träger-Material wird mit einer
ultradünnen Schutzschicht verbunden
- laminiert, wie der Fachmann sagt“, weiß
Oliver Oppermann, „Global Marketing
Leader“ bei Gore: „Diese Membran-Stoffe
haben Milliarden von Poren, die 900 mal
größer sind als Wasserdampf-Moleküle. So
kann Schweiß leicht nach außen entweichen, Wind aber nicht eindringen.“
Wer zusätzlich Regenschutz will, braucht eine Jacke mit einer dauerhaft wasserabweisenden Ausrüstung („Durable Water Repellant“, kurz DWR): Sie dringt bei der Produktion in die Fasern ein, senkt die Oberflächenspannung des Textils und führt dazu, dass Wasser Tropfen bildet und schließlich abperlt. Das Ergebnis: weniger Wasseransammlung außen, weniger Auskühlung durch Wind - und geringere Gewichtszunahme der Jacke.
Um seine Technologien und Produkte zu
testen,
hat W.L. Gore am europäischen
Firmensitz in Putzbrunn bei München
bereits vor fast 20 Jahren eine Reihe
von Test-Labors eingerichtet - beispielsweise auch, um bei unserem Thema
zu bleiben, zur Simulation sämtlicher
Windbedingungen. Nochmal Oliver
Oppermann: „Wir haben unsere eigene
Wettermaschine entwickelt, den 'Storm
Cube'. Da können wir einfach durch
Drücken einer Taste selbst orkanartige
Stürme erzeugen, mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h.“
Am wichtigsten jedoch sei der abschließende Komfort-Test, sagt Oppermann: „Komfort beschreibt den Zustand, in dem uns weder zu warm noch zu kalt ist, es besteht ein Gleichgewicht zwischen produzierter und abgegebener Wärme. Beim Komfort-Test vergleichen wir die Labor-Ergebnisse mit der subjektiven Wahrnehmung unserer Test-Personen. Nur das gewährleistet bestmöglichen Komfort, bei unterschiedlichen Aktivitäten und Bedingungen“ - sicher auch in der rasanten Abfahrt vom Col du Galibier...
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