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02.06.2015 | 250 Fahrer auf 42 Kilometern, mit Bahnrädern auf abgesperrter Strecke, mitten durch Berlin: Als dieses Format als „Fixed 42 World Championship“ Anfang des Jahres von den Veranstaltern der "RadRace"-Rennserien ausgeschrieben wurde, überwog ganz klar meine Skepsis über die Machbarkeit und Sicherheit eines solchen Fixie-Events.
Auch wenn klar war, dass wir als "Team 8bar" mitfahren werden,
meldete sich mein gesunder Menschenverstand, und forderte eine persönliche Ausstiegsklausel, um vielleicht doch noch einen Rückzieher machen zu können...
Aber als der "Velothon" näher rückte, die Event-Organisation einen sehr professionellen Eindruck machte, und sich zu guter Letzt unsere Fahrer einer ansteigenden Formkurve erfreuten, wich die Skepsis einer ebenso großen Vorfreude wie Spannung.
Viele aus der "Fixed Gear"-Rennszene sind über diesen Trend
in den 2000er Jahren überhaupt erst zum Radsport gekommen. Als Jugendliche sind wir Nachts in halsbrecherischem Tempo durch Berlin gejagt, und simulierten an jeder gelb-roten Ampel den Zielsprint.
Mit zunehmendem Alter tauschte man den Leichtsinn im Straßenverkehr gegen das kalkulierbarere Risiko im Amateur-Radsport - und doch reizte die Vorstellung, genau dieselben Straßen mit seinen Freunden entlang zu jagen wie damals: ein Gang, keine Bremse, immer am Anschlag.
Im Jahr 2015 setzt sich das Teilnehmerfeld
solcher „Fixed Gear“-Veranstaltungen nicht mehr nur aus Fahrradkurieren und Kampfradlern zusammen. Es gibt eine beachtliche Zahl ehemaliger und aktiver Lizenz-, Bahn-, und Profi-Fahrer, die sich abseits der UCI vor allem im Format der Rundstrecken-Rennen, oder „Crits“, wie der Fixie-Fan sagt, mit solchen Rädern messen.
Diese Rennen wurden durch David Trimble und seine internationale „Red Hook Crit“-Serie in Radsport-Kreisen schnell beliebt, sodass die Konkurrenz und das Zuschauer-Interesse stetig wächst.
In solchen „Kriterien“ gibt es jedoch einen regulierenden,
wohl auch sichernden Faktor: Durch die Kurven, und die Beschleunigung aus diesen, zieht sich ein Feld in die Länge, und wird in gewisser Weise berechenbar, was eine Handbremse nicht nötig macht. 250 Mann in einem Feld auf einer dreispurigen Bundesstraße hingegen, das birgt ein hohes Sturz-Risiko.
Ein solches Format wurde so noch nie gefahren, und der Druck war hoch. Nicht nur dem Anspruch als bestes Starrgang-Team Deutschlands mussten wir gerecht werden. Als Lokal-Matadoren war ein Top-Ergebnis ganz einfach Pflicht für uns...
Die Renn-Vorbereitung setzte sich aus Strecken-Studium
und technischen Überlegungen zusammen. Am Abend zuvor, als sich die Rennfahrer bei diversen Events in der Stadt über den Weg liefen, war die Frage der Gangwahl das wichtigste Thema.
„Nicht zu leicht ketten, wir werden Rückenwind haben…“, „Nicht zu schwer, auf dem Tempelhofer Feld gibt’s Windkante…“, „Die Zielgerade ist 1000 Meter lang.“ Das waren die häufigsten Argumente.
Wir erwarteten eine Geschwindigkeit von 43 bis 45 km/h,
und entschieden uns für eine Übersetzung 48/ 13, um Luft für den Zielsprint zu haben.
Die Anfahrt zum Rennstart nach Ludwigsfelde erfolgte per S-Bahn, quasi im Sonderzug: Bis zur Decke stapelten sich die Räder. Eine Anfahrt mit dem Rad war mit so diesem Gang und ohne Bremse auf öffentlichen Straßen ja ausgeschlossen.
Die Aufregung am Start war enorm, und Dutzende Fahrer versuchten der Nervosität auf der Rolle und beim Warmfahren auf den Parkplätzen beizukommen. Aber sobald die "Skinsuits" übergestreift, die Nummern angeheftet, und die Gels verstaut waren, ging es auch schon zur Aufstellung.
Mit das Wichtigste überhaupt!
Wir wollten das Rennen von Anfang an schnell und selektiv machen, um der Sturzgefahr im hinteren Teil des Feldes aus dem Weg zu gehen. Ein Start in vorderster Reihe war demzufolge alternativlos. Das Rennen begann mit einer neutralisierten Fahrt durch Ludwigsfelde, bevor es kurz vor der Auffahrt auf die Bundesstraße freigegeben wurde.
Schon bald ereigneten sich im hinteren Teil des Feldes diversen Stürze durch Fahrer, die rasch nach vorne vorrücken wollten. Sobald wir auf der dreispurigen Bundesstraße fuhren, bewegte sich das Tempo im Bereich 50 bis 55 km/h.
Übersetzungstechnisch hatten wir also alles richtig gemacht.
Alle, die zu leicht gekettet hatten, fielen aus dem Hauptfeld, weil eine Trittfrequenz jenseits der 120 für die meisten nicht dauerhaft durchzuhalten war.
Diverse Ausreißversuche auf gerader Strecke waren aufgrund der hohen Geschwindigkeit zum Scheitern verurteilt. Dennoch war es wichtig, sich stets in den ersten 20 Positionen aufzuhalten und auch den Angriffen mal nachzugehen.
Die erste Engstelle passierten wir am Eingang zum
Tempelhofer Feld, wo es auch gleich krachte, und in der Folge das Hauptfeld an der Windkante auf dem Rollfeld auseinanderbrach. Wir schafften es, unsere drei besten Fahrer in der Spitzengruppe zu halten, und fuhren nun engagiert in vorderster Reihe.
Vor Kurven sprinteten wir stets abwechselnd um die ersten Positionen, die wir auch fast immer besetzten, um sicher durch die Stadt zu kommen. Die Streckenführung bescherte uns nun heftigen Seitenwind, der zu diversen Attacken einlud.
Keine war jedoch erfolgreich, und mit dem sich nähernden Ziel
rollte die auf etwa 50 Mann geschrumpfte Spitzengruppe geschlossen auf den breiten Straßen durch das Zentrum Berlins.
Unsere gute Vorbereitung zahlte sich an der letzten und wichtigsten Gefahrenstelle aus: Einer schnellen Linkskurve folgte ein Abschnitt im Gegenwind, der das Feld stauchen ließ.
Zu allem Übel befand sich nach 300 m im Gegenwind eine Fahrbahnverengung durch eine Straßenbahnhaltestelle, der gut die Hälfte der Spitzengruppe zum Opfer fiel. Ich hörte nur einen lauten Knall, und das Scheppern der Räder. Zurückblicken ist zu gefährlich, und so wartete ich bis zur nächsten Kurve, um nach meinen Fahrern zu gucken.
Wir hatten uns an den Plan, diese Stelle in den ersten Positionen
zu passieren gehalten, und haben es als einziges Team unbeschadet durch das Nadelöhr geschafft. Bei den nun übrig gebliebenen etwa 20 Mann konnten wir unsere Überlegenheit besonnen ausspielen, waren aber nun auch in der Pflicht, letze Attacken zu stellen.
Leider war die Aufregung dann doch zu groß, und ich setzte als erster Anfahrer den Zug eigentlich zu früh in Bewegung. Unter der "Flamme Rouge" hatte ich schon gut 300 m im Gegenwind absolviert, den letzten Ausreißer zwar gestellt, aber dann doch noch diese endlos lange Zielgerade vor mir.
Mit einem weiteren Mann und Sprinter am Hinterrad
war ich nun um Schadensbegrenzung bemüht, und hielt das Tempo noch für weitere 200 Meter. Glücklicherweise hatte unser Paul Stubert gute Beine, und behauptete unsere Position für die nächsten 400 m, bis er den langen Sprint für unseren Franzosen Tim Ceresa freigab.
Mit einem ausdauernden Spurt sicherte sich Tim den zweiten Platz, und musste sich nur einem starken Sebastian Körber geschlagen geben. Der hatte bis zum Schluss an seinem Hinterrad gelauert, um ihn dann im klassischen "Dragrace" zu schlagen, und als neuer „Weltmeister“ über die Ziellinie zu rollen.
Unserer Starterin bei den Frauen, Christin Klepsch,
konnte sich indes lange Zeit im Männerfeld behaupten, und erreichte das Ziel mit nur 2:30 Minuten hinter der Spitzengruppe der Männer. Diese unglaubliche Leistung reichte natürlich ihrerseits zum „Weltmeistertitel“ bei den Mädels.
Mit einem ersten und zweiten Podestplatz durch Christin und Tim konnte man natürlich schon vollkommen zufrieden sein. Aber das eigentliche Ziel, die Team-Wertung zu gewinnen, machte diesen Sonntag dann wirklich perfekt. Mit einem zweiten, neunten und elften Platz dürfen wir uns nun inoffizielle „Weltmeister“ nennen.
Auch wenn uns bewusst ist, dass dieser Titel mit einiger Ironie
zu führen ist, sind wir dennoch stolz, einen so engagierten und erfolgreichen Auftakt in unsere „Fixed Gear“-Saison feiern zu können, und unsere Stadt Berlin so überragend vertreten zu haben. Das bringt viel Motivation für die nächsten Rennen im internationalen Starrgang-Kalender...
Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 47 km/h beweist unterdessen, dass Fixie-Rennen sich mittlerweile nicht mehr hinter traditionellen Straßenrennen verstecken müssen.
Aber nicht nur das sportliche Fazit fällt positiv aus.
Auch hat die alternative, unabhängige Rennszene an diesem Wochenende mal wieder bewiesen, wie kollegial, engagiert und professionell diese Veranstaltungen von Organisatoren und Sportlern absolviert werden.
Ein erster und wichtiger Schritt, um den Radsport aus den Büros greiser Herren zu befreien, und den jungen Wilden zurückzugeben. Denn davon gibt es mehr als genug...
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