Die Preise für Wattmess-Systeme fallen weiter

Leistungsmessung: Watt is´ los!

Von Wolfgang Preß

Foto zu dem Text "Leistungsmessung: Watt is´ los! "
| Foto: Cor Vos

11.04.2020  |  Vor 23 Jahren, im April 1997, gewann der dänische Rad-Profi Bjarne Riis den Frühjahrs-Klassiker „Amstel Gold Race“ - und war damit der erste Sieger eines Profi-Rennens, der mit Watt-basierter Leistungsmessung unterwegs war. Riis konnte mit Blick auf das kleine rote Kästchen an seinem Lenker jederzeit im Rennen genau sagen, wie viel Kraft er auf die Pedale brachte.

Im Profi-Radsport ist Watt-basiertes Training seit vielen Jahren üblich.
Da die Preise für Leistungsmesssysteme in den letzten Jahren deutlich gefallen sind, wird die Watt-Messung und das darauf aufgebaute Training auch für Freizeitsportler interessant - besonders, wenn nur wenig Zeit zur Verfügung steht: Dann lassen sich die Trainings-Effekte deutlich steigern.

Wie funktioniert die Watt-Messung? Spezielle Sensoren, genannt Dehnmessstreifen, registrieren beim Treten minimale Verformungen in Tretkurbel, Hinterradnabe oder Pedalachse, je nach System. So wird das Drehmoment gemessen, und zusammen mit der durch einen weiteren Sensor ermittelten Trittfrequenz wird die Leistung errechnet, und in Watt auf dem Display angezeigt.

Bis dahin hatten Radsportler, um objektive Leistungsdaten
zu erhalten, nur die zahlreichen Einflussgrößen unterliegende Herzfrequenz als Basis – kein verlässlicher Gradmesser für den „Output“, da der Herzschlag stets nur verzögert auf Belastungen reagiert.

Die Watt-Zahlen aus einem „Powermeter“ zeigen dagegen eindeutig, was der Sportler in genau diesem Moment leistet: Fährt man einen Berg hoch, schnellen die Wattzahlen sofort nach oben, während die Herzfrequenz erst später steigt.

Der Puls unterliegt zudem vielen Einflüssen,
die Verfälschungen verursachen können: Emotionen, Flüssigkeitsmangel, hohe Temperaturen, oder auch die Ernährung. In der Praxis bedeutet das: Wer im Hochsommer bei 35 Grad seine Hausrunde entlang brettert, zwingt sein Herz zu Schwerstarbeit; die gleiche Strecke im Frühjahr bei 15 Grad ist weit weniger fordernd.

Aber Watt bleibt Watt – egal, ob es gerade Katzen hagelt, oder ob Sie fünf Red Bull getrunken haben. Das macht die Leistungsmessung zum idealen Trainings-Instrument, und unter den Profis machen Trainer ihren Fahrern genaue Vorgaben in Form von Leistungsbereichen. Das Intervall- und Grundlagen-Training lässt sich so exakt dosieren, unabhängig von externen Einflüssen wie Wind, Streckenprofil oder Untergrund.

Leistung ist Kraft mal Entfernung durch Zeit –
das ist die physikalische Definition der Fähigkeit, Muskelkraft in Leistung umzusetzen. Auf dem Rad bedeutet das: Meine Watt-Leistung steigt, wenn ich bei gleicher Tritt-Frequenz einen größeren Gang trete, oder im gleichen Gang schneller kurble. Und je mehr Watt ich erzeugen kann, umso besser werden meine Resultate sein.

Hauptvorteil der Leistungsmessung ist, schon im Training die Werte ermitteln zu können, die man später im Rennen braucht, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Und in Leistungstests Maximal-Wattzahlen festzulegen, die der Sportler nicht länger überschreiten darf, um nicht frühzeitig zu erschöpfen, zu „overpacen“.

So gab es zu Beginn der Verwendung
von Powermetern im Profi-Radsport durchaus Stimmen, das sei doch auch Betrug: Wer nach Leistungsmesser fährt, müsse gewissermaßen nur sein Programm abspulen, und könne sich die Kraft optimal einteilen. Das ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen; da aber alle Profis seit vielen Jahren mit Watt-Messern fahren, hat keiner mehr einen Nachteil.

So ist bekannt, dass ein Podiums-Kandidat bei der Tour de France in der Lage sein muss, 15, besser 20 Minuten lang eine Leistung von etwa 6,5 Watt pro Kilogramm Körpergewicht zu treten – ein Wert, den ein untrainierter Mann gerade mal eine Minute lang schafft. Und um bei einem Zeitfahren vorne dabei zu sein, lässt sich ziemlich genau die erforderliche Leistung berechnen, sobald die Strecke bekannt ist. Das Training kann dann entsprechend darauf abgestimmt werden.

„Dass Watt-Messung im Freizeit-Sport bisher
nur eine kleine Rolle spielt, hat vor allem mit den Kosten zu tun“, sagt Stefan Scheitz, Geschäftsführer des Radsport-Großhandels Sport Import, der Leistungsmessgeräte von Quarq und Powertap vertreibt. Obwohl die Preise in letzter Zeit weiter gefallen sind, werden immer noch mindestens rund 700 Euro für ein Komplett-System fällig. „Hobbyfahrer denken zudem oft, dass sich bei ihren geringen Trainingsumfängen ein Wattmesser nicht lohnt“, so Scheitz – ein Irrtum, denn gerade die wenige Trainingszeit sollte möglichst effizient genutzt werden.

Die Watt-Messtechnik ist inzwischen ausgereift, und in unterschiedlichen Varianten verfügbar. „Standard sind Tretkurbel-Systeme wie das der Sram-Tochterfirma Quarq“, weiß Stefan Scheitz. Beliebt, weil einfach zu nutzen, sei daneben die Powertap-Kraftmess-Nabe: „Der Hersteller bietet auch fertige Laufradsätze an, die man an unterschiedlichen Rädern nutzen kann“.

Die jüngste Entwicklung sind einfach
zu montierende, pedalbasierte Systeme,wie etwa die „Kéo Power“-Reihe von Look, oder die Kettenblatt-basierte „C1“ von Powertap, die ähnlich wie ein Kurbelsystem funktioniert. Richtig interessant wird die Watt-Messung beim Intervall-Training, seit zwei, drei Jahren bei vielen Profi- wie Amateur-Radsportlern beliebt: Anstatt stundenlang im Grundlagen-Bereich herumzugurken, reißt man kurze, intensive Einheiten ab.

Die Herzfrequenz ist dabei als Basis ungeeignet: Wird ein zehnminütiges Intervall mit dem Pulsmesser gesteuert, fährt man am Anfang zu schnell, und gegen Ende immer langsamer. Das liegt an der Trägheit des Herzens: Der Muskel braucht einige Zeit, um auf Touren zu kommen. Wenn Intervalle mit einem Pulsmesser gesteuert werden, schwanken die Watt-Leistungen stark, beim Watt-Training dagegen nicht.

Der Osttiroler Mtb-Marathon-Europameister
Alban Lakata sieht einen weiteren Vorteil: „Die Watt-Leistung ist unbestechlich, und zeigt, wie fit ich wirklich bin, und zwar unabhängig von äußeren Einflüssen, oder auch meiner subjektiven Wahrnehmung. Manchmal fühle ich mich total mies beim Training - und stelle nachher fest, dass meine Werte richtig gut waren.“

Falls Sie sich nun für die Anschaffung eines Wattmess-Systems interessieren: Procycling hat in seiner Februar-Ausgabe vier Leistungsmesskurbel-Systeme in unterschiedlichen Preisklassen getestet. Hier finden Sie die Ergebnisse: Power2Max NGeco Road, Rotor InSpider Aldhu, Stages Power L/R, SRM Origin Road Carbon

 

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