Tour braucht die verrückte Attacke eines Mutigen

Poels & Co. zu stark: Froomes Konkurrenz gibt schon auf

Von Felix Mattis aus Culoz

Foto zu dem Text "Poels & Co. zu stark: Froomes Konkurrenz gibt schon auf"
Sky-Kapitän Chris Froome kann sich auf seine Tour-Helfer wie Wout Poels (rechts) verlassen. | Foto: Cor Vos

17.07.2016  |  (rsn) - Zwei Wochen Tour de France sind vorbei, und auch wenn Chris Froome (Sky) in der Gesamtwertung nur 1:47 Minuten vor Bauke Mollema (Trek-Segafredo) liegt - weniger Vorsprung hatte ein späterer Tour-Sieger nach der 15. Etappe seit 2011 nicht mehr: Der Titelverteidiger scheint in diesem Jahr unangreifbar.

"Nein, die Tour zu gewinnen, wird wirklich schwer. Er ist der große Favorit und es bräuchte schon einen wirklich sehr schlechten Tag von ihm", antwortete ausgerechnet Mollema, der Mann, der den Fans vor der Schlusswoche wenigstens noch etwas Hoffnung auf Spannung machen sollte, auf die Frage, ob er die Tour gewinnen kann.

Und keiner seiner Mitstreiter strahlte auf der schweren 15. Etappe von Bourg-en-Bresse über sechs kategorisierte Anstiege und 160 Kilometer nach Culoz mehr Zuversicht aus. Attacken gegen Froome gab es kaum. Ein Antritt in der letzten Steigung zu den Lacets du Grand Colombier von Fabio Aru (Astana) und Alejandro Valverde (Movistar) sowie etwas später von Romain Bardet (Ag2r), das war's. Und alle drei holte Wout Poels für Froome in einer beeindruckenden Seelenruhe wieder zurück.

Sky kontrollierte so souverän, dass Froome sich sogar selbst den Spaß erlaubte, im letzten Anstieg für rund 20 Meter kurz anzutreten. Fast so, als ob er aus Langeweile die Konkurrenz provozieren wollte, doch endlich etwas zu wagen.

"Es gab ein paar kleine Attacken, aber keine richtig großen. Vielleicht schonen sie sich für die letzte Woche. Aber ich denke, wir haben einen sehr guten Kader und für Chris ist es schön, wenn das Team so kontrolliert", sagte Poels zufrieden. Der Niederländer war nicht mal der letzte Helfer, an seinem Hinterrad wartete für den Notfall immer noch Mikel Nieve. Der Spanier aber musste so gut wie gar nicht in den Wind.

"Ich glaube Sky ist so stark, dass niemand sie angreifen kann", vermutete auch Emanuel Buchmann im Gespräch mit radsport-news.com, und sein Teamchef Ralph Denk erklärte: "Die Überlegenheit ist auch eine Sache des Etats. Sie haben vielleicht 30 Millionen Euro, damit kann man viel machen. So ein Helfer, der die ganze Zeit vorne fährt, kostet schon mal eineinhalb Millionen."

Was Poels genau verdient, ist nicht bekannt. Doch bei dieser Tour ist der 28-Jährige sein Geld mehr als wert. "Jeder war an seinem Limit", bestätigte auch Poels' Vorgänger als Froome-Edelhelfer, Richie Porte (BMC), dass ans Attackieren einfach nicht zu denken war. Und sein Teamkollege Tejay van Garderen, der im Finale abreißen lassen musste und 1:28 Minuten einbüßte, sagte: "Ich habe mich eigentlich gut gefühlt, aber das Tempo war einfach unglaublich."

Beeindruckend ist vor allem die Art und Weise, wie Poels und das Team Sky seelenruhig jeden Angriff im Keim ersticken. "Ich versuche mein Tempo beizubehalten und dann zu sehen, wie schnell sie fahren. Dann kalkuliere ich, ob ich sie wieder zurückholen kann", erklärte Poels radsport-news.com seine Fahrweise. "Wenn ich sehe, dass sie wirklich ein hohes Tempo anschlagen, muss ich auch etwas härter fahren. Ich lasse sie also erstmal attackieren. Wenn sie sich dann wieder hinsetzen, sehe ich ihre Geschwindigkeit, anhand der ich kalkulieren kann, wie ich die Lücke schließe. Außerdem kann man an der Körpersprache auch ein bisschen sehen, wie lange sie in diesem Tempo fahren können."

Froome kann sich glücklich schätzen, einen so cool berechnenden Edelhelfer an seiner Seite zu haben, der nicht nur in Sachen Fahrstil, sondern auch mit seiner Sitzposition und Körpersprache an seinen Kapitän erinnert. "Ich habe schon zu Tour-Anfang gesagt, dass ich in einer privilegierten Position bin. Wir haben möglicherweise das stärkste Team, das Team Sky je zur Tour gebracht hat", so der Brite.

"Das sind alles Kerle, die in anderen Teams Leader wären - Wout Poels zum Beispiel ist nicht einfach irgendein Fahrer. Er hat Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen. Natürlich muss es demoralisierend für andere sein, mit dem Wissen über eine Attacke nachdenken zu müssen, dass Fahrer von solchem Kaliber hinter ihnen her sein werden und ihre Angriffe neutralisieren", stellte Froome fest.

Es ist so demoralisierend, dass Mollema schon nach zwei von drei Wochen nicht mehr an den Tour-Sieg zu glauben scheint - als Gesamtzweiter mit nur 1:47 Minuten Rückstand. Und bislang findet sich auch kein anderer Mit-Favorit mit dem Mut zur großen Attacke. Die Etappe nach Culoz wäre mit ihren zahlreichen Anstiegen, der Abfahrt zum Ziel und ihrer Lage kurz vor dem Ruhetag für einen Husarenritt perfekt geeignet gewesen. Getraut hat sich niemand. So sehr wie jetzt dürfte den Tour-Fans ein Alberto Contador selten gefehlt haben.

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.07.2020Video-Rückblick: Froome joggt 2016 den Ventoux hinauf

(rsn) – Heute vor vier Jahren erlaubten staunende Zuschauer am Mont Ventoux das Finale eines denkwürdigen Tour-Tages. Nach einem Sturz im Schlussanstieg der 12. Etappe rannte Chris Froome am Franz

27.07.2016Nibali hatte bei der Tour schon Rio im Blick

(rsn) – Vincenzo Nibali hat verärgert auf die Kritik an seinen Leistungen bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Tour de France reagiert. Der Italiener und sein Astana-Team waren ohne Etappensieg ge

26.07.2016Erneuter Tour-Ausstieg der ARD darf kein Thema sein

(rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" v

26.07.2016Quintana will weiter für seinen Gelben Traum kämpfen

(rsn) – Kolumbien muss weiter auf seinen ersten Tour-de-France-Sieger warten. Auch im dritten Anlauf hat es Nairo Quintana nicht geschafft – doch noch nie war der Movistar-Kapitän weiter vom Gelb

26.07.2016Künftig ein britisches Duell um das Gelbe Trikot?

(rsn) – Wie sein berühmter Landsmann Bradley Wiggins wird auch Adam Yates in die Geschichtsbücher des Radsports eingehen. War der mittlerweile 36-jährige Stundenweltrekordler vor vier Jahren der

26.07.2016Kittel kam bei der Tour in keinen "richtigen Flow"

(rsn) – Bei André Greipel (Lotto Soudal) lief am Sonntag auf den Champs-Élysées alles nach Wunsch. Wie bereits 2104 gewann der Deutsche Meister die prestigeträchtige Abschlussetappe der 103. Tou

26.07.2016Hektische Sprints und Cavendish machten Greipel das Leben schwer

(rsn) – Nach drei teils frustrierenden Wochen schien für André Greipel (Lotto Soudal) doch noch die Sonne. Am Sonntagabend holte sich der Deutsche Meister in Paris auf den Champs-Élysées den so

25.07.2016Bardet zum dritten Mal in Folge in Paris auf dem Tour-Podium

(rsn) – Romain Bardet hat den heimischen Fans die Tour de France gerettet. Der 25 Jahre alte Kapitän der Ag2R-Equipe legte auf den letzten drei Tagen ein Finale sondergleichen hin, sicherte sich au

25.07.2016Kittel: Erst durch Defekte gestoppt, dann im Finale kraftlos

(rsn) – Zum großen Finale der 103. Tour de France wollten Marcel Kittel und sein Etixx-Quick-Step-Team nochmals zuschlagen. Der Erfurter, der bereits 2013 und 2014 jeweils den Schlussakkord auf den

25.07.2016Jogging-Einlage in Gelb und ein machtloser Herausforderer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Dominator in Grün und Schweizer Coup durch einen Kolumbianer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Kollision mit dem Teufelslappen und ein fataler Entschluss

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

20.11.2024Rundfahrtchefs Pupp, Senn und Wegmann heute im “Windschatten“

(rsn) – Zum fünfjährigen Bestehen der österreichischen Radsport-Initiative "Österreich dreht am Rad" finden in dieser Woche in der Medienhalle Hall in Tirol täglich Podiumsdiskussionen und Live

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.11.2024Van Gils und Lotto - Dstny sprechen über Vertragsauflösung

(rsn) – Letzten Winter forcierte der Belgier Cian Uijtdebroeks seinen vorzeitigen Wechsel vom deutschen Bora - hansgrohe zu Visma - Lease a Bike. Eine ähnliche Geschichte könnte sich auch jetzt an

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine