Neue Studie zeigt relative Unzuverlässigkeit und Ungenauigkeit

FTP-Test: Nur grobe Einschätzung der Leistungsfähigkeit möglich

Von Raphael Jung

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Nur etwa jeder Zweite kann den FTP-Test 60 Minuten fahren, und so seinen Leistungsbereich an der anaeroben Schwelle definieren. | Foto: Diagnose Berlin

20.12.2017  |  Eine Studie unseres Trainings-Instituts Diagnose Berlin in Kooperation mit dem Institut für Sportmedizin der Charité Berlin bringt neue Erkenntnisse zum bei ambitionierten Radsportlern beliebten „Functional Threshold Power“-Test (FTP; anaerobe Schwelle). Unsere Fragen vor dem Start der Studie waren: Was ist FTP eigentlich, und vor allem - wie genau ist der Test? Kann die FTP wirklich genutzt werden, um Leistungsstärke und Trainingsfortschritt nachzuweisen?

Erkenntnis 1: Der FTP-Test ist nicht zuverlässig.
Um die Zuverlässigkeit, also die Reproduzierbarkeit des Tests zu überprüfen, wurden zwei FTP-Tests im Abstand von einer Woche gefahren. Training und Ernährung wurden vor jedem Test komplett gleich eingestellt. Sollte der FTP-Test zuverlässige Ergebnisse produzieren, müssten die Resultate des ersten und des zweiten Tests also identisch sein.

Die Testwiederholung führte jedoch durchschnittlich zu höheren Ergebnissen. Dies lässt vermuten, dass der Erfahrungsgewinn der Probanden einen Einfluss auf das Abschneiden beim FTP-Test hat. Damit ist der Test (zumindest für Einsteiger) nicht zuverlässig. Sprich, wer den Test in kurzem Abstand wiederholt und besser abschneidet, kann nicht sicher davon ausgehen, dass dies eine Folge von Training ist, und zwangsläufig eine Leistungssteigerung erzielt wurde.

Ist der FTP-Test also „unbrauchbar“? Nein! Man muss nur genauer hinsehen, und kritisch mit den erhobenen Daten umgehen. Betrachtet man die individuellen Fälle, ist interessant, dass es durchaus Personen gab, die einen FTP-Test auf den Punkt wiederholen konnten.

Ergebnis 2: Nur etwa jeder Zweite kann den FTP-Test 60 Minuten fahren, und so seinen Leistungsbereich an der anaeroben Schwelle definieren.
Um die Aussagekraft der FTP zu ermitteln, wurde für jeden Probanden die individuelle FTP gemäß der Formel FTP-Test-Ergebnis x 0,95 berechnet. Damit der FTP-Test genau ist, und als „Prädiktor“ funktioniert, muss jeder Proband 60 min am Limit durchfahren, und dabei im Verlauf konstant bleibende Laktat-Werte (ein sogenanntes Steady-State) aufweisen.

Von den insgesamt 18 Probanden schafften es allerdings sechs Probanden nicht, die 60 Minuten zu Ende zu fahren. Das Grundprinzip des FTP-Modells, nämlich eine 60-minütige Leistung aus einem 20-minütigen Maximal-Test vorherzusagen, funktionierte also tatsächlich nur für zwei Drittel aller Teilnehmenden - ein eher ernüchterndes Ergebnis.

Als wir uns die physiologischen Daten genauer anschauten, stellten wir außerdem fest, dass für weitere vier Probanden kein Steady-State vorlag. Diese Probanden konnten sich also gerade so über die 60 min quälen, jedoch fuhren sie (wenn auch nur knapp) überschwellig.

Eine wirklich valide (also „gültige“) Aussage lieferte unser FTP-Test also nur für acht von 18 Probanden. Noch einfacher ausgedrückt: Nur etwa jeder Zweite wird mit dem FTP-Test erfolgreich seinen Leistungsbereich an der anaeroben Schwelle definieren, und diesen auch 60 Minuten fahren können.

Fazit:
Was bleibt vom FTP-Test? Er kann keine fundierte physiologische Leistungs-Diagnostik ersetzen. Er ermöglicht eine simple und sehr grobe Einschätzung der Leistungsfähigkeit - nicht mehr und nicht weniger. Als objektiv gültiges Test-Instrument konnte er sich nicht beweisen, da er von zu vielen externen Einflüssen (Testerfahrung, Selbsteinschätzung, etc) abhängig ist.

Vorher-Nachher-Vergleiche verschiedener Ergebnisse sind nur bedingt möglich, und auch das Rückschließen auf andere Leistungsbereiche (vor allem die 60-minütige Leistung) anhand schematischer Berechnungen kann nicht als zuverlässig angesehen werden.

Was durchaus sinnvoll sein kann, ist das Beobachten einzelner funktionaler Leistungen aus Trainings- und Renn-Ergebnissen (z.B. 5 sek, 30 sek, 5 min, 20 min, 60 min) von Zeit zu Zeit. Diese funktionalen Daten zeigen, wo sich die Leistungsfähigkeit im Detail über die Zeit verändert. Zusätzliche physiologische Leistungs-Diagnostiken ergänzen diese Informationen, und beantworten die wichtige Frage, warum das so ist, und wo die Ansatzpunkt für Training und Wettkampf liegen.

Raphael Jung ist Inhaber des Trainings-Instituts "Diagnose Berlin".

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